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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Düsseldorfer Zeitung — 1886

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6. August

1886.

Freitag

M 216.

VisrtelMrlicher PreiS
in Düsieldort
4 Mark.

dei allen kaiserl. deutschen
Lostämtern 4 M. SO Pf.

Anzeigen die Vetitzeile
oder deren Raum
für hiefige 1S Pf.
für auSwärtige 20 M-
Reclame» SO Pf.

Druck und Berlag

ver Stahl'schen Buchdruckerei in Düffeldorf.

Hliupl-ExzMtion: ^raöenllraße

l9.

Fllial-SLpe-ttisse«:

Ärafeadergrrstr. », Klosterstr. 10 a,

Fürfleuwall- uu» FrieLrichstraßeu-Ecke 82, Kaiserstr.
uud Martiustr. 4 (Bilk).

Berantwortlicher Redakteur
Max Duntz in Düffeldorf.

Deutschland.

Berli», 5. Aug. sDer Kronprinz,j welcher
sich mit den Herren seiner Begleitung von Heidelberg
zum Besuch bei Jhrer Majestät der Kaiserin und
Königin nach Schlangenbad begeben hatte, trifft heute
Abend in Frankfurt a. M. ein, und gedenkt von dort
aus um 8 Uhr Abends nach Potsdam weiter zu rei-
sen, woselbst derselbe morgen Vormittag im Neuen
Palais zurückerwartet wird.

— jPrinz Wilhelmj gedachte sich morgen von
Reichenhall nach Gastein zu begeben und von dort am
10. d. M. mit seinem kaiserl. Großvater dieRiickreise
nach Potsdam anzutreten.

— jDie Prinzessin Wilhelmj wird mit

ihren Söhnen noch einige Tage in Reichenhall blei-
ben und alsdann von dort geraden Wegs nach Pots-
dam zurückreisen. .

— sBis chos s-Conferenz.j Wre verlautet, wrrd

auch Erzbischof Dinder von Posen-Gnesen am 10. d.
der inFulda stattfindenden deutschen Bischofs-Conferenz
beiwohnen. ^

— sKaisermanöver.j Die Rrchtlgkeit der Mlt-
theilung, daß Fraukreich dei den Kaisermanövern in
Elsaß-Lothringen unvertreten sein werde, da der Müi-
tärattache der hiesigen französischen Botschaft die An-
weisung erhalten hat, denselben fernzubleiben, wird hler
stark bezweifelt. Man hat es höchst wahrscheinlich mit
einer grundlosen Vermuthung zu thun, wofür schon
der Umstand zu sprechen scheint, daß von dem Mili-
tärattache die Rede ist, während die hiesige französische
Botschaft deren zwei besitzt. Frankreich war auch bei
den vorigen Kaisermanövern in den Reichslanden durch
einen Militärattache vertreten und es ist nicht abzu-
sehen, weshalb die französische Heeresverwaltung dies-
mal auf den Vortheil verzichten sollte, m rechtmäßiger
Weise von einem Sachverständigen über den Verlauf
der großen deutschen Manöver unterrichtet zu werden.

— sDer Katkow'sche Artikel,j der jetzt ,m
Wortlaut vorliegt, wird hier noch immer viel besprochen
und gedeutet. Da in demselben mit kciner Silbe
Oesterreich-Ungarn erwähnt wird, das sich doch sonst
der besonderen Aufmerksamkeit der Panslawlsten
zu erfreuen hat, und da die Katkow'sche Kundgebung
fast genau in dem Augenblick erschienen ist, als Erz-
herzog Kacl Ludwig in Peterhof eingetroffen war, so
ist man hier sehr geneigt, darin einen Versuch zu er-
blicken, Oesterreich zu Rußland herübcrzuziehen. Die
beste Antwort darauf ist die bevorstehende Gasteiner
Kaiser-Begegnung, die diesmal von besonderem Glanz
umgeben sein wird. Diese Antwort ist so deutlich,
daß sie selbst an der Moskwa verstanden werden wird.

