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DER KEMBERGER ALTAR

A S Städtchen Kemberg südlich von Wittenberg am Rande der Dübener
Heide besitzt in seiner sehr großen und sehr schönen spätgotischen Hallen-
kirche einen Flügelaltar Lucas Cranachs des Jüngeren aus dem Jahr 1565
(131-137). Der wahrscheinliche Stifter des Altars, der damalige Propst
Matthias Wanckel, ist es wohl, der inmitten einer Reformatorengruppe
auf einem Altarflügel dargestellt ist (143) und in seiner Rechten eine
Schrifttafel hält mit der Inschrift »Aeta, 54,1565« und Cranachschlange darunter. In späterer
Zeit hat man mehrere Namensbeschriftungen auf dieser Gruppe angebracht, bei ihm »Lucas
Cranach«. Es ist aber eine irrtümliche Bezeichnung, da Cranach d. J. damals erst 50 Jahre alt
war, während die Jahreszahl genau zu Wanckel paßt, der 1511 in Hamelburg (Franken) ge-
boren ist. — Die enge Beziehung zu Cranach und den Wittenberger Reformatoren war durch
Wanckel selbst und den ebenfalls in dieser Gruppe dargestellten Bartholomäus Bernhardi (141),
seinen Schwiegervater und Vorgänger im Kemberger Propsteiamt, gegeben. Magister Bem-
hardi aus Feldkirch (Baden) las zunächst in der Wittenberger artistischen Fakultät über die
Physik des Aristoteles, bis er schon 1512 zur theologischen Fakultät überwechselte, ein eifriger
und vorwärtsdrängender Schüler Luthers und 1518 Rektor der Universität und Propst von
Kemberg wurde. Schon im Ablaßstreit in vorderster Front an Luthers Seite ist er dann auch
als einer der ersten Kleriker, der 1522 schon heiratete, bekanntgeworden. Fast wäre er den
Märtyrertod gestorben, als ihn 1547 bei der Belagerung Wittenbergs spanische Soldaten über
seinem Tische aufhängten und bald danach — seine Frau hatte ihn noch lebend vom Strick ge-
löst— schwer mißhandelten und verschleppten. Nach seinemTode 1551 wurde dann Wanckel
Propst zu Kemberg, nachdem er seit 1542 als erster lutherischer Pfarrer, von Justus Jonas ein-
geführt, an der Moritzkirche in Halle tätig gewesen war. Mit Luther, Melanchthon, Bugen-
hagen, Jonas und anderen Reformatoren wurde er von Georg von Anhalt zu theologischen
Verhandlungen nach Merseburg berufen, gehörte also mit zum engeren Wittenberger Kreis.
Von dieser Verbundenheit mit der Universität zeugt auch der eine Altarflügel.

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