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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0409

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Bitte um Gottes Beistand für die l'erstoienen. 389

besitzt jedoch Scenen, welche eine grosse Verwandschaft mit ihr zeigen. An der Hand
dieser Reliefs sowie auch der aus dem Studium der Gewandung gewonnen Resultate
glauben wir eine annehmbare Deutung geben zu können.

Das Bild stellt, wie Taf. 224, 2 zeigt, vier bartlose männliche Gestalten dar. Die
zwei auf der rechten Seite erweisen sich durch die Soldatentracht als Repräsentanten
der Juden; der zweite von ihnen hat einen mit der ungegürteten Tunika und einer
längeren Chlamys bekleideten Mann bei der Hand ergriffen, um ihn allem Anscheine
nach fortzuführen. Die Scene erinnert demnach an die auf Sarkophagen häufig abge-
bildete Bedrängung des Moses durch die Juden. Dass wir es hier mit einem ähnli-
chen Gegenstande zu thun haben, beweist die letzte Figur. Diese trägt Tunika und
Pallium und hat in der erhobenen Rechten einen Stab. Ist sie durch die Gewandun
als biblische Gestalt gekennzeichnet, so bestimmt sie der Stab als die Figur des
Moses. Der Maler entlehnte sie den Darstellung-en des Quellwunders und brachte
sie, ohne die geringste Veränderung an ihr vorzunehmen, in dieser Scene an. Wenn
aber dieser Mann Moses ist, so kann über den daneben gemalten kein Zweifel be-
stehen: er ist Aaron, der Bruder des grossen Führers des auserwählten Volkes. Die
Scene schildert also die Bedrängung des Aaron und Moses durch die Juden.

Die Komposition hätte nicht naiver ausfallen können. Nichtsdestoweniger wurde
sie von dem Maler nicht gedankenlos entworfen. Man sieht es an der absichtlich
umgekehrten Ordnung, in welcher die beiden Bedrängten dargestellt sind: Moses
spielt, obwohl die Hauptperson, eine mehr untergeordnete Rolle, während Aaron den
bevorzugteren Platz einnimmt. Dieses geschah aus formellen Rücksichten. Nach-
dem der Maler Moses nicht anders als mit erhobenem Stabe, wie in dem so oft wie-
derholten Quellwunder, vorführen wollte, musste er sich zu einer solchen Anordnung
verstehen. Denn hätte er den Juden auf Moses, und nicht auf Aaron, Hand anlegen
lassen, so würde er den Anschein erweckt haben, als wollte sich jener mit dem Stabe
gegen die Aufrührer vertheidigen.

Die Heilige Schrift spricht an verschiedenen Stellen von Murren und Auflehnung
des israelitischen Volkes wider Moses und Aaron (2 Mos., 16, 2; 17, 3; 4 Mos., 20, 4),
namentlich als es in der Wüste kein Wasser hatte. Gott kam den Bedrängten zu
Hilfe, indem er dem Volke das von Moses dem Felsen entlockte Wasser gab. Da-
durch ist die symbolische Bedeutung der auf unserem Fresko abgebildeten Scene
nahe gerückt; wir haben sie als ein Beispiel des göttlichen Beistandes aufzufassen und
deshalb ähnlich wie die übrigen hier behandelten Darstellungen zu deuten, nämlich
als Ausdruck einer Bitte wie: «Befreie, o Herr, die Seele des Verstorbenen, wie du
Moses und Aaron aus den Händen der aufrührerischen Israeliten befreit hast! »

Das Fresko ist im rechten Bogenfelde eines Arkosols des coemeterium maius ge-
malt und stammt aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts; wie bemerkt, hat« es
keine Nachahmung gefunden. Die zahlreichen Sarkophagbilder, welche denselhen Ge-
genstand darstellen, unterscheiden sich dadurch, dass Aaron von der Komposition aus-
geschlossen ist und Moses den Stab stets zum Boden gesenkt hat.
 
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