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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 1): Geometrische Zeichnungslehre, Licht- und Schattenlehre — Tübingen, 1810

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https://doi.org/10.11588/diglit.6992#0010
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seinem Vaterland, oder auf dem muthmasslichen Schauplatz seiner künftigen praktischen
Thätigkeit, üblichen Bauart, theils mit anderweitiger Anwendung seiner theoretischen
Kenntnisse; immer, wo möglich, unter den Augen eines geschickten praktischen Künstlers
seines Fachs. Er strebe , sich als Künstler gut auszumünzen , seiner Wissenschaft nicht
nur gewachsen, sondern auch überlegen zu seyn.

So gereift zu höherer Vervollkommnung , trete er , nicht vor dem zwei - bis vier
und zwanzigsten Jahre, seine architektonische Reise in das In - und Ausland an. Den
ächten Jünger architektonischer Plastik, empfange zuerst Italien, die heilige Mutter,
die treue Pflegerin der Kunst unter heiterem Himmel. Hier erhalte er die höchste
Weihe der Kunst, durch Beschauen , durch rastloses , ernstes Studium der herrlichen
Ueberreste des Alterthums. An diesen köstlichen Reliquien nähre sich seine Einbildungs-
kraft, ergötze sich seine Geschmacklust, bestimme seine artistische Urtheilskraft sich zur
Festigkeit, auf dass er nie einem blossen Modegeschmack fröhne , wie gross auch die
Versuchung sey, welche Ansehen des Ortes, der Nation, der Machthaber, ihm bereitep.
An Italien schliesse sich, zu Vergleichung der schönen Baukunst, Griechenland.

Auf beide folge, in Absicht auf Bequemlichkeit, Frankreich; dann, hauptsächlich
wegen der landwirtschaftlichen Bauart und der HolzConstruction, Teutschland und
England. Hat der denkende Architekt Zeit und Gelegenheit, auch noch andere
Länder zu bereisen, so wird er nie ohne Nutzen für sein Fach aus ihnen zurückkehren.
Aus jedem Lande wird er bald seine Kenntnisse vermehren, bald sein Urtheil berichtigen,
oder befestigen , auch manches Nützliche in seine Heimath verpflanzen können. Sitten
und Gewohnheiten des Volkes, in häuslicher, bürgerlicher und religiöser Hinsicht, Clima
des Landes, zufällige Umstände, modificiren sehr oft die Kunst, bei Aufführung der
Gebäude. Bequemlichkeit, Dauerhaftigkeit, und andere Eigenschaften der Gebäude,
werden auf vielfache Art bestimmt, durch Natur, Ort, Bedürfniss, Reichthum, Armuth.
 
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