Heidelbera, 5. Aug. sBei der Verkündung
der Ehren-Promotionenj in der Heiliggerstklrche
sprach Dekan Bassermann, indem er die Promotion
des Großherzogs zum Doktor der Theologie begründete:
„Einem Fürsten sromm und mild, einem echten Theo-
logen, dessen weise Regierung die Landeskirche geftärkt
und ihr den Frieden gebracht hat, dem Schöpser der
Kirchenverfassung, dem Fürsten, der durch das, was
er ist und was er gethan, auf der Höhe jenes Pfalz-
grafen steht, dem die Geschichte den Beinamen des
Frommen gegeben hat." Die ganze Versammlung er-
hob sich. Nach Schluß des Aestaktes dankte der Groß-
herzog Bassermann und versicherte, er werde die ihm
noch vergönnte Ehre erst ganz zu verdienen trachten.
— Die gesammten Ehren-Promotionen sind folgende:
Der Dekan Baffermann verkündigte die Ernennungen
der theologischen Ehrendoktoren: zuerst den Rcktor und
Großherzog; dann: Präsident des badischen Oberkir-
chenraths Ludwig von Stößer; Kirchenrath Sehringer
i-. Emmendingen als Senior der badischen Geistlichkeit;

Hofprediger Helbing in Karlsruhe, verdient um die
Kirchenmusik; Orientalift Lornill in Königsberg; der
um daS Missionswesen verdiente Pfarrer Buß in Gla-
rus; Dekan Schulze. Von der juristischen Fakultät
wurden folgende Ernennungen verkündigt: Lrbgroßher-
zog von Baden; Rudolf von Bennigsen als hochher-
ziger Patriot; Schasberg in Hermannstadt; Geh.-Rath
Dorn in Leipzig; Präsident Kiefer; Geh.-Rath Kocl'
in Berlin, verdient um die deutsche Civilprozeßreform;
Geh.-Rath von Loeper, Archivdirektor in Berlin; Mi-
nister Nokk; Professor Schoell in München; Präsident
Wilhelm Stößel in Karlsruhe; William Stubbs ü.
Oxford, verdient durch seine Verfassungsgeschichte;
Henri Taine, Historiker in Paris; Professor Willems
in Löwen; Professor Winkelmann in Heidelberg; Pro-
fessor Zeuner in Berlin, Mitherausgeber der ^Nonu-
meuta Oörmaniae". Der Dekan der medizinischen
Fakultät, v. Dusch, verkündete folgende Ernennungen:
von Baeyer, Professor der Chemie in München;
Graham Bell in. Washington; de Marignac, Minera-
loge in Genf; Nordenskjöld, Polarreisender in Stock-
holm; v. Richthofen, Geograph in Leipzig; Sir Enfield
Rosscoe, Chemiker in London; Werner Siemens in
Berlin; Sir William Thompson, Chemiker in Glas-
gow; Professor Töpler, Physiker in Dresden.
Dekan Jolly verkündete Namens der philosophi-
schen Fakultät: Mathematiker Brioschi in Mailand,
Capasso, Direktor des Staatsarchivs in Neapel; Pro-
fessor Caylay, Mathematiker in Eambridge; die Geologen
Marsh und Cope in Washington; Botaniker A. Decan-
dolle in Genf. Architekt Durm, Schmücker der Universi-
tätsaula; Hauchecorne, Direktor der Bergakademie;
Oberstlieuten. Jaehus, Kriegshistoriker; Hygieniker Rob.
Koch in Berlin; Astronom Newcomb in Washington;
Physiolog Pflüger in Bonn; Archäolog Pigorini in
Rom; Professor'Powell, Geologe in Amerika; Henry
Sweet in London; Enrico Stevenson, Bibliothekar in
Rom; Lord Rayleigh, ehemals Profeffor der Physik
in Cambridge; Toepke, Historiker in Heidelberg, Her-
ausgeber des Matrikelbuchs, Minister Turban in Baden.

München, 5. Aug. sBismarck und Kalnoky.j
Die „Neuesten Nachrichten" bestätigen heute die Er-
zielung eines vollständigen Einvernehmens zwischen
Bismarck und Kalnoky. Darnach soll sich Bismarck
hier außerordentlich befriedigt über die Verhandlungen
mit Kalnoky geäußert haben, ebenso über die Berhand-
lungen mit Mohrenheim, die weitere mit Giers un-
nöthig gemacht haben. Rußland sei von einem Bünd-
nisse mit Frankreich weiter entfernter denn je. Eine
Erneuerung des Dreikaiserbündnisses habe an Wahr«
scheinlichkeit gewonnen.

Oesterreich-llngarn.

