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wieder, von Wickhoff als „grelles Eisenrot" bezeichnet.
Trotz dieser Beziehungen sind auch die Unterschiede
nicht zu übersehen: Die Gestalten haben weniger Volumen
und zeigen eine stärkere Lockerung des organischen
Aufbaus als in der Genesis, die mit der Antike noch
stärker verbunden ist.
Aus den kompositioneilen, typenmäßigen und kolo-
ristischen Zusammenhängen mit der Wiener Genesis ergibt
sich die Stellung des Patmos-Hiob als einer ihren Stil fort-
setzenden und demnach vermutlich im selben Kunstkreise
entstandenen Handschrift:. Die Genesis wird allgemein ins
3. bis 6. Jahrhundert datiert. Wieviel später der Patmos-
Hiob anzusetzen ist, dafür fehlt jegliche Vergleichsmöglich-
keit. Eine untere Grenze wird durch die 90$ datierte Vene-
zianische Kopie gegeben, welAe, wie der folgende Abschnitt
zeigen wird, eine so starke Verfestigung der zum Teil
gleichen Kompositionen zeigt, daß der Abstand zu letz-
terer, was das Stilistische anbetrifft, größer erscheint als
zur Genesis. Es ist somit sehr wahrscheinlich, daß wir in dem
ersten Illustrationsteil des Patmos-Hiob noch ein Werk
der vorikonoklastischen Kunst vor uns haben. Die Palaeo-
graphen (Sakkelion a. O.) datieren die Handschrift ins Ende
des 7. bis Anfang des 8. Jahrhunderts. Diese Datierung
erscheint vom Stil der Bilder aus gesehen durchaus möglich,
kann aber einstweilen nicht genauer bestimmt werden.
Die Ornamentik setzt erst mit S. 61 ein, d. h. nach Ab-
schluß der ersten Bildfolge, welche selbst, wie vielfach die
frühen Handschriften (z. B. der Vatikanische Cosmas),
ohne jeglichen Schmuck ist. Da mit dem einsetzenden Titel-
schmuck zugleich eine neue Schreiberhand beginnt, kann
er, wie der zugehörige Text, etwas, doch kaum wesentlich
später sein als der erste Teil mit den Bildern, da der
Schriftcharakter der beiden Teile keine erheblichen Diffe-
renzen aufweist. Die ersten „IT'-Titel (Abb. 329) sind
äußerst schlicht mit geometrischen Mustern, Flechtband-
rauten usw. in Blau, Rot und Grün verziert. Von einer
zweiten Hand, ab S. 197, sind die tintengezeichneten Ini-
tialen und Titel mit Wellenband- und Diamantmuster
(Abb. 328 und 330). Ihr besonderes Gepräge bekommt
die Ornamentik durch die Verwendung von Vögeln,
vor allem von sassanidischen Enten mit Halsschleifen
(Abb. 328), Adlern, Pfauen und Vierfüßlern"".
Der Hiob in Venedig
Die zweite der frühen Hiobs-Handschriffen befindet sich
in Venedig,Marcia na,co d. gr. 338, und ist laut
Subskription im Jahre 903 unter der Regierung der Kaiser
Leo und Alexander geschrieben"". Sie geht zwar, wie die
Übereinstimmungen in den Bilderzyklen zeigen werden,
In demselben Stii wie im Patmos-Hiob findet si A die Vogel-Initiafe
wieder in einer PfutarA-HandschriA in Florenz, Laurenz, cod.
Conv. soppr. 206. S&öll, PlutarA-HandschriA in Florenz, Hermes
Bd. V, 1870, S. 114. / Palaeogr. Soc. Part 1-V, 1884-1888, Taf. 83.
3n Zanetti, S. I u. 290. / Fabricius in: Bibi. Graeca cur. Harles.
