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Weinbrenner, Friedrich
Architektonisches Lehrbuch (Band 1): Geometrische Zeichnungslehre, Licht- und Schattenlehre — Tübingen, 1810

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https://doi.org/10.11588/diglit.6992#0011
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XI

Geschmack , Laune , Mode. Alle diese Eigenheiten muss der Baukünstler , neben der
wahren Schönheit und Zweckmäsigkcit, in möglichst grosser Ausdehnung vergleichen und
studiren.

Raum wird man Beweise hier fordern, wie wichtig, für den Staat und die
Individuen, die ächte Bildung des Baumeisters sey. Bei Aufführung des einfachsten
Bauerhauses, wie des grössten Prachtgebäudes, ist Er die Seele des Baues, der Geist,
der das Ganze, bis in die kleinsten Theile, forschend und ordnend durchdringen muss.
Er ist das belebende Princip, sogar Bildner, der bei dem Bauwesen augestellten Arbeiter.
Er wirkt, durch seine Werke, kräftiger und dauernder, als Wort und Schrift, auf Sitte
und Geschmack, auf Wohlstand und physisches Wohl des Volkes. Er arbeitet, wie
irgendeiner, für Bedürfniss , Bequemlichkeit, Lebensgenuss und Veredlung, auch für
Achtung der Nation in dem Auslande. Enkel und Urenkel ernten, wo er säete. Aber
auch sie büssen nicht selten , eben so unschuldig als schmerzhaft, oft unwissend der
Ursache, für die Sünden ungeschickter Baumeister. Der Staat und der Privatmann sind
genöthigt, einen ansehnlichen Theil ihres Vermögens der Verfügung des Baumeisters zu
untergeben, um W^erke der Kunst darzustellen, die, dem Strom der Jahrhunderte trotzend,
der spätesten Fortzeugung Schutz, Bequemlichkeit und Freude gewähren, die ihr dankbare
Achtung für den Urheber einflössen sollen.

Carlsrulie, in. dem Monat April 1810.
 
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