Bad Gastein, 5. August. jKaiser Wilhelmj
stattete gestern Mittag der Gräfin Grünne einen Besuch
ab. Als die Kaiserin von Oesterreich gestern zum Essen
im Badeschlosse vorfuhr, ging ihr der Kaiser entgegen
und geleitete sie zum Empfangssaale; bei der Tafel
saß die österreichische Kaiserin an der Spitze, zu ihrer
Rechten der Kaiser, zu ihrer Linken Fürst Bismarck;
nach der Tafel fand Cercle statt. Um 5'/, Uhr ver-
ließ die Kaiserin von Oesterreich, vom Kaiser biS zur
Terrasse geleitet, und bald darauf auch die andern
Gäste das Badeschloß. — Heute nahm der Kaiser die
Vorträge deS Chefs des Militärkabinets, Generallieu-
tenants v. Albedyll, und des Wirklichen Geheimen Le-
gationsraths, v. Bülow, entgegen.

Rumänien.

Bnkarest, 5. Aug. sDie bisher ruhenden
Handelsverhandlungen mit Frankreichj sind

jetzige Situalion, die ihm einen Entschluß abzwang, ohne
ihm irgendwie zu Hülfe zu kommen. Er war unzufriedcn
mit sich, er grollte dem Schicksal, daS ihn in eine ZwangS»
lage gebracht, und mit sinster umwülkter Stirn nahm er am
Morgen cin voluminöseS Packet auS dcr Hand des Brief-
boten, das mit amerikanischen Marken reich beklebt war.
Lucie, die neben ihm stand, sagte lächelnd: „Das ist so um-
sangreich wie dcr Roman eineS ganzen Lebens.'

Als cr sie fragend, überrascht und betroffen daraufhin
ansah, sügte sie entschuldigend hinzu: „Verzeihen Sie, ich
wvllte nicht indiskret sein."

Und Arslan, der sonst immer ein sreundschastlicheS Wort
für die Tochter seines Gastfreundes hatte, wandte sich diesmal
mit zusammengepreßten Lippen schweigend zur Scite.

Jn diesem unbequemen Gemüthszustand, dcr ihm die
letztcn Tage schon vergällt hatte, nahm er seinen Hut und
ging in den Park.

Ein wundervoller Morgen war eS; daS Sonncnlicht
strömte durch die Zweige der Bäume, blau und heiter wölbte
sich der Himmel über der Erde. Mißmuthig warf sich
Arslan auf das weiche Moos unter einer Gruppe Kiesern,
und fast zögernd öffnete er das mitgenommene Packet. ES
enthielt zwci Photographien und eine Menge beschriebener,
gestempelter Papiere. Auf die Bilder warf rr nur einen
Blick, aber den einen Bogen entsaltete er und laS ihn auf-
merksam durch. Je weiter er kam, je mehr verdüsterte sich
sein Gestcht und ließ ihn seine Umgebung vergessen.

Plötzlich fiel ein Schatten auf daS weißc Blatt und
Frau von Greifenberg's liebliche Stimme sagte: „Welch
hübsches Zusammentreffen, Arslan, ich hoffe, ich störe Sie nicht."

Er sprang auf und vcrbeugte stch höflich vor ihr, ohne
etwas Weiteres hinzuzufügen; ihre Hand legte sich währcnd-
defscn leicht auf seincn Arm.

„Bleiben Sie sitzen und lasien Sie mich daS Gleiche
thun. Der Morgen ist so wunderschön, man soll daS Gute
genießcn, so lange es unS geboten wird."

„Wie Sie besehlen, gnädige Frau."

„Jch besehle gar nichts," sagte ste halb schmollend, »ich
bat Sie nur für kurze Zeit um Jhre Gesellschaft. Abcr
Sie suchen ctwas darin, mir nur in den strengsten Formen
zu begcgnen."

„Hättc ich darin nicht recht?"

»Nur, wenn Sie damit eine Abweisung bezwecken woll-
ten, oder etwaS zu verbergen wünschten, beides ist aber nicht
der Fall. Wie oft habe ich Jhnen schon die Hand geboten
uud gesagt: Seien wir Freunde."

„Und ich weise sic zurück, gnädige Frau; Freundschaft
ist eine Pflanze, die nicht in jedem Boden gedeiht."

