Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Düsseldorfer Zeitung — 1886

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17438#0006
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Donnerstag
M 213.

Vi:rteljävrlicher PreiS
m Düsieldorj
4 Mark.

bei allen kaiserl. deutschen
Postämtern 4 M. 50 Ps.

5. August
1886.

Anzeigen die Petitzeile
oder deren Raum
für hiefige 15 Pf.
für auSwärtige 20 M.
Reclamen 50 Pf.

Druck und Berlag

oer Stahl'schen Buchdruckerei in Düffeldorf.

Hllnpt-Lxpedition: ^rabenflraße 19. Mal-Erpeditiase«:

Grafeubergerstr. », Slosterstr. 10»,
Fürstenwall- unü Friedrichstraßeu-Ecke 62, Kaiserstr. 3
uud Martiustr. 4 (Bilk).

Verantwortlicher Redakteur
MaxDuntzin Düffeldorf.

Grstes Blatt.

Deutschland.

Amtliche Nachrichte«.

G e s e tz,

betreffend den Bau neuer Schifffahrtskanäle und die

Verbesserung vorhandener Schifffahrtsstraßen.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preu
ßen rc., verordnen unter Zustimmung beider Häuser des
Landtags der Monarchie, was folgt:

8 1. Die Staatsregierung wird ermächtigt:

1) zur Ausführung eines Schifsfahrtskanals, welcher
bestimmt ist, den Rhein mit der Ems und in einer den
Jntereffen der mittleren und unteren Weser und Elbe ent-
sprechenden Weise mit diesen Strömen zu verbinden, und
zwar zunächst für den Bau der Kanalstrecke von Dort-
mund bezw. Herne über Henrichenburg, Münster, Bever-
gern unv Papenburg nach der untern Ems, einschließlich
der Anlage eines Seitenkanals aus der Ems von Older-
sum nach dem Emdener Binnenhafen nebst entsprechender
Erweiterung des letzteren,

2) zur Herstellung einer leistungsfähigen Wafferstraße
zwischen Oberschlesien und Berlin — nämlich: s. zur Ver-
besserung der Schifffahrtsverbindung von der mittleren
Oder nach der Oberspree bei Berlin, b. zur Verbesserung
der Schifffahrt auf der Oder von Breslau bis Kosel, und
zwar zunächst zur Verbesserung der Schiffsahrtsverbindung
von der mittleren Oder nach der Oberspree durch den un-
ter theilweiser Benutzung des Friedrich-Wilhelm-Kanals zu
bewirkenden Neubau eines Kanals von Furstenberg nach
dem Kersdorser Eee, durch die Regulirung der Spree von
da bis unterhalb Fürstenwalde und durch den Neubau eines
daselbst beginnenden KanalS bis zum Seddinsee, nach Maß-
gabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten fest-
zustellenden Projekte

zu 1 . 58,400,000

zu 2» .... - - . . 12,600,000 „
im Ganzen die Summe von 71,000,000
zu verwenden. ^ ^

8 2. Mit der Erbauung des im 8 1 zu Nr. 1 gedach-
ten Schifffahrtskanals ist erst vorzugehen, wenn der ge-
sammte zum Bau, einschließtich aller Nebenanlagen, nach
Maßgabe der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten
festzustellenden Projekte erforderliche Grund und Bodcn
der Staatsregierung aus Jntereffentenkrcisen unentgeltlich
und lastenfrei zum Eigenthum überwiesen, oder die Er-
stattung der sämmtlichen, staatsseitig für dessen Beschaffung
im Wege der freien Vereinbarung oder der Enteignung
aufzuwendenden Kosten, einschließlich aller Nebenentschädi-
gungen für Wirthschafts-Erschwernifle und sonstige Nach-
theile, in rechtsgültiger Form übernommen und sichcrge-
stE ist. ,

8 8. Der Finanzminister wrrd ermachügt, rur Deckung
der im 8 1 erwähnten Kosten im Wcge der Anleihe eine
entsprechende Änzahl von Staatsschuldverschreibungen aus-
zugeben. Wann, durch welche Stelle und in welchcn Bc-
trägen, zu welchcm Zinsfuße, zu welchen Bedingungen der
Kündigung und zu welchem Course dieSchuldverschrelbun-
gen verausgabt werden sollen, bestimmt der Finanz-Mim-
ster. Jm Uebrigen kommen wegen Verwaltung und Til-
gung der Anleihe, wegen Annahme derselben als pupillen-
und depssitalmäßige Sicherheit und wegen Veriährung der
Zmsen die Vorschriften des Gesetzes vom 10. Dezember
1869 (Ges.-S, S- 1197) zur Anwendung.

