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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0180

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16o Zclintes Kapitel.

Ein Überblick über den Inhalt der grösseren Bildercyklen zeigt, dass in ihnen
vornehmlich das Vertrauen des Verstorbenen auf den Beistand Gottes, seine Hoffnung
auf die Auferstehung zur ewigen Seligkeit, sein Glaube an die Gottheit Jesu Christi
und dessen Menschwerdung aus Maria der Jungfrau niedergelegt ist: der Verstorbene
hegt volle Zuversicht, dass Christus ihn vor dem ewigen Tode bewahren wird, wie
Gott einst Noe aus den Fluthen, Daniel aus dem Rachen der Löwen, die drei Jünglinge
aus dem Feuer errettet und Susanna von der falschen Anklage befreit hat;1 — dass
Christus ihn vom Tode auferwecken wird, wie er Lazarus zum Leben zurückgerufen
hat; — dass die Heiligen sich für ihn verwenden, und der göttliche Richter ein gnädiges
Urtheil über ihn fällen wird. Seine Zuversicht ist begründet; denn er hat das Sakra-
ment der Taufe empfangen, war eine treues Glied der Kirche und nährte sich mit dem
Fleische und Blute Christi. Und wie die Grabinschriften dem Leser vielfach die Bitte
um das Gebet für den Verstorbenen vortragen, so richten auch die Grabgemälde eine ähn-
liche Bitte an den Besucher der Grabstätten; ja noch mehr: sie legen ihm dadurch,
dass sie ihn an die wichtigsten Heilswahrheiten erinnern, gewissermassen die Formeln
des Gebetes in den Mund. Man könnte demnach, mutatis mutandis, über die mit re-
ligiösen Malereien ausgeschmückten Grabstätten etwa die Worte, die wir in der schö-
nen, noch aus dem 2. Jahrhundert stammenden Inschrift der Agape lesen, oder mit
denen Abercius um die nämliche Zeit sein Epitaph beschliesst, schreiben: «Brüder,
wenn ihr hierher kommt, um zu beten, und in den gemeinsamen Gebeten den Vater
und Sohn bittet, so vergesset ja nicht, der theueren Verstorbenen zu gedenken, damit
der allmächtige Gott ihnen die ewige Seligkeit schenke »; und « Möge jeder Gleich-
gesinnte, der diese Bilder versteht, für die Verstorbenen beten!» Man wünschte den
Verstorbenen die ewige Seligkeit, stellte sie daher fast immer als im Besitze derselben
dar, sei es wie sie auf den Schultern des Guten Hirten zu der Heerde der Auserwählten
gebracht worden sind, sei es wie sie am Mahle der Seligen theilnehmen, oder in der
Haltung der Oranten stehen, d. h. wie sie im Paradiese für die Hinterbliebenen beten,
damit auch diese das gleiche Ziel erlangen möchten.

Der Zweck der religiösen Katakombengemälde ist also nicht ein didaktischer,
wie manche behaupten, sondern, objektiv genommen, ein paränetischer, indem
die Gemälde für den Besucher der Grabstätten eine Aufforderung und Anleitung zum
Gebete für die in den Gräbern beigesetzten und in den Grabinschriften genannten
Verstorbenen enthalten; subjektiv genommen bringen sie ein bald mehr bald minder
ausführliches Credo dessen, der sie malen Hess, zum Ausdruck; für das Grab selbst
aber sind sie ein würdiger Schmuck.2 Den ersten Theil des Satzes habe ich in einer
früheren Schrift3 an einem konkreten Falle klar zu machen gesucht; es sei mir ge-
stattet, diesen Passus hier noch einmal zum Abdruck zu bringen. «Nehmen wir an,

1 Über die Einführung der aktestamentlichen Bei- * Vgl. den Abschnitt über den « Endzweck der

spiele der von Gott seinen Getreuen erwiesenen Be- religiösen Katakombengemälde » in meinem Cyklus,

freiungen und Errettungen in den coemeterialen Bil- S. 49-52.
derkreis siehe Kap. XVIII (Anfang). > Cyklus, S. 51 f.
 
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