gegeben. An eine planmäßige Illustrierung scheint zunächst
nicht gedacht gewesen zu sein. Nach dem Thomas-Wunder
begegnet erst auf Fol. 6$ (Abb. ßio) wieder eine Rand-
illustration: eine Christusgestalt, welche die ganze linke
Kolumne ausfüllt und von einer anderen Hand gemalt ist.
Auffallend ist die Zeichnung des großen Kopfes und der
kurzen Unterschenkel. Die dumpfe Farbgebung (dunkel-
violette Tunika und dunkel violette Haare, dunkelbraunes
und sAmutzig-grünes Inkarnat) sti&t ab von der aller
übrigen Randfiguren und weist allenfalls zu den später zu
behandelnden Evangelistenbildern (Abb. 31$—317) gewisse
Beziehungen auf. Der Maler der Christusgestalt hat es bei
dieser einen Probe bewenden lassen. Erst mit einem dritten
Miniator setzt eine gewisse Planmäßigkeit ein. Von ihm
sind fünf Randfiguren erhalten: Matthäus- und Lukas-
gestalten, die in Initialen stehen (Abb. 308) oder frei knien
und mit dem Schreiben des Textes beschäftigt sind (Abb. 3 07).
Dieser Maler steht dem Meister des Thomas-Bildes nahe, ist
aber unsicherer in den Proportionen und bemüht sich, diese
Mängel auszugleichen durA den Versuch eines physiogno-
misAenAusdrucks. Ein vierter Meister versuAt siA an einer
Lukas-Figur (Abb. 311). Sie ladet stark aus in die Breite. Die
volle Gewandung zeigt weiche, sAwerhängende Falten im
Gegensatz zu der straffen Formgebung der übrigen Meister.
Die Art, wie die Mantelfalten die Wade des zurückgesetzten
Beines umkreisen und die Struktur des Beines gleichsam
überbetonen, ist bezeiAnend. Diese Gestalt ist die fremd-
artigste und steht hauptstädtischer Kunst am entferntesten.
Erst ganz am SAluß, auf den letzten fünfzig Blättern,
zeigt die Illustration eine gewisse Stetigkeit in einer Reihe
von dreizehn Heiligenfiguren (Abb. 30$, 31z—314) und
einer Märtyrerszene (Abb. 318), die von einem fünften
Meister ausgeführt sind. Charakteristisch für dessen Ge-
stalten ist die stark aufgeliAtete, malerisA verriebene
Farbgebung. Verschiedene Typen werden von ihm be-
nutzt: flächenhafle in strengster Frontalität (Abb. 309 und
313), vergleichbar einer Reihe von Heiligenfiguren des
Pariser Gregor neben freier bewegten und ponderierten
aus antikem Formenschatz (Abb. 314). Der Theodoros
Studites (Abb. 30p) in der das Körperliche fast negierenden
flächenhaften Gewandbehandlung, vor allem aber den
sAmalen, stark durAgeistigtenGesiAtszügen, verkörpert in
typischer Weise das Ideal des hageren Asketen, das in der
Konstantinopeler Kunst gegen Ende des 10. Jahrhunderts
auftritt (vgl. S. 28). Von allen an der Handschrift arbeiten-
den Künstlern zeigt der letzte die stärksten Beziehungen
zur Konstantinopeler BuAmalerei. Dieser Teil der Hand-
schrift dürfte etwa der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
angehören, und auch die übrigen Randfiguren werden trotz
der erheblichen Stildifferenzen kaum früher anzusetzen sein.
Außer den Randminiaturen sind noch drei der Autoren-
vollbilder erhalten: Johannes und Lukas (Abb. 313 und
317), schreibend und im Profil nach reAts gewandt, und
Matthäus (Abb. 316), frontal, imTypus ähnliAdemMarkus
des Philotheu-Evangeliars (vgl. Abb. 30z). Markus fehlt.
Zwei Umstände ersAweren eine Beurteilung ihres Stils:
die starke Abblätterung — kein einziger der drei Köpfe
ist erhalten — und ein dicker brauner, firnisartiger Über-
zug, der den ursprüngliAen Farbeindruck nicht mehr er-
kennen läßt. Der Maler dieser Evangelistenbilder sAeint
mit keinem der vorangegangenen Randminiaturisten iden-
tisch zu sein. Verhältnismäßig am näAsten steht ihm der
Christus (Abb. 310) in der stumpfen Farbgebung, welAe —
soweit sie überhaupt wegen der Firniss Aicht beurteilt werden
kann — sAmutziges Grünblau und sAmutziges Braun-
grün bevorzugt. Die Körper der Evangelisten sind auf-
fallend kurz und gedrungen. Der Auffrag der GlanzliAter
ist sAon recht schematisch. Den Zusammenhang mit haupt-
städtisAen Vorbildern verraten vor allem die Hintergrunds-
architekturen, die mit denen der Renaissance-Evangeliare
Zusammengehen. Das Verhältnis zu diesen ist ein ähnliAes
wie bei dem Patmos-Evangeliar cod. 7z (Abb. zpi—Z94):
Die ArAitekturen sind zu schablonenartigen Versatzstü&en
geworden. Aber während in der Patmos-Handschriff nur
mit dem Mittel der Reduzierung der architektonisAen
Motive gearbeitet wird, setzt der Maler der Lawra-Hand-
schrift die ArAitekturteile neu zusammen. In der Hinter-
grundsarAitektur des Johannes-Bildes (Abb. 313) ist das-
selbe Nischenmotiv mit oberer Fensterreihe verwendet wie
im Stauronikita-Evangeliar (vgl. Abb. 17z), aber arg ver-
kümmert und niAt mehr den ganzen Grund ausfüllend,
sondern mit einer Hausarchitektur kombiniert. Matthäus
(Abb. 316) sitzt unter einem Baldachin, der aus der
GartenarAitektur des Lukas-Bildes der gleiAen Stau-
ronikita-HandsAriff herausgelöst ist (vgl. Abb. 171). Auf
dem Lukas-Bilde schließlich (Abb. 317) werden zwei Tempel-
cellae und ein Rundbau zu einem symmetrisAen Gebilde
zusammengesetzt in einer Weise, die den antikisAen
Ursprung der einzelnen Motive kaum noA ahnen läßt.