Asta war erblaßt. Sie saß etwa» hüher als Arslan
und dcr leichte Schatten der Kiesern stel auf ihr leuchtendeS
Haar und die sammctweiche, weiße Haut, abcr er hatte keinen
Blick dafür.

„Warum kränken Sie mich?" fragte fle leise.

Dic Welt rings um sie her war stille, nur ein leiser
Lufthauch spielte mit den Gräsern u»d Blumen neben ihnen
und auf seincn Schwingen trug er ihre fast zagenden, bit-
tenden Worte an sein Ohr.

„Jch kräoke Sie nicht, ich weisc nur etwaS zurück, waS
ich nicht annehmen darf," entgcgnete er ruhig.

„Selbst meine Frexvdschast nicht?" flüsterte sie traurig.
„Und doch setzten Sie Jhr Leben cin, um das meine zu
retten, ein Leben, daS im Grunde genommen so wenig eineS
Opfers wcrth ist."

Asta'» Kopf sank in ihre Hand, fie seuszte. Die Frau,
die biSher ihre Macht erbarmungSloS gebraucht hatte, ihren
Zauber mitleidSloS wirken ließ, fühlte sich in diesem Augen-
blick tief gcdemüthigt und erniedrigt vor dem Blick eines
ManneS, der ihren Dank, ihre Freundschaft, fie selbst ein-
fach zurückwieS. Gegen jedeS Gift gestählt, gleichgültig gc»
gen Tadel und unempfänglich Vorwürfen gegenüber, beugtc
sic voll Selbstanklagcn und Schuldbewußtsein vor diesem
Mann daS Haupt. Er glaubte sie nicht richtig vcrstanden
zu haben. Asta von Greifenberg erschicn ihm auf cinmal
in einem fremden Lichte.

„Jhr Leben wäre keinel Opser» «erth?" fragtc Arslan
noch einmal. „Und Sie werden tn vierzchn Tagen die be»
neidete Gattin Känigswinters sein?"

Sie lächelte leicht, cin Anflug Verächtlichen SpotteS lag
darin.

„Jm Allgemeinen habe ich zu Heirathen kein großes
Vertrauen, besonder» da nicht, wo ste auf ungleichen Grund-
bedinguvgeu errichtet werden."

r Asta.

Roman von H. Schobert.

(22. Fortsetzung.)

20. Kap itel.

Gaston Herzog dc Sentis war zur Erde bestattet wor-
i- dec Arzt constatirte dasselbe, was Arslan gleich zuerst
ürchtet, ein Schlagfluß hatte ihn getödtet. Er war be-
:eits todt gewesen, als er aus den Grund sank. Seine
uen Worte hatten sich schneller ersüllt, als er geahnt.

Als Berken in seiner Herzlostgkeit sich mit der That-
he abgesunden, hatte er auch keinen anderen Nachrus mehr
c den B-rstorbenen, alS das kalte, ceremonielle: „Jhm ist
>hl." Keinen Augenblick beherrschte ihn dcr Gcdanke, daß

es gewesen ist, der dies junge Leben in seinen Wurzeln
cstört und zu dem gemacht hatte, was darau» geworden,
ß er die Schuld an alledem trug, was gegen dies junge,
arme Herz gesündigt worden.

Er hatte den Herzog zu seinen Zwecken benutzt, das
lerkzeug war zerbrochen. Was weiter, eS konnte ihm nichts
ehr nützen, deshalb war fein Jnteresie daran erschöpst.
>aston de SentiS war nicht daS einzige Opfer gewesen, ob
> das letzte sein würde, hing von Zufälligkeiten ab. Hätte
an dem Kapitän von einer Nemests gesprochen, er würve
n verächtlicheS Achselzucken gehabt haben und die Ueber-
ugung, der Betresiende sei ein gespensterfürchtender Schwäch-
ng. Jhm hatten weder G-wissensbiffe noch Furcht vor
ner rächenden Macht jemals eine unruhige Stundc gc-
cacht.

