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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0504

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484 Zweiundzwanzigstes Kapitel.

ein kleines Bruchstück in der linken Ecke zurückgeblieben. Aus ihrer Bekleidung,
welche derjenigen der hl. Petronilla glich, können wir schliessen, dass sie aus dem
senatorischen Range, eine « clarissima » war. Auch Markus und Marcellianus werden
in ihren Märtyrerakten « genere clarissimi viri » genannt; und da sie nach dem-
selben Schriftstück überdies sehr reich (« facultatibus dilatati » ) waren,' so könnte
die Stifterin eine Anverwandte der beiden Heiligen gewesen sein. Der Werth der
Akten ist jedoch zu gering, als dass wir uns rückhaltos auf sie berufen dürften.

Als Gegenstand für das beträchtlich niedrigere Feld rechts von dem Votivbilde
wählte man die gebückte Gestalt des Moses, welcher die Riemen seiner Sandalen
löst; wir haben gesehen, dass er die Seele, die vor das Antlitz Gottes treten soll, ver-
sinnbildete. Mit dieser Symbolik hängen die übrigen Fresken, welche in der Höhe
des Bogens der Nische gemalt sind, aufs Engste zusammen. Da sie jedoch einen
ganz neuen Gegenstand in die altchristliche Kunst einführen, so müssen wir ihnen
einen eigenen Paragraphen zuweisen.

§ 120. Die Himmelsleiter.

Die hl. Perpetua hatte im Kerker, kurz vor dem Martyrium, folgende Vision.
« Ich sah ». schreibt sie, « eine eherne Leiter von wunderbarer Grösse, welche bis
zum Himmel reichte und so schmal war, dass nur je Einer auf ihr emporsteigen
konnte; zu beiden Seiten waren allerlei Eisen... befestigt, welche den Unaufmerk-
samen zerfleischten. Und unter der Leiter lag ein Drache von wunderbarer Grösse,
welcher den Steigenden nachstellte und vor dem Hinaufsteigen abschreckte. Saturus
stieg zuerst hinauf... und gelangte bis zur Spitze der Leiter; er sah sich um und
sagte zu mir: Perpetua, ich erwarte dich; sieh zu, dass der Drache dich nicht beisst.
Ich erwiderte: er wird mir nicht schaden, im Namen Jesu Christi. Und unter der
Leiter, gleichsam mich fürchtend, streckte der Drache behutsam den Kopf hervor; ich
aber that, als wollte ich die erste Sprosse besteigen, zertrat ihm den Kopf und stieg
hinauf».2 Es folgt nun die Beschreibung des paradiesischen Gartens, wo Perpetua
einen Vorgeschmack der himmlischen Freuden bekam.3 Die Himmelsleiter versinn-
bildet demnach das Martyrium, durch welches die Glaubensheroen unmittelbar zu
Gott gelangen; die Schlange ist der Satan, der durch die Qualen den Muth der
Märtyrer zu erschüttern sucht.

Diese Vision muss eine grosse Verbreitung gefunden haben. In der Passio des
hl. Polyeukt wird ausdrücklich auf sie Bezug genommen: « Auch er (Polyeukt) »,
heisst es daselbst, «hat der Schlange den Kopf zertreten, ähnlich wie... Perpetua,

' Acta Sanctorum Holland., II, Jan. 265. S. 110 ff.

* Passio St, Perpetuae et Felicitatis, ed. Franchi, ! Vgl. oben S. 444.
 
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