Uberwiegt im figürlichen Teil, besonders in den Bildern
des letzten Meisters, die enge Beziehung zur Konstanti-
nopeler Kunst, so geht die Ornamentik, die eine besonders
hervorragende Rolle in der Lawra-HandsArift spielt,
ganz eigene Wege. Die sAweren Titelbalken in „11"-
Form, teilweise mit einem über die Ecken hinaus ver-
längerten Oberbalken (Abb. 3Z3; vgl. mit Abb. 303),
ziehen siA breit über beide Kolumnen hinweg, und die
Initialen nehmen zuweilen die Länge des ganzen SArift-
spiegels ein. Ihren besonders prunkvollen, geradezu mo-
numentalen Charakter erhalten die Titelbalkenund Initialen
durA fast ausschließli Ae Verwendung von Gold, auf wel Aes
die Motive in Rot und Blau aufgemalt sind. Zum großen
Teil lassen siA die Ornamentformen aus der bithynischen
Gruppe um den Codex Metamorphosis 391 ableiten, so
das Zickzackmuster der Initiale „C" mit den kleinen Pal-
metten als Zwickelfüllung (Fig. 4z vgl. mit Abb. Z7Z), das
Wellenband einer zweiten „G"-Initiale mit Halbpalmetten
als Füllung (Abb. 3Z1 vgl. mit Abb. Z71) u. a. m. Eine
Omont, Facs. Min., Taf. 27.
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nicht gedacht gewesen zu sein. Nach dem Thomas-Wunder
begegnet erst auf Fol. 6$ (Abb. ßio) wieder eine Rand-
illustration: eine Christusgestalt, welche die ganze linke
Kolumne ausfüllt und von einer anderen Hand gemalt ist.
Auffallend ist die Zeichnung des großen Kopfes und der
kurzen Unterschenkel. Die dumpfe Farbgebung (dunkel-
violette Tunika und dunkel violette Haare, dunkelbraunes
und sAmutzig-grünes Inkarnat) sti&t ab von der aller
übrigen Randfiguren und weist allenfalls zu den später zu
behandelnden Evangelistenbildern (Abb. 31$—317) gewisse
Beziehungen auf. Der Maler der Christusgestalt hat es bei
dieser einen Probe bewenden lassen. Erst mit einem dritten
Miniator setzt eine gewisse Planmäßigkeit ein. Von ihm
sind fünf Randfiguren erhalten: Matthäus- und Lukas-
gestalten, die in Initialen stehen (Abb. 308) oder frei knien
und mit dem Schreiben des Textes beschäftigt sind (Abb. 3 07).
Dieser Maler steht dem Meister des Thomas-Bildes nahe, ist
aber unsicherer in den Proportionen und bemüht sich, diese
Mängel auszugleichen durA den Versuch eines physiogno-
misAenAusdrucks. Ein vierter Meister versuAt siA an einer
Lukas-Figur (Abb. 311). Sie ladet stark aus in die Breite. Die
volle Gewandung zeigt weiche, sAwerhängende Falten im
Gegensatz zu der straffen Formgebung der übrigen Meister.
Die Art, wie die Mantelfalten die Wade des zurückgesetzten
Beines umkreisen und die Struktur des Beines gleichsam
überbetonen, ist bezeiAnend. Diese Gestalt ist die fremd-
artigste und steht hauptstädtischer Kunst am entferntesten.
