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Achtes Kapitel,

Wollten wir somit die Mythen früher Jahrhunderte nur nach Mass-
gabe unserer Phantasie beurtheilen, so würden wir nicht im Stande
sein, ihren unermesslichen Einfluss auf das Leben und den Glauben
der Menschheit zu erklären. Aber durch derartige Studien wird
es uns möglich nachzuweisen, dass bei alten und wilden Völkern in
der Regel ein Zustand der Einbildungskraft besteht, der zwischen
dem eines gesunden Bürgers der Neuzeit und dem eines wahn-
witzigen Fanatikers oder eines Fieberkranken die Mitte hält. Ein
Dichter hat noch in unsern Tagen Vieles mit uncivilisirten Stämmen
auf einer mythologischen Stufe des Gedankenlebens gemeinsam.
Die Phantasien des Wilden mögen beschränkt, roh und abstossend
sein, während vielleicht die mehr bewussten Fictionen des Dichters
zu Gestalten von frischer künstlerischer Schönheit ausgebildet sind,
aber beide sind von der Realität der Vorstellungen fest überzeugt,
welche die moderne Bildung, sei es zum Glück oder zum Unglück
mit so entschiedenem Erfolge vernichtet hat. Vom Anfang bis zu
Ende sind die Processe der 'Phantasie in Thätigkeit gewesen; aber
wo der Wilde Phantasmen sehen konnte, hat der civilisirte Mensch
sich an Phantasien zu ergötzen gelernt.

of Werewolves“; W. Hertz. „Der Werwolf ; Grimm, M.“ S. 1047 ; Dasent, „Börse
Tales“’, Introd. p. CXIX.; Bastian, „Mensch“, Bd. II. S. 32, 566; Brand, „Pop. Ant.“
vol. I. p. 312, vol. III. p. 32; Lecky, „Hist, of Bationalism “, vol. I. p. 82. Ein-
zelne Angaben bei Petron. Arbiter, Satir. LXII.; Virgil. Belog. VIII. 97; Plin.
VIII. 34; Herodot IV. 105; Mela II. 1; Augustin. I)e Giv. Dei, XVIII, 17; Harnisch,
,,Släw. Myth.“ S. 286, 320; Wuitke, „Deutscher Volksaberglaube“, S. 118.
 
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