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Dritter Abschnitt
einer Reinheit, neben der Sir Joshuas berühmtes Bild der drei
Grazien ein wenig gestellt erscheint. Reynolds wußte, weshalb er
diesen Mann in der Akademie nicht haben wollte. Nicht, als hätte
er jemals auch nur einen Augenblick daran gezweifelt, daß dieser
Romney, verglichen mit ihm, dem Präsidenten, nur ein kleiner Mann
war. Aber Könige lieben ihre Kronprinzen nicht, und der hier
heraufkommende Klassizismus konnte dem Guercino-Ideal von
Reynolds großer Komposition einen Anflug von Akademismus ver-
leihen. So protegierte Reynolds den Schotten Henry Raeburn,
von dem er nichts zu fürchten hatte, nachdrücklichst, vermittelte
ihm Beziehungen und verhalf ihm zur Reise nach Italien. Dann
ließ er ihn wieder nach Schottland gehen und dort Präsident des
schottischen Künstlerbundes werden. Was Raeburns Bilder aus-
zeichnet, Natürlichkeit und Lebendigkeit der Auffassung, Intimi-
tät der Beobachtung, Einfachheit und Breite der Darstellung und
Aufbau in klaren Flächen, alles dies war ja Reynolds praktisch nicht
fremd. In den Bildnissen seiner Freunde, besonders Samuel John-
son, hatte er dies so ähnlich auch schon gesagt und jenen bestimmten
Grad von impressionistischer Niederschrift sogar bei Gainsborough
schon verteidigt. Raeburns älterer schottischer Landsmann Allan
Ramsay schwankt in seinem Stil zwischen dieser schönen, allem
Prunk der Herrichtung abholden Einfachheit und einer psycho-
logischen Feinfühligkeit, die ihn manchmal in Gainsboroughs
Nähe bringt. Es mag diese Leichtigkeit in der Auffassung des
Bildnishaften gewesen sein, die König Georg HL, Gainsboroughs
Protektor, bestimmte, auch ihn zu seinem Hofmaler zu ernennen.
Über die Schätzung, der sich die englische Bildnismalerei der
Blütezeit erfreute, hat sich der Lustspieldichter Sheridan, ein Ire,
in seinem schönsten Stück, der „School for Scandal“, einmal eine
interessante Anmerkung erlaubt, in der ersten Szene des vierten
Aktes, also kurz vor dem dramatischen Höhepunkt dieser Komödie.
Da will der Held des Stückes, der liebenswürdige Leichtfuß Sir
Charles Surface, von Gläubigern bedrängt, seine Ahnenbilder ver-
kaufen und empfiehlt sie dem vermeintlichen Interessenten mit
folgender Charakteristik:
„Ja, ja, die hier sind ganz im Sinne wahrer Bildniskunst gemalt:
keine „volontiere grace“, keine Künstlichkeit im Ausdruck. Nicht
wie die Werke Eurer modernen Rafaels, die Euch die höchste Ähn-
lichkeit verleihen und Euch dabei ein Bild malen, das mit Euch
schließlich nichts mehr zu tun hat: man kann den Menschen weg-
Dritter Abschnitt
einer Reinheit, neben der Sir Joshuas berühmtes Bild der drei
Grazien ein wenig gestellt erscheint. Reynolds wußte, weshalb er
diesen Mann in der Akademie nicht haben wollte. Nicht, als hätte
er jemals auch nur einen Augenblick daran gezweifelt, daß dieser
Romney, verglichen mit ihm, dem Präsidenten, nur ein kleiner Mann
war. Aber Könige lieben ihre Kronprinzen nicht, und der hier
heraufkommende Klassizismus konnte dem Guercino-Ideal von
Reynolds großer Komposition einen Anflug von Akademismus ver-
leihen. So protegierte Reynolds den Schotten Henry Raeburn,
von dem er nichts zu fürchten hatte, nachdrücklichst, vermittelte
ihm Beziehungen und verhalf ihm zur Reise nach Italien. Dann
ließ er ihn wieder nach Schottland gehen und dort Präsident des
schottischen Künstlerbundes werden. Was Raeburns Bilder aus-
zeichnet, Natürlichkeit und Lebendigkeit der Auffassung, Intimi-
tät der Beobachtung, Einfachheit und Breite der Darstellung und
Aufbau in klaren Flächen, alles dies war ja Reynolds praktisch nicht
fremd. In den Bildnissen seiner Freunde, besonders Samuel John-
son, hatte er dies so ähnlich auch schon gesagt und jenen bestimmten
Grad von impressionistischer Niederschrift sogar bei Gainsborough
schon verteidigt. Raeburns älterer schottischer Landsmann Allan
Ramsay schwankt in seinem Stil zwischen dieser schönen, allem
Prunk der Herrichtung abholden Einfachheit und einer psycho-
logischen Feinfühligkeit, die ihn manchmal in Gainsboroughs
Nähe bringt. Es mag diese Leichtigkeit in der Auffassung des
Bildnishaften gewesen sein, die König Georg HL, Gainsboroughs
Protektor, bestimmte, auch ihn zu seinem Hofmaler zu ernennen.
Über die Schätzung, der sich die englische Bildnismalerei der
Blütezeit erfreute, hat sich der Lustspieldichter Sheridan, ein Ire,
in seinem schönsten Stück, der „School for Scandal“, einmal eine
interessante Anmerkung erlaubt, in der ersten Szene des vierten
Aktes, also kurz vor dem dramatischen Höhepunkt dieser Komödie.
Da will der Held des Stückes, der liebenswürdige Leichtfuß Sir
Charles Surface, von Gläubigern bedrängt, seine Ahnenbilder ver-
kaufen und empfiehlt sie dem vermeintlichen Interessenten mit
folgender Charakteristik:
„Ja, ja, die hier sind ganz im Sinne wahrer Bildniskunst gemalt:
keine „volontiere grace“, keine Künstlichkeit im Ausdruck. Nicht
wie die Werke Eurer modernen Rafaels, die Euch die höchste Ähn-
lichkeit verleihen und Euch dabei ein Bild malen, das mit Euch
schließlich nichts mehr zu tun hat: man kann den Menschen weg-