8 4. Die Ausführung dieses Gesetzes wird, soweit
solche nach den Bestimmungen des 8 3 nicht durch den Fi-
nanz-Minister erfolgt, dem Minister der öffentlichen Nr-
beiten übertragen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigen-
händigen Unterschrift und beigedrucktcm königl. Jnsiegel.
Gegeben Bad Ems. 9. Juli 1886.

(0. 8.» Wilbel m.

v. Puttkamer. Maybach. Lucius. Friedberg.
v. Äoettichcr. v. Goßler. v. Scholz.

Berlin, 4. Aug. fZur Kaiser-Begegnung.j
Es steht nunmehr fest, daß Graf Kalnoky den Kaiscr
von Oesterreich nach Gastein begleiten und, wie Fürst
Bismarck, der Begegnung der beiden befreundeten
Herrscher beiwohnen wird. Nach dem regen Gedan-
kenaustausch während des Kissinger Aufenthaltes deS
österreichischen Ministers werden sich die leitenden
Staatsmänner der beiden verbündeten Kaiserreiche kaum
mehr etwas Neues in Gastein zu sagen haben. Jhre
Anwesenheit bekräftigt nur, baß in Kissingen ein voll-
ständigcs Einverständniß bezüglich ihrer Ansichten über
die gegenwärtige Lage Europas erzielt worden ist und
daß ihre Auffassung von den verbündeten Monarchen
getheilt wird. Gleichwohl wendet sich die allgemeine
Aufmerksamkeit der politischen Welt auf die bevorstehen-
den Vorgänge in Gastein und mißt denselben eine
große Bedeutung bei. Es ist in dieserHinsicht bedeut-
sam, daß der hiesige italienische Botschafter Graf de
Launay, der in diesen Tagen seine übliche Urlaubs-
reise antreten wollte, vom Minister Grafen Robilant
ersucht wurde, dieselbe noch aufzuschieben, ferner, daß
der französische Botschafter Baron v. Courcel auf sei-
nen Posten zurückgekehrt ist und daß der englisck
Botschafter Sir Malet hier in etwa zehn Tagen zu-
rückerwartet wird. Der russische Botschafter Graf
Schuwalow, der mit seiner Familie in Schandau weilt,
kommt ab und zu hierher und leitet thatsächlich die
Botschaftsgeschäfte auch während seincs Urlaubs. Ob
und wann Herr von Giers seine so oft angekündigte
und aufgeschobene Reise in's Ausland antreten wird,
darüber befindet sich die hiesige russische Botschaft noch
ohne eine nähere Mittheilung.

— fBaron de Courcels ist nicht, wie irrthüm-
lich gemeldet worden, am Sonnabend, sondern erst
vorgestern, am Montag, hier angekommen. Der fran-
zösische Botschafter findet augenblicklich nur den Grafen
Berchem hier anwesend, da Graf Herbert Bismarck
seinen Aufenthalt in der Schweiz, welcher des schlech-
ten Wetters wegen abgekürzt ward, mit dem Aufent-
halt in einem Seebad vertauschen wird. An die Rück-
kehr des Grafen ift jedenfalls jetzt nicht zu denken.
Der Reichskanzler würde in dieser Jahreszeit ohnehin
nicht in Berlin anwesend gewesen fein und unter sol-
chen Umständen hat die Rückkehr des französischen
Botschafters in dem gegenwärtigen Augenblick nach
außen fast nur die Bedeutung einer diplomatischen
Courtoisie, welche allerdings eines gewissen demon-
strativen Charakters nicht entbehrt. Es ift in den
Zeitungen behauptet worden, daß Baron de Courcel
nur auf kurze Zeit nach Berlin zurückgekehrt sei, daß
er im Laufe des Septembers von dem hiestgen Bot-
schafterposten ganz zurücktreten wolle. Jn diplomati-

