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Volkmann, Ludwig [Editor]
Die graphischen Künste der Gegenwart (Band 3): Das moderne Buch — Stuttgart, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.37737#0093

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C SCHRIFT UND SCHRIFTGUSS 4o

großen, daß sie die Regel aufstellten, jeder Kegel müsTe mit einer gewilTen Anzahl von
Gevierten im englilchen Landesmaß, dem Fuß, aufgehen; z. B. Tollten 75 Cicero,
92 Korpus, 112 Petit, 150 Nonpareille der Länge des englilchen Fußes gleich sein.
Wurden diese Maße auch von keiner Gießerei streng eingehalten, so läßt ihre Auf-
hellung doch erkennen, daß ein Bedürfnis für eine gewilse Regel vorhanden war.
C Eine andere Regel für ein Schriftsystem erfand 1737 der Pariser Schriftgießer
Pierre Simon Fournier, indem er die Kegel der verlchiedenen Grade nach einer Ein-
heit, dem typographilchen Punkt, bemaß. Von der Größe der zu seiner Zeit üblichen
Schriftgrade ausgehend, Ichuf er einen Maßstab, den er nach dem Vorbilde des Landes-
maßes, dem Pied de roi, in 2 Zoll und den Zoll in 12 Linien einteilte. Den sechsten
Teil der so ermittelten Linie nannte Fournier den Point typographique, den typo-
graphilchen Punkt. Die Stärke der verlchiedenen Schriftkegel wurde nach solchen
Punkten bemelsen: Perl 5, Nonpareille 6, Mignon 7,
Petit 8, Bourgeois 9, Korpus 10, Cicero 12 Punkte usw.,
ganz wie wir das heute noch haben. Dies Syllem wurde
von Fournier im Verlaufe von dreißig Jahren in seiner
Schriftgießerei im Schnitt und Guß durchgeführt, und
da sich seine Schriften einer großen Beliebtheit erfreuten,
so fand das Syllem auch bald über Paris hinaus Verbrei-
tung; auch andere Gießereien führten es ein, namentlich
alle diejenigen, die Fournier selbll einrichtete. Der große
Vorzug des Syllems belland auch darin, daß lieh die
Kegel untereinander ausglichen: z. B. waren 2 Perl gleich
Korpus, 2 Nonpareille gleich Cicero usw., was bisher
nicht der Fall war; beim englilchen Syllem damals und
auch heute noch nicht. Mit dem auf Punktdickte ge-
goltenen Durchlchuß konnten verlchiedene Schriftgrade
in einer Zeile ausgeglichen werden: z. B. ergaben Petit
mit 2-Punkt-Durchlchuß unterlegt Korpus, mit 4 Punkten Cicero usw. Überhaupt
wurde der ganze Schriftsa^ einfacher und solider.
<£■ Eine Übereinllimmung seines Schriftsyllems mit dem französilchen Fußmaß hat
Fournier, wie vielfach angenommen ist, gar nicht beabsichtigt; er hat das selbll auch
nicht behauptet. Fournier ging vielmehr von den vorhandenen Kegeln aus, die lieh
mit geringfügigen Änderungen, ohne die Bildgröße merklich zu beeinflulsen, in sein
Syllem einpaßten. Der 2 »Zoll« lange Maßstab Fourniers ist gegen die 2 Zoll des
französilchen Fußmaßes etwa um 9 Punkte zu kurz. Das in gewittern Sinne willkürlich
gewählte, auf keinen gese^lich fellgelegten Maßstab beruhende Urmaß war die einzige,
freilich auch sehr wesentliche Ichwache Stelle des Syllems Fournier. Die daraus ent-
stehenden Schwierigkeiten legten den Gedanken nahe, die typographilchen »Zoll«
mit dem Zoll des Landesmaßes in Übereinllimmung zu bringen. Dies unternahm genau
fünfzig Jahre nach der Erfindung Fourniers ein anderer Pariser Schriftgießer, Francis-
 
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