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Walden, Nell [Hrsg.]; Walden, Herwarth [Ill.]
Der Sturm: ein Erinnerungsbuch an Herwarth Walden und die Künstler aus dem Sturmkreis — Baden-Baden, 1954

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https://doi.org/10.11588/diglit.28011#0127
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Herwarth Walden
NACHRUF PETER BAUM

DER STURM, VII. Jahrgang / V. Heft / August 1916

Peter Baum, der Freund jedes Menschen und ein Mensch jedem Freunde, ist gefallen.
Sein Leben war seine Dichtung: Gottnah, erdfern.

Ein Riesenkörper mit einer Riesenseele. Und deshalb war sie sanft wie ein Streicheln
von Kinderhänden. Er suchte Gott und die Träume und die Kunst. Ihn stieß das Leben,
weil es nicht sanft ist, er fiel dem Tode, weil er zu hart ist. Nun suchen ihn Gott und
die Träume.

... Am fünften Juni 1916 ist Peter Baum gefallen, nachdem er den Krieg als gemeiner
Infanterist in seiner härtesten Form kennengelernt hat. Das schreibt der Freund, der
ihn am tiefsten kannte.

Die Nachrufe der Presse werden stets von Leuten geschrieben, die den Ruf nicht hörten.
Jeder Nachrufer fühlt sich als Zeitgeist, weil die Zeit noch lebt, die ihn nicht richtet.
Der Nachrufer ist aber stets nur Nachrichter. Ein Werkzeug, aber kein Werk. Der Herr
von der Vossischen Zeitung hat Angst, daß Peter Baum „vielleicht kaum Bleibendes
gegeben hat“. Bleibendes gibt man nämlich nadi der Vossischen Zeitung nur dann,
wenn Gegebenes bleibt. „Um auf ein größeres Publikum zu wirken, dafür fehlt es
seinen Erzählungen an stofflicher Substanz, seinen Versen an formalem Glanz.“

Die stoffliche Substanz gibt mit dem formalen Glanz ein ganz nettes Gedicht, das die
Vossische Zeitung sogar honoriert. Ehre, wem Honorar gebührt!

Auch die Breslauer Zeitung ist um die Ewigkeit besorgt. „Ein Augenblickchen Wehmut
bei den Zeitungslesern. Das ist die Ernte von Peter Baums mit wachem Aug’ durch-
träumten Lebenstagen. Mehr nicht. Dann braust die Weltstadt über seinen Namen
hinweg, den bisher nur wenige kannten und später niemand mehr kennen wird.“ Wenn
die Zeitungsleser ernten wollen, was die Zeitungsschreiber säen, muß jedes Korn zur
Träne werden. Durchwachte Lebensnächte sind kürzer, als durchträumte Lebenstage.
Die Weltstadt braust nicht und einen Sturm hält sic nicht aus. Und das bißchen Wind,
das die Schreiber ihren Lesern vormachen, wirft keinen Baum um.

Noch besorgter ist die Berliner Zeitung am Mittag: „... denn Peter Baum war unbekannt.
Er soll auch nicht posthum zum großen Genie oder zu einer verlorenen Zukunftshoffnung
ausgeschrien werden, denn Peter Baum fing schon an, recht grau zu sein, und war in
sich abgeschlossen. Er war ein bißchen oder viel Bohemien, aber vom alten Schlage,
paßte nicht mehr recht in eine Zeit, deren Literaten einander gegenseitig und syndika-
listisdi in die öffentlichkeit helfen.“ Peter Baum war zwar kein Bohemien, aber
Böhmen liegt den Herren aus österreich recht nahe. Er hatte freilich nichts mit den
Literaten zu tun, die sich gegenseitig Hebammen-Dienste leisten, denn er war kein
Literat. Und was wir an Zukunft verlieren, können wir an der Berliner Zeitung am
Mittag nicht gewinnen, auch wenn sie zehn Pfennig kostet. Jedenfalls ist es besser, in
sich abgeschlossen zu sein, als den Anschluß an die Presse zu gewinnen.

Peter Baum suchte diesen Anschluß nicht.

Aber er suchte Gott und die Träume. Herwarth Walden

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