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Dreizehntes Kapitel.
eine Uebertragung desselben Gedankens von Stamm zu Stamm
gründet und in wie weit auf ähnliche, aber unabhängige Entwick-
lung in getrennten Gebieten.
Dieser Vergleich lässt sich vom wilden Zustand aufwärts bis
in die Mitte der Civilisation durchführen. Niedere wie hochstehende
Rassen, in einer Gegend nach der andern, können den wirklichen
Ort angeben, von wo die fortziehenden Seelen die Reise nach
ihrer heuen Heimat antreten. Am äussersten Westcap von Vanua
Levu, einem stillen und feierlichen Waldplatz dicht an der Klippe,
machen sich die Seelen der Fidschi-Insulaner auf den Weg zum
Richterstuhle des Ndengei, und dorthin pilgern auch die Lebenden,
in dem Glauben, daselbst Geister und Götter sehen zu können1).
Die Baperi in Südafrika wagen sogar, eine kleine Strecke in ihre
Höhle von Marimatle hineinzukriechen, aus welcher Menschen und
Thiere auf die Welt kamen, und wohin die Seelen beim Tode zu-
rückkehren2). In Mexiko führte die Höhle von Calchatongo zu
den Gefilden des Paradieses, und der aztekische Name Mictlan,
„Land der Todten“, jetzt Mitla, erhält die Erinnerung an einen
andern unterirdischen Tempel aufrecht, welcher den Eingang zum
Aufenthaltsorte der Seligen bildete3). Aus dem Königreich Prester
erzählt uns John Maundevile von einem Eingang in das Gebiet
der Hölle: „Einige nennen es das verzauberte Thal, andere das
Thal der Teufel, noch andere das gefährliche Thal. In jenem
Thal hören die Leute oftmals grossen Sturm und Donner, und
grosses Gemurmel und Geräusch, alle Tage und Nächte, und
grossen Lärm, als ob es der Schall von Trommeln und Trompeten
wäre, wie bei einem grossen Feste. Dies Thal ist ganz voll von
Teufeln und ist es von jeher gewesen; und die Leute dort sagen,
dass es einer der Eingänge zur Hölle sei4).“ Norddeutsche Bauern
erinnern sich noch, dass an den Ufern des sumpfigen Drömling
der Eintrittsort in das Land der abgeschiedenen Seelen war. Den
Engländern sind die Ufer des Averner See’s, der täglich von den
Touristen besucht wird, freilich viel bekannter als der ganz ähn-
liche Lough Derg in Irland mit seiner Höhle des heiligen Patrick,
wo der Eingang zum Fegefeuer hinab in die Schauer der Unter-
b Williams, ,,Fiji“, vol. I, p. 239; Seemann, ,,Viti“, p. 398.
2) Arbousset u. Daumas, p. 347; Casalis, p. 247.
3) Brasseur, ,,Mexique“, III, p. 20 etc.
4) Sir John Jlaundevile, „Voiage“.
Dreizehntes Kapitel.
eine Uebertragung desselben Gedankens von Stamm zu Stamm
gründet und in wie weit auf ähnliche, aber unabhängige Entwick-
lung in getrennten Gebieten.
Dieser Vergleich lässt sich vom wilden Zustand aufwärts bis
in die Mitte der Civilisation durchführen. Niedere wie hochstehende
Rassen, in einer Gegend nach der andern, können den wirklichen
Ort angeben, von wo die fortziehenden Seelen die Reise nach
ihrer heuen Heimat antreten. Am äussersten Westcap von Vanua
Levu, einem stillen und feierlichen Waldplatz dicht an der Klippe,
machen sich die Seelen der Fidschi-Insulaner auf den Weg zum
Richterstuhle des Ndengei, und dorthin pilgern auch die Lebenden,
in dem Glauben, daselbst Geister und Götter sehen zu können1).
Die Baperi in Südafrika wagen sogar, eine kleine Strecke in ihre
Höhle von Marimatle hineinzukriechen, aus welcher Menschen und
Thiere auf die Welt kamen, und wohin die Seelen beim Tode zu-
rückkehren2). In Mexiko führte die Höhle von Calchatongo zu
den Gefilden des Paradieses, und der aztekische Name Mictlan,
„Land der Todten“, jetzt Mitla, erhält die Erinnerung an einen
andern unterirdischen Tempel aufrecht, welcher den Eingang zum
Aufenthaltsorte der Seligen bildete3). Aus dem Königreich Prester
erzählt uns John Maundevile von einem Eingang in das Gebiet
der Hölle: „Einige nennen es das verzauberte Thal, andere das
Thal der Teufel, noch andere das gefährliche Thal. In jenem
Thal hören die Leute oftmals grossen Sturm und Donner, und
grosses Gemurmel und Geräusch, alle Tage und Nächte, und
grossen Lärm, als ob es der Schall von Trommeln und Trompeten
wäre, wie bei einem grossen Feste. Dies Thal ist ganz voll von
Teufeln und ist es von jeher gewesen; und die Leute dort sagen,
dass es einer der Eingänge zur Hölle sei4).“ Norddeutsche Bauern
erinnern sich noch, dass an den Ufern des sumpfigen Drömling
der Eintrittsort in das Land der abgeschiedenen Seelen war. Den
Engländern sind die Ufer des Averner See’s, der täglich von den
Touristen besucht wird, freilich viel bekannter als der ganz ähn-
liche Lough Derg in Irland mit seiner Höhle des heiligen Patrick,
wo der Eingang zum Fegefeuer hinab in die Schauer der Unter-
b Williams, ,,Fiji“, vol. I, p. 239; Seemann, ,,Viti“, p. 398.
2) Arbousset u. Daumas, p. 347; Casalis, p. 247.
3) Brasseur, ,,Mexique“, III, p. 20 etc.
4) Sir John Jlaundevile, „Voiage“.