Die Geschichte des Deutschen Ordens
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Den Einheimischen, gleich ob deutscher, slawischer oder prußischer Herkunft, war
der Zugang zu den oberen Rängen des Staatsapparates stark beschränkt. Hier lag
eine Ursache für die späteren Konflikte, die in einem Bürgerkrieg 1454-1466 gip-
felten und schließlich den Zusammenbruch des Staates herbeiführten.
Die offizielle Daseinsberechtigung des Ordensstaates war die Missionierung
nicht christianisierter Gebiete. Preußen grenzte im Osten an Litauen, den territorial
größten heidnischen Staat Europas. Die im 14. Jahrhundert beinahe jährlich orga-
nisierten sog. Litauerreisen sollten die Taufe dieses Landes erzwingen. Diese Mi-
litäraktionen waren in der Regel Plünderungszüge, die freilich kaum ihr Ziel errei-
chen konnten, dem Ordensstaat aber etliche Gewinne einbrachten. Es war die Blü-
tezeit der westeuropäischen Ritterschaft, die gewissermaßen als Ersatz für die Wall-
fahrt ms Heilige Land hier ihre Kräfte im Kampf gegen die Heiden erprobte - Geld
und Kämpfer strömten kontinuierlich nach Preußen. Ohne der Mission unlautere
Absichten unterstellen zu wollen, ist doch em Abhängigkeitsverhältnis zwischen
der Existenz des Ordensstaates und dem heidnischen Litauen nicht zu leugnen.
Der rapide Verlust des Ordens an Attraktivität für den Westen nach der Taufe Li-
tauens und der Niederlage des Ordens bei Tannenberg bestätigt diese Annahme.
Nur bedingt ist Preußen mit anderen Staaten vergleichbar. Zwar kennt das späte
Mittelalter zahlreiche Ritterorden127, die als Staatsgründer auftraten, beispielsweise
die bereits erwähnten Schwertbrüder in Livland oder die Johanniter auf Rhodos,
nirgendwo entstand jedoch eine derart homogene Verwaltungsstruktur wie in
Preußen128. Parallelen in dem System zentralisierter Machtausübung und der hier-
archisch gegliederten Beamtenstruktur lassen sich am ehesten zum sizilianischen
Königreich Friedrichs II. (1197-1250) ziehen, das viele der im folgenden aufge-
zählten Charakterzüge Preußens teilte. So oblag die Wirtschaft in Preußen spezia-
lisierten Ordensbeamten: der allgemeine Handel dem obersten Schäffer, Heinere
Branchen beispielsweise dem Bernstein- oder Fischmeister. Auch die Bauaktivitäten
waren von oben angeordnet und gelenkt. Die Beamten im Deutschordensstaat tra-
ten - vom Hochmeister angefangen über die Komture bis zu den niedrigeren
Amtsleuten - als Bauherren auf129. Dann ist vermutlich einer der Hauptgründe für
die Homogenität der Bauten zu sehen. Auch im zentralistischen Beamtenstaat Frie-
drichs II., in dem gar der Bau von Privatburgen verboten war130, entstanden im
127 Johanniter (1099), Templer (Gründungsjahr 1120), Orden von Avis/Evora (1145?), Orden
von Alcantara (1157), Calatrava (1158-1163), Orden vom Flügel des Hl. Michael (1167),
Orden von Santiago de Compostela (1160/70), Orden von Montjoie (1180), Schwertritter
(1202), Brüder von Dobrin (1228); vgl. Turnier, S. 16ff.
128 Weitere, zum Teil exotische Vergleichsbeispiele zum Deutschordensstaat wurden herangezo-
gen: so hätten Malta, Tibet oder die südamerikanischen „Reducciones“ der Jesuiten mit
Preußen das theokratische Staatsfundament gemeinsam: Gorski 1986, S. 21ff.
129 Die einzigen Ausnahmen bildeten die Bischofs- und Domkapitelburgen. Adelssitze fehlen
in Preußen gänzlich.
