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eng zusammen, daß eine gemeinsame Grundredaktion an-
genommen werden darf. Die älteste und dem Archetyp
am nächsten stehende HandschriA ist ohne Zweifel der
Codex auf Patmos.
Seine Illustration zerfällt in zwei verschiedene Teile,
die um Jahrhunderte auseinanderliegen. In dem ersteren
werden mit größter Ausführlichkeit die ersten zwei Kapitel
illustriert, welche die Rahmenhandlung zu den Gesprächen
Hiobs mit seinen Freunden bilden. In ihnen werden die
äußeren Ereignisse im Leben Hiobs erzählt, die den Malern
StoA bieten zu abwechselungsreichen Kompositionen. Zu-
nächst wird uns der ganze Reichtum Hiobs vor Augen
geführt, seine Herde und seine sieben Söhne und drei
Töchter (Abb. 32$). Es folgt in zwei Szenen das äußerst
erregte Gespräch des Satans und der Engel im Himmel
(Abb. 326), das Mahl der Kinder Hiobs (Abb. 327), ihre
und der Herden Vernichtung (Abb. 331 und 332), die Über-
bringung der UnglücksbotschaAen (Abb. 333), die Ver-
zweiflung Hiobs und seine eigene Krankheit. Mit der
Szene der drei Freunde auf der Reise zu Hiob, reitend
mit Gefolge""", bricht die der Zeit der TextniederschriA
angehörende Illustration ab und ist vorerst nicht weiter-
geführt worden. Nicht weniger als 19 Miniaturen begleiten
diesen kurzen, durch die Catene des Olympiodor aus-
führlich erläuterten Text. Die Anfangsblätter fehlen, und
auf den folgenden sind mehrere Miniaturen heraus-
geschnitten, so daß die ursprüngliche Illustrationsfolge der
Einleitungskapitel umfangreicher gewesen sein muß. Leider
sind die in dicker Deckfarbentechnik gemalten Miniaturen
sehr stark abgeblättert, zum Teil so vollständig, daß nur
noch die Vorzeichnung erhalten ist. Hierdurch wird
natürlich eine Beurteilung der Bilder sehr erschwert.
Erhebliche Zeit später haben sich (auf S. 75 und 106)"°"
zwar zwei Maler an je einer Darstellung des Gespräches
zwischen Hiob und seinen Freunden versucht, aber bei die-
sen Proben, die vielleicht nicht zur Befriedigung der Besteller
ausgefallen waren, ist es geblieben. Die erste ist eine sehr
ungeschickte, mit wässerigen Farben ausgefüllte Federzeich-
nung, die zweite, deren Typen sich schon stark von denen
der ersten Bildfolge entfernen, ist in roher Deckfarben-
technik ausgeführt. Dann bleibt die Arbeit ganz liegen,
und erst am Schluß der HandschriA beginnt (mit S. 448)
wieder eine planmäßige Illustrierung (Abb. 333 und 336).
Dieser Schlußzyklus""^ weist in einem derb zeichnerisAen,
aber doch markanten Stil VerwandtschaA mit italienischen
HandschriAen des 11. Jahrhunderts auf, wie z. B. den
Aposteln des Codex Vat. Lat. 10 403"°". Auch Einzelzüge,
wie die BackenAecken, sind typisch für die abendländische,
vor allem die italienische Malerei. Es ist allem Anschein
nach ein Italiener gewesen, der im 11. Jahrhundert den
Patmos-Hiob zu Ende illustriert hat, obgleich der beweg-

tere Gewandstil von der starren Linearität der erwähnten
italienischen HandschriA etwas abweicht und eine engere
Verbindung zu einem byzantinischen Vorbild besteht.
Nur auf den ersten mit dem Text gleichzeitigen Illu-
strationszyklus soll hier näher eingegangen werden. Die
Bilder nehmen die untere HälAe der Blattseite ein, die
obere bleibt für den Text Vorbehalten. Diese Aufteilung
der Blattseite, halb SchriA, halb Schmuck, ist die typische
der frühbyzantinischen HandschriAen in der Art der Wiener
Genesis. Die Kompositionen sind locker und ohne Zwang
dekorativer Bindungen aufgebaut. Frei bewegen sich die
Gestalten in dem sie umgebenden Raum. Die illusioni-
stischen LandschaAs- und Architekturgründe, die in der
Genesis noch eine wichtige Rolle spielen, sind fast ganz
verschwunden, nur die notwendigsten Geländeandeutungen
haben sich erhalten sowie eine sparsame Hintergrunds-
architektur, grisaillehaA Blau in Blau, wie z. B. eine kleine
Tempelcella und ein Rundbau auf Abb. 327. Derartige
blaue Grisaille-Architekturen kommen auch im Pariser
Gregor vor, und zwar bezeichnenderweise auf dessen
Hiobs-Bild""".
Der Figurenstil hat weit mehr hellenistisches Formemp-
finden bewahrt. In dem Bestreben, eine Vielheit von
Stellungen und Gebärden wiederzugeben (Abb. 323U. a.),
keinen Verkürzungen aus dem Wege zu gehen (Abb. 326,
331 u. a.), und in dem zwanglosen Aufbau einer Gruppe
in räumlicher StaAelung ist die spätantike Tradition
noch unmittelbar lebendig. Allerdings stehen Wollen und
Können oA nicht mehr in Einklang. Gelungene Gestalten
stehen neben gänzlich mißglückten. Diesen Mängeln in
zeichnerischer Hinsicht auf der einen Seite steht eine Kühn-
heit in der Wiedergabe des AAektes durch sinnfällige, oA
drastische Gebärden gegenüber. Wie überzeugend ist das
erschreckte Zurückweichen und Davoneilen des Satans
(Abb. 326) wiedergegeben, oder der AAekt des Schmerzes
in dem verzweifelten Hiob"°h Die Gestalten sind zuweilen
verfehlt in den Proportionen, ohne daß indessen der Ein-
druck einer Plumpheit entstünde (Abb. 323, 326). Sie tragen
einen zu großenKopf auf einem auffallendschmalschultrigen
und schmalhüAigen Körper. In wenigen Pinselstrichen,
die straA durchgezogen sind, ist das Gewand behandelt.
In diesen Einzelheiten der Zeichnung und der Pinsel-
führung knüpA der Stil der Töchter Hiobs und der Engel
an den der Gestalten der Wiener Genesis an""". Typisch
ist ferner die Kopfbildung mit den schräg gestellten Augen-
lidern und -brauen, zu der gleichfalls die Wiener Genesis"""
die nächsten Parallelen bietet. Die koloristische Behandlung
ist trotz aller Flüchtigkeit sehr reich, die Gewänder viel-
faA in changierenden Tönen gemalt. Daneben fällt be-
sonders ein grelles Zinnober in die Augen. Auch dieses
kehrt auf einer Reihe von Bildern der Wiener Genesis

3°3 Jacopi, Taf. XIX.
Jacopi, Fig. 106 u. 107.
3M Jacopi, Fig. 108-123 u. Taf. XX-XXII.
3°s Boe&ier, Abendländische Miniaturen, 1930, Taf. 67.
3°" Omont, Facs. Min., Taf. 27.

3"? Jacopi, Fig. ioi.
3°s Vgl. vor allem die Frauengestalten auf den Bildern Ger-
stinger a. O-, Taf. 14, 16, 31 usw.
30t) yg} j;,, Frau mit dem Kind auf dem Arm, Gerstinger a. O.,
Taf. 31.

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