schen Kreisen ist von einer solchen Absicht nichts be-
kannt, wenn man auch selbstverständlich nicht umhin
gekonnt hat, von jenen Zeitungsnachrichten Kenntniß
zu erhalten. Jn den Kreisen der französischen Bot-
schaft weiß man, wie ein Gewährsmann der M. Z.
berichtet, von etwaigen Absichten des Barons, den hie-
sigen diplomatischen Posten zu verlaffen, nichts uud
cs ist Grund zu der Annahme vorhanden, daß, falls
der Baron eine solche Absicht gehabt haben sollte, er
inzwischen andere Entschlüsse gefaßt hat. Ein Bot-
schafterwechsel unter der gegenwärtigen politischen
Constellation wäre für die Jnteressen des Friedens,
welche auch mit den wahren Jntereffen Frankreichs zu-
sammenfallen, mißlich. Baron de Courcel hat sich hier
allgemeine Sympathie erworben und man hat das Ver-
trauen zu ihm, daß er der Sache des Friedens ohne Hin-
tergedanken dient. Wenn davon die Rede war, daß Herr
Waddington, jetzt französischer Botschafter in London,
als Nachfolger de Courcel's hierher kommen sollte, so
hatte diese Version von Anfang an wenig Wahrschein-
liches. Herr Waddington ist in London so sehr auf
seinem Posten, daß dort so leicht kein geeigneter Nach-
folger für ihn gefunden werden könnte. Namentlich
im gegenwärtigeg Augenblick, wo es nicht gewöhnliche
Vorsicht erfordert, die thatsächlichen Gegensätze zwischen
der französischen und englischm Politik zu verschleiern.
Letzteres ist aber, wie man inver Diplomatenwelt weiß,
nicht einmal die vornehmste Aufgabe des französischen
Botschafters in London. Herr Waddingtori ist, wie
seine in der ersten Zeit seines dortigen Aufenthaltes
gehaltenen Reden beweisen, mit einem ganz bestimmten
Programm nach London gekommen. Wenn er dasselbe
nicht verwirklichen konnte, so liegen die Ursachen nicht
in dem Botschaftshotel in London, sondern in den Mi-
nisterhotels und im PalaiS Bourbon in Paris. Herr
Waddington ist den Engländern eine sympathische Per»
önlichkeit; er würdc auch in Berlin verstehen, sich
Sympathie zu schaffen, aber London ist doch ein un-
glcich fruchtbarerer Boden für ihn. Dann erheischt
auch der in England eingetretene Ministerwechsel die
Anwesenheit des Diplomaten, welcher die Fäden selbst
in der Hand gehabt hat. Dasselbe läßt sich — nur
in noch höherem Grade — von dem Baron de Courcel
in Berlin sagen. Man braucht keineswegs an eine
Gefährdung des Friedens zu denken und kann doch zu-
geben, daß die diplomatische Situation Wachsamkeit
erheischt. Die Thatsachen und Aspekten unterstützen
also die aus guten Quellen fließenden Nachrichten, daß
Herr Baron de Courcel nicht daran denkt, seinen dip-
lomatischen Posten hier aufzugeben. Eine Unterbrechung
des Berliner Aufenthaltes braucht deshalb nicht aus-
gcschlossen zu sein.

— fDie hiesige Universitätj feierte gestern
das Gedächtniß ihres Stifters, Königs Friedrich Wil-
helm III., durch einen Actus in der festlich geschmückten
Aula. Als Vertreter des Ministers der geistlichen rc.
Angelegenheiten war der Unterstaatssecretär Dr. Lu-
canus mit mehreren Räthen des Ministeriums erschie-
nen; das Consistorium sowie die mit der Universität
in Beziehung stehenden Jnstitute waren durch ihre
Leiter repräsentirt. Nachdem der Gesang verhallt war,
nahm Dr. Kleinert das Wort zur Festrede. Es
erfolgte sodann die Verkündigung der Resultate der
Preisbewerbung und die Mittheilung der neuen Auf-
gaben. Mit Gesang schloß die Feier.