130 Vgl. Tuulse 1958, S. 85.
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Den Einheimischen, gleich ob deutscher, slawischer oder prußischer Herkunft, war
der Zugang zu den oberen Rängen des Staatsapparates stark beschränkt. Hier lag
eine Ursache für die späteren Konflikte, die in einem Bürgerkrieg 1454-1466 gip-
felten und schließlich den Zusammenbruch des Staates herbeiführten.
Die offizielle Daseinsberechtigung des Ordensstaates war die Missionierung
nicht christianisierter Gebiete. Preußen grenzte im Osten an Litauen, den territorial
größten heidnischen Staat Europas. Die im 14. Jahrhundert beinahe jährlich orga-
nisierten sog. Litauerreisen sollten die Taufe dieses Landes erzwingen. Diese Mi-
litäraktionen waren in der Regel Plünderungszüge, die freilich kaum ihr Ziel errei-
chen konnten, dem Ordensstaat aber etliche Gewinne einbrachten. Es war die Blü-
tezeit der westeuropäischen Ritterschaft, die gewissermaßen als Ersatz für die Wall-
fahrt ms Heilige Land hier ihre Kräfte im Kampf gegen die Heiden erprobte - Geld
und Kämpfer strömten kontinuierlich nach Preußen. Ohne der Mission unlautere
Absichten unterstellen zu wollen, ist doch em Abhängigkeitsverhältnis zwischen
der Existenz des Ordensstaates und dem heidnischen Litauen nicht zu leugnen.
Der rapide Verlust des Ordens an Attraktivität für den Westen nach der Taufe Li-
tauens und der Niederlage des Ordens bei Tannenberg bestätigt diese Annahme.
Nur bedingt ist Preußen mit anderen Staaten vergleichbar. Zwar kennt das späte
Mittelalter zahlreiche Ritterorden127, die als Staatsgründer auftraten, beispielsweise
die bereits erwähnten Schwertbrüder in Livland oder die Johanniter auf Rhodos,
nirgendwo entstand jedoch eine derart homogene Verwaltungsstruktur wie in
Preußen128. Parallelen in dem System zentralisierter Machtausübung und der hier-
archisch gegliederten Beamtenstruktur lassen sich am ehesten zum sizilianischen
Königreich Friedrichs II. (1197-1250) ziehen, das viele der im folgenden aufge-
zählten Charakterzüge Preußens teilte. So oblag die Wirtschaft in Preußen spezia-
lisierten Ordensbeamten: der allgemeine Handel dem obersten Schäffer, Heinere
Branchen beispielsweise dem Bernstein- oder Fischmeister. Auch die Bauaktivitäten
waren von oben angeordnet und gelenkt. Die Beamten im Deutschordensstaat tra-
ten - vom Hochmeister angefangen über die Komture bis zu den niedrigeren
Amtsleuten - als Bauherren auf129. Dann ist vermutlich einer der Hauptgründe für
die Homogenität der Bauten zu sehen. Auch im zentralistischen Beamtenstaat Frie-
drichs II., in dem gar der Bau von Privatburgen verboten war130, entstanden im
127 Johanniter (1099), Templer (Gründungsjahr 1120), Orden von Avis/Evora (1145?), Orden
von Alcantara (1157), Calatrava (1158-1163), Orden vom Flügel des Hl. Michael (1167),
Orden von Santiago de Compostela (1160/70), Orden von Montjoie (1180), Schwertritter
(1202), Brüder von Dobrin (1228); vgl. Turnier, S. 16ff.
128 Weitere, zum Teil exotische Vergleichsbeispiele zum Deutschordensstaat wurden herangezo-
gen: so hätten Malta, Tibet oder die südamerikanischen „Reducciones“ der Jesuiten mit
Preußen das theokratische Staatsfundament gemeinsam: Gorski 1986, S. 21ff.
129 Die einzigen Ausnahmen bildeten die Bischofs- und Domkapitelburgen. Adelssitze fehlen
in Preußen gänzlich.
130 Vgl. Tuulse 1958, S. 85.