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Man hat sich meiner Zukunft zu Worms nicht versehen, und wie mir das Geleit ist gehalten,
wisset Ihr alle wohl aus dem Verbot, das mir entgegen kam. Ich meinet, Kais. Maj. sollt ein
Doktor oder fünfzig haben versammelt und den Mönch redlich überwunden. So ist nichts
mehr hie gehandelt denn so viel: Sind die Bücher dein ? Ja. Willst du sie widerrufen oder nicht ?
Nein. So heb dich! O wir blinden Deutschen, wie kindisch handeln wir und lassen uns so
jämmerlich die Romanisten äffen und narren!

Sagt meiner Gevattern, euerm liebemWeib, mein Gruß, und daß sie sich dieweil wohl gehabe.
Es müssen die Jüden einmal singen: Jo, Jo, Jo. Der Ostertag wird uns auch kommen, so
wollen wir dann singen Alleluja. Es muß ein klein Zeit geschwiegen und gelitten sein. Ein
wenig, so sehet ihr mich nicht, und aber ein wenig, so sehet ihr mich, sprach Christus. Ich
hoff, es soll itzt auch so gehen. Doch Gottes Wille als der allerbeste geschehe hierin, wie im
Himmel und Erden, Amen.

Grüßet mir Meister Christian und sein Weib! Sollet auch dem Rat mein großen Dank sagen
für die Fuhre. Ist Euch ein Licentiat Feldkirch nicht genugsam, mögt Ihr Er Amsdorf zu Pre-
diger ersuchen; er wird’s gerne tun. Ade! Hiermit allesamt Gott befohlen, der behüt euer
aller Verstand und Glauben in Christo für den Römischen Wölfen und Drachen mit ihrem
Anhang, Amen. Zu Frankfurt am Main, Sonntags Cantate 1521. D. Martinus Luther.«80
»Lieber Gevatter Lucas«, redet Luther den Freund an, der ihn im Jahr vorher an die Über-
nahme der Patenschaft für seine älteste Tochter Anna gebeten hatte. 1520 also schon wurde die
Freundschaft familiär vertieft, wie auch später von Luthers Seite, als er Cranach mit Frau als
Trauzeugen bei Brautwerbung und Hochzeitsmahl lud81 und Cranach dann bei Luthers erstem
Kind, seinem Hänschen, Pate wurde.

Wir wissen, wie schwer Cranach die Nachricht vom Tode seines begabten Sohnes Hans in
Italien82 getroffen hat. Die seit 1537 herabhängenden Flügel bei Cranachs Wappenschlange
führt man allgemein als Zeichen der Trauer darauf zurück. Luther hat seinem Freund, der sich
selbstquälerisch Vorwürfe machte, daß sein väterlicher Rat zu dieser Italienreise am Tode des
Sohnes schuld sei, gerade auch in diesen schweren Stunden tröstend und stärkend zur Seite
gestanden. Der Bericht, der uns in einer Tischredensammlung erhalten ist, ist ein echtes Zeug-
nis freundschaftlichen und seelsorgerischen Zuspruchs: »Anno 1537 den erstenDecembris be-
suchte D. M. L. den Bürgermeister Lucas Maler, der sehr traurig und bekümmert war über
seins lieben gehorsamen Sohns Abscheid, so mit der Eltern und anderer Gottfürchtigen Rat,
Wissen und Willen in Italien gezogen, und zu Bononien den 9.Tag des Oktobers am Abend
in schönem, herrlichem, christlichen Bekenntnis gestorben war. Aber die Eltern waren über
ihre natürliche Liebe und Neigung auch im Gewissen geplagt und gemartert, gleich als wären
sie seines Todes ein Ursach gewesen, weil sie ihn hätten da hinein geschickt.

Darauf sprach D. M. L.: >Wenn das gelte, so wäre ich so hoch eine Ursache, als Ihr, denn ich’s
Euch und ihm treulich geraten habe. Wir haben’s aber nicht der Meinung getan, daß er sterben
sollte. Unser Gewissen gibt uns Zeugnis, daß ihr ihn viel lieber lebendig wüßtet, ja viel lieber
selber stürbet und alle euer Gut lieber verlöret. Darum leget hin diesen Stachel im Gewissen,
denn beide, Herz und Wille, solches Bedenkens zeugen viel anders, wie Ihr gegen Euren Sohn
gesinnet seid<.

Darnach wandte er sich zum Vater, der da weinte, und sprach: >Lieber Meister Lucas, halt

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