STUDIEN ZUM OBER ST. VEITER ALTAR UND VERWANDTES UM 1504/05 49
in 1508 umgeändert hat. Der späteste Termin ist
1511. In diesem Jahre hat Dürer einen unvoll-
endeten nahverwandten Kalvarienberg in Wien
(L. 523), der mit brauner Tinte ausgeführt war,
mit schwarzer Tinte in der unteren Hälfte abge-
schlossen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Er-
gänzung erst nach längerer Zeit geschah. Es
wurde noch nicht beobachtet, daß die Zeichnung
ursprünglich wie im Großen Kalvarienberg der
Uffizien (Nr. 317), der mit größter Wahr-
scheinlichkeit 1505 entstand, von der Mitte des
Blattes aus nach unten fortgesetzt werden sollte.
Unter der schwarzen Zeichnung wird ein braun
gezeichnetes Kreuz sichtbar; hier sollten also die
der Kreuzigung vorhergehenden Vorgänge dar-
gestellt werden. Im übrigen bekundet die über-
zeugend in die Tiefe gestellte Figurenkomposi-
tion des Wiener Blattes, das in jedem Betracht
reifer als die in diesem Abschnitt vereinigten
Kompositionsskizzen ist, daß man mit letzteren
nicht bis in die Jahre 1510/11 gehen kann.
In der Literatur haben sich im Laufe der Zeit
zwei Parteien gebildet, von denen die eine die
Entstehung der Gruppe um den Ober St. Veiter
Altar um 1505, die andere um 1510 annimmt.
In der älteren Literatur (Ephrussi S. 88/90, Thau-
sing 11747) begegnet man keinem Zweifel an der
Autorschaft Dürers und der Glaubwürdigkeit
der Bezeichnung und Datierung 1502. Diese An-
sicht ist durch Dörnhöffer beseitigt worden8. Er
wies nach, daß die untere Figurenreihe ;eine
Kompilation aus verschiedenen Werken Dürers
sei. Wegen der Abhängigkeit des 1. Reiters von
dem Stich datiert er die Zeichnung nach 1508.
Die Entlehnungen aus Dürers Werk sind um-
fangreicher als Dörnhöffer erkannt hat. Unter
Berücksichtigung der Feststellungen Flechsigs
(II S. 442 ff.), dem ich nicht immer folgen kann,
weil er bei seinen Vergleichen mehrere der in
diesem und dem vorhergehenden Abschnitt ver-
einigten Zeichnungen übersah, statt ihrer aber
mehrere Werke von 1510 und 1511 heranzog,
sind folgende Entlehnungen eindeutig nachweis-
bar:
a) 1. Reiter nach dem Stich von 1505 (bzw.
1508)
b) Reiter r. daneben im Gegensinn nach der
Kreuzigung der Großen Passion (B. 11)
c) Türkischer Reiter ganz 1. am Rande im Ge-
gensinn nach dem Stich der 6 Krieger (B.
88)
d) vom Rücken gesehener stehender Lands-
knecht in der r. Ecke nach dem Ecce homo
der Großen Passion (B. 9).
Alle anderen Nachweise besagen wegen der
Häufigkeit der gleichen Motive, die damals vor-
kommen, nichts für oder gegen die Zeichnung.
Seit Dörnhöffers Darlegungen hat niemand mehr
recht an unser Blatt geglaubt. Jaro Springer
lehnte es ab9 und das gleichzeitig erschienene
Buch Wölfflins, das für mehrere Jahrzehnte die
wichtigere Literatur kritisch verarbeitet bringt,
übergeht den gesamten Fragenkomplex. Eine
Ausnahme bildet Friedländer10, der die Zeich-
nung noch für echt datiert und eigenhändig hält.
„Hier könnte man bei der oberen Hälfte bei-
nahe an Dürer selbst denken“, mit dieser Äuße-
rung eröffnet Flechsig seine Untersuchung des
Baseler Blattes (II S. 443). Im Verein mit der Be-
urteilung durch Friedländer, der in bezug auf
die eigenhändige Ausführung der Werke öfters
schärfer als die andern gesehen hat, und dem
Umstand, daß Baseler Gelehrte wie H.A. Schmid
und Hans Koegler die Zeichnung günstig beur-
teilt haben, kommt Flechsigs Äußerungen, die
sich mit meinen Beobachtungen decken, mehr
Bedeutung bei, als ihnen ihr Urheber vielleicht
selbst beizulegen gewillt war.