— sDie militärischeLuftschiffer-Abthei-
lungj ist jetzt so weit, daß auch Unteroffiziere zur
selbstständigen Leitung von Luftschiffen ausgebildet sind.
Vorgestern haben nach der „N. Pr. Ztg." zwei Ser-
geanten nach bestandener Prüfung das Zeugniß für die
selbstständige sreie Fahrt erhalten und der Sergeant
Bluhm hat bereits vorgestern seine erste Fahrt als
Führer eines Ballons angetreten. Zur ferneren Aus-
bildung zu selbstständigen Luftschiffern fahren zwei jün-
gere Unteroffiziere mit; der Ballon hat also 3 Mann
an Bord.

— sReichsgerichts - Erkenntniß.j Das
Recht zur Anfechtung der Eintragung des Eigenthums-
Ueberganges und deren Folgen kann nach einem Ur-
theil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 5. Mai
d. I., nicht nur' durch Klage, sondern auch im Wege
der Einrede gegenüber der Klage des eingetrageuen
Eigenthümers geltend gemacht werden.

Freiberg (i. Sachsen), 4. Aug. fJn demPro-
zessej gegen die Reichstagsabgeordneten v. Vollmar,
Bebel und Genossen wegen Theilnahme an einer ge-
heimen Verbindung wurden Bebel, Auer, v. Vollmar,
Viereck, Frohme und Ulbrich zu je neun Monaten,
Müller, Heinzel und Dietz zu je sechs Monaten Ge-
fängniß und Tragung der Kosten verurtheilt.

Stuttgart, 4. Aug. sDer Königj hat sich für
einige Tage nach dem Jagdschloß Bebenhausen be-
geben und auf dem Wege dahin dem Fürsten und der
Fürstin von Hohenzollern in Sigmaringen einen Be-
such abgestattet.

Heidelberg, 4. Aug. sDer heutige Festaktj
in der Heiligegeistkirche begann um 9'/, Uhr. Um
9Uhr setzte sich der Festzug von der Aula aus durch
die Hauptstraße in Bewegung und zwar in folgender
Ordnung: voran schritten fünfzehn Mitglieder des Stu-
dentenausschusses und die Pedelle, denen der Prorector,
begleitet von dem engeren Senate, die Deputirten der
ausländischenUniversitätenund Akademien und diejenigen
der deutschen Univerfitäten undAkademien folgte. Fünf-
zehn Mitglieder des Studentenausschusses beschlossen
den Zug. Wenige Minuten vor ^9 Uhr erschienen
das großherzogliche Paar und der Kronprinz am Ein-
gange des Gotteshauses, wo dieselben vom Prorektor
und dem engeren Senat empfangen und sodann auf
die Plätze gegenüber der Reduerkanzel geleitet wurden.
Die Kirche war reich und würdig geschmückt und die
Fülle der malerischen akademischen Trachten bot ein
reizvolles Bild dar. Nachdem Haendels „Hallelujah"
verklungen war, bestieg Kuno Fischer die Rednerkanzel

und hielt eine nach Form und Jnhalt meisterhafte
Festrede über den Entwicklungsgang der Universität.
Der Lobgesang Mendelssohn's schloß die Feier, nach
welchec das großherzogliche Paar und der Kronprinz
dem Geheimrath Fischer in wärmsten Ausdrücken und
mit wiederholtem Händedruck dankten.

— fKaisertoast.j Jn dem von dem Groß-
herzog auf den deutschen Kaiser bei dem Festmahl im
Museum ausgebrachten Trinkspruch heißt es: „Wir
hoffen, daß das neubegründete deutsche Reich die Macht
besitze, den Weltfrieden dauernd zu sichern. Wir blicken
daher dankbar zu dem Oberhaupt des Reiches nicht
nur als Träger der Kaiserkrone, als der größten
Macht Deutschlands, sondern auch, weil wir in der
ehrwürdigen Persönlichkeit des Kaisers Alles das ver-
einigt finden, was sich weit über die Reichsgrenzen
hinaus vertrauenerweckend erwiesen. Jch bin über-
zeugt, daß Sie Alle in dem Kaiser den Hort des
Friedens, den schützenden Förderer des geistigen Wohl-
ergehens der Nationen und ihrer Jnteressen erkennen."