Hamburgi, 1790, Bd. 8, S. 647. / WattenbaA, Exempla Codicum
Graecorum, 1878, Taf. 4, S. 2. / Dalton, S. 474, Abb. 282-283. /

auf dieselbe Grundredaktion zurück, gehört aber einem
anderen Kunstkreise an als der Patmos-Hiob, und zwischen
beiden Handschriften muß — das ergibt die Stilanalyse
deutlich — ein erheblicher zeitlicher Abstand liegen. Ge-
rade die Gegenüberstellung der ihrem Stilcharakter nach
noch vorikonoklastischen Patmos-Handschrift und der fest
datierten Venezianischen ist im hohen Grade aufschluß-
reich, da es kaum ein zweites Beispiel in der Geschichte der
byzantinischen BuAmalerei gibt, an dem an Hand gleicher
Themen und gleicher Kompositionen die Stilunterschiede
dieser beiden Epochen sich so klar erkennen lassen.
27 Miniaturen sind erhalten (Abb. 337—349), die mit
Ausnahme des Schlußbildes, das Hiob wieder im Besitz
von abermals sieben Söhnen und drei Töchtern darstellt,
auf die äußeren Ereignisse der ersten zwei Kapitel sich be-
ziehen — ganz wie im Patmos-Hiob. Aber mit der ersten
Begegnung der drei Freunde am Schluß des zweiten Ka-
pitels (Abb. 349) brach die Illustration nicht ab wie in
der Patmos-Handschrift. Allerdings ist im Venezianischen
Codex heute nichts mehr von den folgenden Bildern
erhalten, jedoch sind nicht weniger als 2 3 Blätter (zwischen
Fol. 73 und 200) am unteren Rande beschnitten, die keine
andere Darstellung enthalten haben können, als eine stän-
dige Wiederholung der drei Freunde vor Hiob (vgl. dazu
den Vatikanischen Hiob S.77L und Abb. 333 und 334). Die
erhaltene Illustrationsfolge der Venezianischen Handschrift
ist vollständiger als die des Patmos-Hiob, dessen Anfangs-
blätter verlorengegangen sind. Man wird daher von
Bildern, wie der Titelfigur des Hiob (Abb. 344), dem
Hiob mit seinen sieben Söhnen und drei Töchtern
(Abb. 337) und einigen anderen Szenen — wenigstens
was die allgemeine kompositioneile Anlage anbetrifft —,
Schlüsse auf die verlorenen Bilder des Patmos-Hiob ziehen
dürfen.
In der Anordnung der Bildstreifen wird freier verfahren
als im Patmos-Hiob. Während in letzterem das altchrist-
liAe Prinzip der Illustrierung der unteren Blatthälfte nur
in einem Falle, dem Bilde mit der Herde Hiobs"^, durch-
brochen wird, dadurA, daß über dem unteren Streifen ein
zweiter von halber Länge darüber gesetzt ist, ordnet der
Maler des Venezianischen Hiob öfters zwei oder auch drei
Streifen übereinander an und füllt so eine ganze Blattseite
(Abb. 343). Nur die Rücksicht auf die erklärenden Schrift-
zeilen hindern den Miniator, die weitere Konsequenz zu
ziehen und ein reines Streifenvollbild in der Art des Pariser
Gregor zu schaffen. Die zum Mahle schreitenden Söhne
und Töchter zum Beispiel, die in der Patmos-Handschrift
zu einer lebhaften Gruppe in einem Bildfelde vereint sind
(Abb. 323), werden mit Rücksicht auf die Blattfüllung auf
zwei Streifen verteilt (Abb. 343). Hierdurch wird einerseits
Ebersoft, S. 32 Anm. 4, S. 77 Anm. 10. / Tikkanen, Stud-, S. 82 bis
83, 88, 93-98, 131, 141, 143, 138. — Fof. 246?: stet xoapou suty
MoftKTtmso;;) V] ftd täs haosusspy/ytou ßaotAtxs Vovtos xat dkeifoMipou ttöv dp&o-
ootftnv x(a't) tptko ßxstksd) jitupxtttHV. (Das Wort ,,ßaatXecü" in roter Tinte
auf einer Rasur, wo ursprüngfiA vermutlich das Wort ,,xpttrnM"
gestanden hat.)
3^2 Jacopi, Fig. 91.

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