Erst ganz am SAluß, auf den letzten fünfzig Blättern,
zeigt die Illustration eine gewisse Stetigkeit in einer Reihe
von dreizehn Heiligenfiguren (Abb. 30$, 31z—314) und
einer Märtyrerszene (Abb. 318), die von einem fünften
Meister ausgeführt sind. Charakteristisch für dessen Ge-
stalten ist die stark aufgeliAtete, malerisA verriebene
Farbgebung. Verschiedene Typen werden von ihm be-
nutzt: flächenhafle in strengster Frontalität (Abb. 309 und
313), vergleichbar einer Reihe von Heiligenfiguren des
Pariser Gregor neben freier bewegten und ponderierten
aus antikem Formenschatz (Abb. 314). Der Theodoros
Studites (Abb. 30p) in der das Körperliche fast negierenden
flächenhaften Gewandbehandlung, vor allem aber den
sAmalen, stark durAgeistigtenGesiAtszügen, verkörpert in
typischer Weise das Ideal des hageren Asketen, das in der
Konstantinopeler Kunst gegen Ende des 10. Jahrhunderts
auftritt (vgl. S. 28). Von allen an der Handschrift arbeiten-
den Künstlern zeigt der letzte die stärksten Beziehungen
zur Konstantinopeler BuAmalerei. Dieser Teil der Hand-
schrift dürfte etwa der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
angehören, und auch die übrigen Randfiguren werden trotz
der erheblichen Stildifferenzen kaum früher anzusetzen sein.
Außer den Randminiaturen sind noch drei der Autoren-
vollbilder erhalten: Johannes und Lukas (Abb. 313 und
317), schreibend und im Profil nach reAts gewandt, und
Matthäus (Abb. 316), frontal, imTypus ähnliAdemMarkus
des Philotheu-Evangeliars (vgl. Abb. 30z). Markus fehlt.
Zwei Umstände ersAweren eine Beurteilung ihres Stils:
die starke Abblätterung — kein einziger der drei Köpfe
ist erhalten — und ein dicker brauner, firnisartiger Über-
zug, der den ursprüngliAen Farbeindruck nicht mehr er-
kennen läßt. Der Maler dieser Evangelistenbilder sAeint
mit keinem der vorangegangenen Randminiaturisten iden-
tisch zu sein. Verhältnismäßig am näAsten steht ihm der
Christus (Abb. 310) in der stumpfen Farbgebung, welAe —
soweit sie überhaupt wegen der Firniss Aicht beurteilt werden
kann — sAmutziges Grünblau und sAmutziges Braun-
grün bevorzugt. Die Körper der Evangelisten sind auf-
fallend kurz und gedrungen. Der Auffrag der GlanzliAter
ist sAon recht schematisch. Den Zusammenhang mit haupt-
städtisAen Vorbildern verraten vor allem die Hintergrunds-
architekturen, die mit denen der Renaissance-Evangeliare
Zusammengehen. Das Verhältnis zu diesen ist ein ähnliAes
wie bei dem Patmos-Evangeliar cod. 7z (Abb. zpi—Z94):
Die ArAitekturen sind zu schablonenartigen Versatzstü&en
geworden. Aber während in der Patmos-Handschriff nur
mit dem Mittel der Reduzierung der architektonisAen
Motive gearbeitet wird, setzt der Maler der Lawra-Hand-
schrift die ArAitekturteile neu zusammen. In der Hinter-
grundsarAitektur des Johannes-Bildes (Abb. 313) ist das-
selbe Nischenmotiv mit oberer Fensterreihe verwendet wie
im Stauronikita-Evangeliar (vgl. Abb. 17z), aber arg ver-
kümmert und niAt mehr den ganzen Grund ausfüllend,
sondern mit einer Hausarchitektur kombiniert. Matthäus
(Abb. 316) sitzt unter einem Baldachin, der aus der
GartenarAitektur des Lukas-Bildes der gleiAen Stau-
ronikita-HandsAriff herausgelöst ist (vgl. Abb. 171). Auf
dem Lukas-Bilde schließlich (Abb. 317) werden zwei Tempel-
cellae und ein Rundbau zu einem symmetrisAen Gebilde
zusammengesetzt in einer Weise, die den antikisAen
Ursprung der einzelnen Motive kaum noA ahnen läßt.
Uberwiegt im figürlichen Teil, besonders in den Bildern
des letzten Meisters, die enge Beziehung zur Konstanti-
nopeler Kunst, so geht die Ornamentik, die eine besonders
hervorragende Rolle in der Lawra-HandsArift spielt,
ganz eigene Wege. Die sAweren Titelbalken in „11"-
Form, teilweise mit einem über die Ecken hinaus ver-
längerten Oberbalken (Abb. 3Z3; vgl. mit Abb. 303),
ziehen siA breit über beide Kolumnen hinweg, und die
Initialen nehmen zuweilen die Länge des ganzen SArift-
spiegels ein. Ihren besonders prunkvollen, geradezu mo-
numentalen Charakter erhalten die Titelbalkenund Initialen
durA fast ausschließli Ae Verwendung von Gold, auf wel Aes
die Motive in Rot und Blau aufgemalt sind. Zum großen
Teil lassen siA die Ornamentformen aus der bithynischen
Gruppe um den Codex Metamorphosis 391 ableiten, so
das Zickzackmuster der Initiale „C" mit den kleinen Pal-
metten als Zwickelfüllung (Fig. 4z vgl. mit Abb. Z7Z), das
Wellenband einer zweiten „G"-Initiale mit Halbpalmetten
als Füllung (Abb. 3Z1 vgl. mit Abb. Z71) u. a. m. Eine
Omont, Facs. Min., Taf. 27.
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