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Walden, Nell [Hrsg.]; Walden, Herwarth [Ill.]
Der Sturm: ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis — Baden-Baden, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.28011#0077
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Den Lesern, die in diesem Buch den Abdruck von Liebesbriefen von Herwarth Walden
an mich vermissen, möchte ich hierfür eine Erklärung abgeben: Ich bin der Meinung,
daß Liebesbriefe nur von dem geliebten Menschen, an den sie gerichtet sind, gelesen
werden sollen. Die Liebesbriefe, die Herwarth Walden an mich schrieb, hat er nur an
mich geschrieben. Ich bin fest davon überzeugt, daß er verstanden und gebilligt hätte,
wenn ich diese Briefe nicht veröffentliche. Die Leser, Künstler und kunstbegeisterte
Menschen, für die in erster Linie dieses Buch geschrieben ist, werden sidier meinen
Standpunkt und Entschluß verstehen. Statt Liebesbriefe werden wir aber einige von
den schönen handschriftlichen Widmungen von Herwarth Walden an mich veröffent-
lichen. Eine davon in Facsimile, denn es ist wertvoll die Handschrifl; eines Menschen
zu sehen und kennenzulernen.

Nach dem Jahre 1926 nahm mein Leben eine andere Richtung. Nachdem ich den
STURM verlassen hatte, ging ich weiter den mir vorgezeichneten Schicksalsweg. Andere
Aufgaben wurden mir gestellt. Freuden, aber auch schwerstes Leid trafen mich. Doch
habe ich den festen Glauben, daß Gott nur denjenigen Lasten auferlegt, denen er auch
gleichzeitig die Kräffe verleiht, um sie tragen zu können.

Herwarth Walden ging den ihm vorgezeichneten Weg, und dieser führte ihn nach Osten.
Wir Freunde haben von ihm und seinem Leben in Rußland wenig in Erfahrung
bringen können.

Idi muß so oft an einen Vergleich denken, den Lothar Schreyer gemacht hat. Er verglich
Herwarth Walden mit einem kleinen Steppenpferd, das unermüdlich tapfer unter einem
weiten Himmel in die einsame Steppe trabt, gefolgt von einem Rudel wilder Tiere.
Ja, ein einsames, mutiges, kleines Steppenpferd mit blonder Mähne raste er gegen sein
Ziel, verfolgt von der Meute wilder Tiere . ..

Sie werden ihn auch einmal eingeholt haben. Wo? Wie? Wann? wir wissen es nicht und
werden es nie erfahren .. .

Schinznach/Wengen, im Jahre 1949

PAUL KLEE, NEUES LAND, ZEICHNUNG (1914)

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