Auch Frau von Greisenberg nahm nicht allzu großen
intheil an d- Scnti« Tod. Es erweckte ihr eher ein pein-
ches Gesühl a'.s Betrübniß; im Grunde war ste durch diesen
nsall einen lästigen Anbeter und Mitwisier loS geworden, einen
Nenschen, den die Eisersucht hellsehender gemacht hatte, als
,re andere Umgebung. Dennoch war gerade mit Asta s-it
mem Tage eine gewaltige B-ränderung vorgegangen. Jhr
cheres, ruhiges Wesen hatte ste verlassen; sie war unglcich
a ihren Stimmungen, unberechenbar in ihren Aufwaüun»
en geworden. Eine nicht zu behcrrfchende Unruhe trieb
le rastlos umher. Bald wieS sie die Liebkosungen des
öanguierS fchrosi und ungedulüig zurück, bald beklagte sie

gestern neuerdings wieder aufgenommen. Rumänien
wird durch Aurelien und Cantacuzene, Frankreich durch
Coutouly und Diesbach vertreten.

Jtalien.

Tnrin, 4. Aug. sDer König von Griechen-
landj ist heute Nachmittag nach PariS abgereist.

Großbritannien.

ch. L. London, 4. Aug. sUeber die künftige
Regierung Jrlandsj schließt der „Standard"
einen längeren Artikel wie folgt:

„Abgesondert von der Frage der Wiederherstellung der
gesellschaftlichen Ordnung in den unruhigen Diftrikten von
Belfast besteht die bleibende Frage der agrarischen Unzu-
friedenheit und Vcrschwörung- Denn ungeachtet des gele-
genen Dictums Mr. Gladstone's ist die Berschwörmrg heute
eben so itark, wie sie es vor S Jahren war. Nein. sie ist
stärker, denn sie hat ihrem Willen Klassen unterjocht, die
anfangs ihren Dictaten entschlossen Widerstand leisteten.
Bald wird die Frage: Wer ist Herr? auf eine bittere Probe
gestellt werden. Die Regierung von Jrland kann nicht auf
Ereignisse warten, es liegt ihr die Jnitiative ob. Sollen
die Pachtgelder bezahlt werden, oder soll den Pächtern
/ erlaubt werden, dieselben nach ihrem Belieben zurückzu-
halten? Dies ist die Frage, welche zwischen dem Gesetz
einerseits und der National-Liga mit ihrem ungeheueren
Apparat des Boycottens und ihren geheimen nicht aner-
kannten, aber unentbehrlichen Hülfsbanden von Mond-
schemlern, Unversöhnlichen, Verstümmlern von Bieh und
Menschen andererseits, ausgefochten werdenltmuß. Es
hängt Alles von dem Resultat des Zusammenstoßes ab.
Die Stärke der Homerule - Bewegung liegt, wie jeder Jr-
länder weiß, in ihren gesetzlosenAnhängseln, nicht in ihrem
constitutionellen Programm. Man zerschmettere die Ver-
schwörung gegen Freiheit und Recht, und die Allmacht der
mihvergnügten Politiker ist zu Ende."

jAnläßlich der letzten Wahlen in Frank-
reichj schreibt die „Pall Mall Gazette":

„Eine genaue Würdigung der französischen Politik ist
eine Sache von viel größcrer Bedeutung, als man sie ihr
gewöhnlich zugesteht. Der politische Schwerpunkt Europa'S
ist zwar schon lange von Paris nach Berlin verlegt. und
das französische Bündniß, welcheS einst der Polarstern eng-
lischer Politik war, ist in allgemeinen und nicht ganz un-
verdienten Mißcredit gefallen. Aber ein starkes Krankreich
ist noch immer für den Frieden Europas nothwendig.
geradeso wie eine erfolgreiche Republik für das Ansehen
demokratischer Jdeen wesentlich ist. Die Wurzel der
Schwäche und Jrrthümer der jüngsten republikanischen Re-
gierung in Frankreich ist die Abwesenheit irgend eincr legi-
timen parlamentarischen Opposition, und deren Ersetzung
durch eine rcvolutionäre Fraktion gewesen. Nur wenn
dieie Fraktion endgültig toot gemacht ist und auS ihrer
Asche eine cchte conservative Partei ersteht, wird es irgend
leine Sicherheit für eine ordnungsliebende und weise Re-
l gierung in Frankreich geben. Die Wahlen am Sonntag
' kennzeichnen einen fichtbaren Schritt in dieser Richtung, und
aus diesem Grunde verdient der republikanische Erfolg die
herzliche Sympathie aller wahren Liberalen hierzulande."

