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„Mögen die linearen Entwicklungszüge energiegeladen aufstreben
oder nach Abgabe ihrer Füllung niedergehen, der breite rhythmische
Strom, aus dem sich alles Einzelne speist, fließt unbeirrt weiter,
solange das Tonstück andauert, und ideell noch darüber hinaus.
Kurths Linienphasen bedeuten in diesem Sinne nur melodisch
realisierte Ausschnitte aus .dem unendlichen Band des durchlaufen-
den Kraftstroms, und ihre Gestaltung und Begrenzung im konkreten
Falle erscheint im höheren Zusammenhange unwesentlich und zu-
fallig.“

Die melodische Substanz, die sich in der Altklassik von dem
allgemeinen Kraftstrom tragen läßt, beginnt nun im Leitalter der
Aufklärung und Empfindsamkeit von jener Bewegung spendenden
Eraft mehr und mehr in sich aufzusaugen. Das Rontinuierliche
Band zerreißt; die ideelle barocke Groß-Dynamik geht in konkrete
Einzelgestaltung auf. Thematische Spannung und Entspannung
sind die neuen synthetischen Grundelemente. Es ist bekannt, wie
das neue Prinzip im Schaffen der frühen Mannheimer, vor allem
bei J. Stamitz verwirklicht ist, wie die sich daraus ergebende
„Affektdynamik allgemein durchbricht'. Heterogene Elemente
sind es, die dem neuen Thema Rückgrat geben und die geweiteten
Melodiebõgen spannen. Der Dualismus muß erst in der Kleinform
durchgeführt sein, ehe er die Großform beherrschen kann. Daau
schreibt Son dheimeré: „Die neue Kunst wird thematisch, d. h.
auch ihr Grundkomplex wird dualistisch, denn das Thema ist ein
Komplex aus mehreren Motiven, die durch Kadenzierung zur Ein-
heit zusammengefaßt sind. Erst dieser so vergröherte Grund-
Romplex kann genügend selbständig auftreten und somit den
Dualismus der großen Form gewährleisten, in der sich ja die ver-
schiedenen Satz Unterteile selbständig entgegentreten sollen.“

Ingleich stärker als bei der vorangehenden Generation sucht
man nun originell zu wirken, durch launischen und villkürlichen
Stimmungswechsel den Hörer in Spannung zu halten. Die Aus-

5 A. Heuß, Die Dynamik der Mannheimer Sehule S. 44 ff.
6 Die kormale Entwieklung der vorklassischen Sinfonie, Krehiv für
Musikwissenschaft 4, 1922, 8. 86.

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