Lesterreich-llngarn.

Wien, 3. August. jAus Sosiaj meldet die
„Polit. Corr.": Der Fürst ernannte als Delegirte
der Commission zur Revision des rumelischen Statuts
den Präfekten von Philippopel, Dimitow, und den
ehemaligen diplomatischen Agenten Zankow. Letzterer
ist nicht identisch mit dem bekannten Oppositionsführer.

— jDementi.j Aus Nisch wird gemeldet, daß
die Nachricht von einer Ministerkrise in Folge
Verwerfung der Salzmonopol-Vorlage vollständig un-
begründet ist.

— fGaraschaninj begibt stch nach Schluß der
Skuptschina nach Jschl und wird auf seiner Durchreise
in Wien mehrere Tage verweilen.

— sGiersj trifft nächster Tage in Franzensbad
ein, da am 13. August die Hochzeit seiner Tochter in
Karlsbad stattfindet. Für eme Entrevue GierS' mit
Freycinet liegt kein Anhaltspunkt vor.

— fTiszaj conferirte mit Kalnoky und Szoegenyi
und reist nach Jschl ab.

Bad Gastein, 4. Aug. jDer Kaiserj nahm
heute Vormittag den Vortrag des Chefs des Civil-
Kabinets, Wirklichen Geheimraths Wilmowski, ent-
gegen. Am Diner werden heute die Kaiferin von
Oesterreich mit der Hofdame Gräfin Majlath und dem
Oberhofmeister Freiherrn von Nopcsa, sowie der Reichs-
kanzler Fürst von Bismarck und der Statthalter von
Elsaß - Lothringen, Fürst von Hohenlohe, mit ihren
Gemahlinnen theilnehmen.

Frankreich.

Paris, 4. Aug. sBoulanger.j Die Veröf-
fentlichung der Briefe Boulanger's beschäftigt lebhaft
die hiesigen Regierungskreise, besonders wegen der
Stellung des Generals zur Armee. Der KriegSmi-
nister hat seinen Amtsgenossen mitgetheilt, er sei bereit,
zurückzutreten; vor der Rückkehr Freycinet's wird in-
dessen nichts entschieden werden.

— sd e Gie rs.j Die „Agentur Havas" meldet
offiziöö: Verschiedene Blätter haben angezeigt, daß
Herr v. Freycinet demnächst eine Unterredung mit Hr«.
de Giers haben würde. Unsere Informationen ge>
statten uns, zu behaupten, daß diese Nachricht un-
genau ist. Der Ministerpräsident, der zur Stunde in
Mont-sous-Vandrey weilt, wird dort etwa drei Wochen
bleiben. Er wird sodann direkt nach PariS zurück-
kehren und nicht nach der Schweiz gehen, wie irrthüm-
lich gemeldet worden war.

Spanie«.

Madrid, 3. August. sDer General Sala-
manca,j Direktor des KriegsministeriumS, hat seine
Entlassung eingereicht. Dieselbe ist angenommen worden.

Großbritannien.

0. London, 3. Aug. fDie Mitglieder
des zurückgetretenen Cabinetsj begaben sich
heute früh ba'ld nach 9 Uhr nach Osborne, um an die
Monarchin ihre Amtssiegel abzuliefern und sich von
derselben zu verabschieden. Mr. Gladstone und Lord
Granville besanden sich nicht unter den distinguirten
Reisenden, da Ersterer sich bereits am Samstag von
Jhrer Majestät verabschiedet hatte und Letzterer von
seinem Unwohlsein noch nicht so weit hergestellt ist,
um die ermüdende Reise antreten zu können. Unge-
fähr zwei Stunden später dampfte ein weiterer Zug
aus der Viktoria-Station, der die Mitglieder des Sa-
lisbury'schen Ministeriums nach Osborne führte, damit
dieselben aus den Händen der Königin ihre Amtssiegel
entgegennehmen.