5. Augllst. jJn gestriger Sitzung des Ca-
binetsj bildete das Programm fnr die bevorstehende
Parlamentssession den Hauptgegenstand der Erörterung.
Es wurde beschlossen, die Thronrede anläßlich der Er-
öffnung der Session am 19. ds. zur Verlesung zu
bringen. Die irische Frage wurde nur vorübergehend
berührt, da eine neue Gesetzgebnng fnr Jrland in die-
sem Jahre nicht in Aussicht genommen ist.

jDie irische parlamentarische Partei,
deren Fnhrer Parnell ist, hielt gestern im Stadthausej
in Dublin eine Versammlung unter dem Vorsitze des
Lordmayors T. D. Sullivan ab. Parnell, der zu-
gegen war, wnrde zum Vorsitzenden und Justin Mc.
Carthy zum Vice - Vorsitzenden der Partei wiederge-
wählt. Auf Antrag Dillon'S gelangte eine Resolution
zur einstimmigen Annahme, welche erklärt, daß die
Partei das Recht des irischen VolkeS aufrechthaltc und
erkläre, daß keine Maßregel als eine Lösung dcr iri-
schen Frage angenommen werden könne, die in Bezug
auf eine legislative oder executive Controle über irische
Angelegenheiten weniger biete, als daS, was in Glad-

sich, daß er sic vernachlässige. Arslan wich ste aus und doch
schien sie nur da aushaltcn zu können, wo sie ihn in dcr
Nähe wußtc.

Der Banquier ertrug das alles mit rührender Geduld.
Er sah darin nur die nalürlichen Folgen der überstandenen
Todesangst, die wohl im Stande war, selbst das stärkste
Nervensystem zu alteriren. Er umgab sie mit Allem, was
er nur sllr ste herbcizuschaffen vermochte; die lie'oevollste,
zarteste Rücksicht und Sorgfalt wandte er an, um die Frau
zu erfreuen, die ihm nach dem ersten drohenden Verlust
doppelt theuer geworden war. Er betrachtete sie als zum
zweiten Mal errungen.

Auch Arslan hatte sich von dem Augenblick an, da
Königswinter in ihm nur noch den Erhalter seines Glückes
sah, nicht mehr über Kälte zu bcklagen, ja der Banquier
selber fühlte sich veranlaßt, Asta gcgenüber Fürsprachc für
ihn einzulegcn.

„Meine Geliebte," sagte er zärtlich, „er hat Dich mir
gerettet, bedenle das. Und wenn er wirklich ein Abenteurer,
ja, ein Verbrecher wäre, sein Verdienst gegen mich ist des-
halb nicht geringer, und darnach muß ich ihn mesien. Was
wäre ich jetzt ohne ihn! Ein gebrochener Mann, nachdem
ich Dich verloren. Sei freundlich gegen ihn, um meinet-
willen. Bist Du erst mein Weib, kommt Herbert erst zuräck,
wird sich ohnehin jeder Zweifel lösen. Denke auch Du daran,
daß er Dich mir erhalten hat."

Frau von Greifenberg lächelte; eS war ein eigenthüm-
licheS, müdes Lächeln, das ihrem Gestcht eincn ganz neuen
Ausdruck gab. Sie sirich mit der Hand über dic Stirn und er-
widerte: „Jch stimme Dir völlig bei, JacqueS. Er hat sein
Leden gewagt, um meineS zu erhalten; auch ich bin ihm
Dank dafür schuldig. Vielleicht täuschtc ich mich damalS,
alS ich ihn sür einen Abcnteurcr hielt; jedensalls ist er
muthig und edel gcnug gewesen, nicht an stch, sondern an
mich zu denken. Danke eS ihm, so viel Du willst, ich hin-
dere Dich nicht mehr daran."

Eben ArSlan gcgenüber gab der Banquier rückhaltlos
seinen Empfindungen Ausdruck, und wenn je, so war dieser
nach jenem Gespräch beunruhigt und nachdenklich. Je wcniger
es so»st in seinem Charaktcr lag, feige zu zögern oder den
Dingen ihren Lauf zu lasien, je drückender sühlte «r seine

stone'S Bill enthalten sei. Eine weitere auf Antrag
Parnell's gefaßtc Resolution bezeichnet es als die
Pflicht der Partei, die Regierung zu warnen, daß die
große Lntwerthung landwirthschaftlicher Erzeugnisie
die Zahlung der gerichtlich festgestellten Pachtzinse un-
möglich mache und empfiehlt eine unverzügliche Revi-
sion der Pachtzinse, die Einstellung von Exmissionen,
die Erlassung rückständiger Pachtzinsbeträge und an-
dere Maßnahmen zum Wohl« der Gutspächter.

Rußland.

Petersburg, 4. Aug. sDie Nowoje Wremjaj
bringt einen scharfen Artikel über die Anwesenheit
einiger preußischen Generalstabs - Offiziere, die stch bei
Moskau aufhalten, um ru sisch zu lernen. Sie ver-
langt die Ausweisung derselben.

* sAfghanische Grenze.j Ein Petersburger
Telegramm des Reuter'schen Bureau's meldet, das dort
eingetroffenen Nachrichten aus Khabarowka zufolge die
zwischeu den britischen und russischenCommissären ent-
standene Streitfrage im Zusammenhange mit der Ab-
steckung der Afghanischen Grenze vollständig gelöst
worden sei und nur noch die Beendigung der topo-
graphischen Arbeiten der Grenz-Commiffion verbleibe.

Türkei.

* Constantinopel, 3. August. fUeber einen
Mordanfall gegen den Großvezierj werden
dem Reuter'schen Bureau von seinem Constantinopeler
Correspondenten die nachstehenden Einzelheiten berichtet:

„Äm vorigen) Sormtas Mittag, als der Großvezier
seine Equipage verließ, um behufs Uebernahme des Vor-
fitzeS bei einer Ministerberathung die Pforte zu betreten,
feuerte ein Muselmann 3Revolverschüsse auf Se. Exzellenz
ab. Der At tentäter versuchte noch zwei weitere Schüsse
abzugeben, aber die Patronen versagten. Die drei Kugeln
hatten die Seite der Equipage durchbohrt, odne indeß
Kiamil Pascha zu berühren. Der UebelthäterUvurde sofort
verhaftet und es stellte sich heraus, daß er ein Mouhadjir
aus Ädrianopel ist, i>. h. ein Flüchtling ausider Zeit des
letzten russisch-türkischen Krieges, und seines Gewerbes ein
Uhrmacher. Er erklärt, daß er wegen der Ungerechtigkeit,
die er erlitten habe, Kiamil Pascha zu tödten wünschte.
Letzterer hatte Hasfan ßehmi Pascha während dessen Äb-
wesenheit in London im Justiz - Minitzerium vertreten.
Der Sultani ließ sich den Maun vorführen, und befragte
ihn selber, unUfestzustellen, ob^ seine:Tbat nur rein per-
sönlichen Motiven entsprang, oder einer Combination unter
den MonhadjirS zuzuschreiben war, die schon seit geraumer
Zeit Erbitterung aezeigt haben, da vorgeschlagen wurde,
sie zum Militairdienft heranzuziehen, von dem sie disher
befreit waren. Andere Berichte stellen den Attentäter als
einen Menschen dar, deffen Verstand schon vor mehreren
Jahren durch den Verlust eines Prozeffes gelitten hat.
Die Mitglieder des diplomatischen Corps haben den Groß-
vezier zu seinem Entrinnen aus der Gesahr bealückwünscht.
Constantinopeler Journalen ist es absolut untersagt worden,
irgend etwas über den Gegenstand zu veröffentlichen; auch
durfte kein darüber handelndes Telegramm nach dem Aus-
lande abgehen."

fEin k aiserliches Decretj schafft das Recht
der Stellvertretung im Heere ab. Hinfort
müssen daher alle Muselmänner, einschließlich der zum
Jslam Uebergetretenen, persönlich Militärdienste leisten.
Außer den jetzt in der europäischen Türkei befindlichen
drei Armeecorps, ist ein viertes, welches als Beobach-
tungScorps dieneu soll, in derBildung begriffen. Das-
selbe wird auS 52,000 Mann bestehen.

Heidelberger Jubiläumsbriefe.*)

IV.

». Heidelberg, 4. August.

Um ein gutes Fest zu feiern, sind drci Dinge nöthig:
Ein guter Wirth, guteS Wetter und gutgezogene Gäste.
Diese seltene TrinitaS war gestern Abeno bei dem Schloß-
feste in seltener Harmonie vereinigt. Schon bei dem Auf-
stieg zum Schloß merkte man den Gesichtern der Leute die

*) Nachdruck nicht gestattet.
 
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