sDie Uebertragung der Staatsgewalt
in die Hände der Conservativenj hat die
sogenannten „Fair Traders" ermuntert, die Frage der
ausländischen Zuckerprämien wieder auf's Tapet zu
bringen, welche währeud der Dauer der liberalen Re-
gierung geschlummert hatte. Ein Manifest ist erlassen
worden, worin es u. A. heißt: „Die an der Lösung
der Frage interessirten Arbeiter im ganzen Lande
haben beschlossen, durch ihre Ausschüffe und Organi-
sationen das Parlament in der bevorstehenden Session
anzugehen, diese brennende Ungerechtigkeit gegen den
heimischen und colonialen Handel ein für alle Mal
wieder gutzumachen; und der Arbeiterverband gibt sich
der Zuversicht hin, daß bei der großen Anzahl von
Anhängern, die sie im gegenwärtigen Hause der Ge«
meinen haben, die gegen ausländische Prämien sind,
vom Hause der Gemeinen etwas Praktisches vollbracht
werden wird, um der Schmach ein Ende zu setzen, daß
auswärtigen Regierungen und ausländischen Produ-
zenten in ihren eigenen heimischen Märkten durch ein
schmähliches System ausländischer Prämien unbillige
Concurrenz zu machen." — Die „Daily News" warnt
die Regierung, solch' schutzzöllnerischen Gelüsten Vor-
schub zu leijten, da nichts so sehr zu einer Vereini-

gung der zwei Gruppen der liberalen Partei beitragen
würde, als ein Abweichen von der bisher strikt beob-
achteten Freihandelspolitik.

4. Aug. sDas conservative Cabinetj hält
heute seine erste Sitzung, in der voraussichtlich der
erste Schritt zur Feststellung der irischen Politik der
Regierung gethan werden wird. Die „Daily News"
hofft, Lord Salisbury werde, ehe er sich für ein end-
gültigeS Programm entscheidet, außer seinen Amts-
genossen Andere zu Rathe ziehen. „Lord Salisbury,"
sagt das liberale Blatt, kann kaum hoffen, irgend einen
Plan für die bessere Verwaltung Jrlands ausfindig
zu machen, der von den Führern des irischen Volkes
angenommen werden würde, falls er nicht die Häupter
sämmtlicher Parteien im Hause freimüthig und voll-
kommen zu Rathe zieht. Bei näherer Prüfung wird
gefunden werden, daß die meisten Einwände gegen
Gladstone's Bill nicht gegen das Prinzip von Home-
rule gerichtet waren, sondern sich auf solche Punkte
wie die Vertretung Jrlands im Reichsparlament oder
die Aufrechthaltung des Uebergewichts dieses Parla-
ments bezogen. Dieses sind Fragen von solcher Wich-
tigkeit, über welche die Meinungen eminenter Autori-
täten sehr von einander abweichen. Wenn dieselben
nach der glücklichen und erfolgreichen Art und Weise
der Lösung der Frage betreffs der Neueintheilung der
Wahlsitze von einer Conferenz oder einem Ausschusse
leitender Staatsmänner — Tory, Whig, radikale und
natioualistische — gründlich erörtert werden könnten,
würde auf alle Fälle Aussicht vorhanden sein, zu
Schlußfolgerungen zu gelangen, die für alle Bethei-
ligten befriedigend sein dürften. — Die „Pall Mall
Gazette" bemerkt, der Vorschlag der „Daily News"
komme zu spät. „Als die Jdee ausführbar war, fan-
den wir unglücklicherweise nicht viel Unterstützung da-
für, obwohl jetzt Jedermann einsieht, daß eine solche
Conferenz, wenn es ihr nicht gelungen wäre, die
irische Frage zu lösen, auf alle Fälle das Schisma
in der liberalen Partei abgewendet haben würde."

jDas Oberhausj sowie das neugewählte Haus
der Gemeinen treten am Donnerstag für eine kurze
Session zusammen, die bekanntlich auSschließlich der
Erledigung der Voranschläge für den Staatsdienst ge-
widmet sein wird. Das erste Geschäft bildet die Spre-
cherwahl; Freitags wird der neue Sprecher, nachdem
seine Wahl von der Königin bestätigt worden, in sein
Amt eingeführt, worauf die Vereidigung der Abgeord-
ncten beginnt und etwaige Ergänzungswahlen ausge-
schrieben werden. Das Unterhaus vertagt sich alsdann
bis zum Montag. worauf die Vereidigung der Mitglie-
der sortgesetzt wird und weitere Neuwahlen ausgeschrie-
ben werden. Am 10. d. vertagt sich das Haus bis
zum 19. d., an welchem Tage, nachdem die Abgeord-
neten, welche Ministerposten angenommen haben, wie-
dergewählt worden sind, die Session mit einer Thron-
rede eröffnet wird. Letztere wird indeß nur eine förm-
liche Botschaft sein, welche ankündigen wird, daß der
Zweck der Session die Abwickelung der Finanzgeschäste
des Jahres ist.

sDynamitarden.j Die englische Polizei ist
informirt worden, daß die irischen und russischen Dy-
namitarden mit einander in Verbindung getreten sind.
Es sind deshalb englische Detectives nach mehreren
Punkten Rußlands entsandt worden und stnd zugleich
die englischen Zollbehörden angewiesen worden, alle
auS Rußland kommenden Personen genau zu über-
wachen, sowie die von dort eintreffenden Schiffe nach
Dynamit zu durchsuchen.

Lsndo», 4. Aug. jDer russische Reisende
Miklucho Maclayj hat auS Petersburg an die
„Times" einen Bries gerichtet, worin er die ihm zuge-
schriebenen Colonisationspläne als ein bloßes Gerücht
bezeichnet, das entstanden sei aus einer Zeitungs-
Anzeige, durch welche er 12 Aufseher für Grundbesitz
auf Neu-Guinea und andern Südsee -Jnseln suchte,
wofür 500 Meldungen eingelaufen seien. Er schließt
mit der Bemerkung, die Wissenschaft sei das Hauptziel
seines Lebens und vor Veröffentlichung seines Buches
über die wissenschaftlichen Reisen in den Südseeinseln
beabsichtige er auf keinerlei Unternehmungen anderer
Art einzugehen.

Türkei.

* Konstautiuopel, 2. Aug. Mobilisirung.j
Von zuvertässiger Seite verlautet, daß die Pforte Be-
fehle zur Mobilisirung der Redifs in Ober-Albanien
innerhalb einer Woche von heute ab erlassen hat. Die
muselmännische Bevölkerung ist über diese Maßregel
sehr versümmt. Dieselbe wird dem Argwohn der
Türkei über eine bevorstehende Wiederaufnahme des
Streites zwischen Serbien und Bulgarien zugeschrieben.
Die jetzt in Salonichi, Monastir und Kossovo statio-
nirten türkischen Armeecorps sind bedeutend verstärkt
worden.

Heidelberger Jubiliiumsbriefe.*)

ui.

r. Heidelberg, 3. August.

Kungcnde, rauschende Militärweisen wecken mich heute
srüh um sieben aus einem kurzen Schlafversuch. Der hei-
ligen Pflicht des Zeitungsberichterstatters gedenkend, der
bekanntlich k<ny»ur8 ea veäelts sein und den Schlaf nur als
eine überflüssige Natureinrichtung, etwa wie den berühm-
ten Schwanz deS Darwin'schen Affenmenschen, betrachten
muß, rcißc lch die müden Glieder aus den wärmenden
Decken und springe an's Fenster. Ein paar Compagnien
badischer Leib-Jnfanterie ziehen unten durch die Anlage.
Energisch und elastisch, wie von stählerncn Federn bewegt,
marschiren die kräftigen Krieger in vollem Paradeanzug
unter den abgemeffenen Klängen eines jubelnden Militär-
marsches daher. Eine kleine Weile später und rafch vor-
überrollende großherzogliche Equipagen mit besternten und
betreßten Hofleuten, sowie verschiedene Wagen mit den Ver-
tretern der Stadt künden die bevorstehende Ankunft von
etwas Außergewöhnlichem. Der Kronprinz des deutschen
Reichcs wlrd erwartet. Mit preußischer Pünktlichkeit trifft
der hohe Fürst ein und nach kurzer, am Bahnhofe erfolgter
Begrüßung durch den Großherzog und die . anwesenden

*) Nachdruck «icht gestattet.
 
Annotationen