Im allgemeinen ist unsere Zeichnung nicht mehr
für echt angesehen worden, auch von mir nicht,
und der Gegensatz der Meinungen betrifft mehr
die Entstehung des Ober St. Veiter Altars, wo-
bei die Zeichnung keine große Rolle spielt. Der
Dörnhoffer’schen Datierung um 1510 haben sich
Springer (a.a.O.), Baldaß11 und zuletzt Flechsig
angeschlossen. Tietzes (S. 106) bezeichnen das
vorliegende Blatt ausdrücklich als Nachzeich-
nung nach dem Altar, was es gewiß nicht ist und
in 1508 umgeändert hat. Der späteste Termin ist
1511. In diesem Jahre hat Dürer einen unvoll-
endeten nahverwandten Kalvarienberg in Wien
(L. 523), der mit brauner Tinte ausgeführt war,
mit schwarzer Tinte in der unteren Hälfte abge-
schlossen. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Er-
gänzung erst nach längerer Zeit geschah. Es
wurde noch nicht beobachtet, daß die Zeichnung
ursprünglich wie im Großen Kalvarienberg der
Uffizien (Nr. 317), der mit größter Wahr-
scheinlichkeit 1505 entstand, von der Mitte des
Blattes aus nach unten fortgesetzt werden sollte.
Unter der schwarzen Zeichnung wird ein braun
gezeichnetes Kreuz sichtbar; hier sollten also die
der Kreuzigung vorhergehenden Vorgänge dar-
gestellt werden. Im übrigen bekundet die über-
zeugend in die Tiefe gestellte Figurenkomposi-
tion des Wiener Blattes, das in jedem Betracht
reifer als die in diesem Abschnitt vereinigten
Kompositionsskizzen ist, daß man mit letzteren
nicht bis in die Jahre 1510/11 gehen kann.
In der Literatur haben sich im Laufe der Zeit
zwei Parteien gebildet, von denen die eine die
Entstehung der Gruppe um den Ober St. Veiter
Altar um 1505, die andere um 1510 annimmt.
In der älteren Literatur (Ephrussi S. 88/90, Thau-
sing 11747) begegnet man keinem Zweifel an der
Autorschaft Dürers und der Glaubwürdigkeit
der Bezeichnung und Datierung 1502. Diese An-
sicht ist durch Dörnhöffer beseitigt worden8. Er
wies nach, daß die untere Figurenreihe ;eine
Kompilation aus verschiedenen Werken Dürers
sei. Wegen der Abhängigkeit des 1. Reiters von
dem Stich datiert er die Zeichnung nach 1508.
Die Entlehnungen aus Dürers Werk sind um-
fangreicher als Dörnhöffer erkannt hat. Unter
Berücksichtigung der Feststellungen Flechsigs
(II S. 442 ff.), dem ich nicht immer folgen kann,
weil er bei seinen Vergleichen mehrere der in
diesem und dem vorhergehenden Abschnitt ver-
einigten Zeichnungen übersah, statt ihrer aber
mehrere Werke von 1510 und 1511 heranzog,
sind folgende Entlehnungen eindeutig nachweis-
bar:
a) 1. Reiter nach dem Stich von 1505 (bzw.
1508)
b) Reiter r. daneben im Gegensinn nach der
Kreuzigung der Großen Passion (B. 11)
c) Türkischer Reiter ganz 1. am Rande im Ge-
gensinn nach dem Stich der 6 Krieger (B.
88)
d) vom Rücken gesehener stehender Lands-
knecht in der r. Ecke nach dem Ecce homo
der Großen Passion (B. 9).
Alle anderen Nachweise besagen wegen der
Häufigkeit der gleichen Motive, die damals vor-
kommen, nichts für oder gegen die Zeichnung.
Seit Dörnhöffers Darlegungen hat niemand mehr
recht an unser Blatt geglaubt. Jaro Springer
lehnte es ab9 und das gleichzeitig erschienene
Buch Wölfflins, das für mehrere Jahrzehnte die
wichtigere Literatur kritisch verarbeitet bringt,
übergeht den gesamten Fragenkomplex. Eine
Ausnahme bildet Friedländer10, der die Zeich-
nung noch für echt datiert und eigenhändig hält.
„Hier könnte man bei der oberen Hälfte bei-
nahe an Dürer selbst denken“, mit dieser Äuße-
rung eröffnet Flechsig seine Untersuchung des
Baseler Blattes (II S. 443). Im Verein mit der Be-
urteilung durch Friedländer, der in bezug auf
die eigenhändige Ausführung der Werke öfters
schärfer als die andern gesehen hat, und dem
Umstand, daß Baseler Gelehrte wie H.A. Schmid
und Hans Koegler die Zeichnung günstig beur-
teilt haben, kommt Flechsigs Äußerungen, die
sich mit meinen Beobachtungen decken, mehr
Bedeutung bei, als ihnen ihr Urheber vielleicht
selbst beizulegen gewillt war.
Im allgemeinen ist unsere Zeichnung nicht mehr
für echt angesehen worden, auch von mir nicht,
und der Gegensatz der Meinungen betrifft mehr
die Entstehung des Ober St. Veiter Altars, wo-
bei die Zeichnung keine große Rolle spielt. Der
Dörnhoffer’schen Datierung um 1510 haben sich
Springer (a.a.O.), Baldaß11 und zuletzt Flechsig
angeschlossen. Tietzes (S. 106) bezeichnen das
vorliegende Blatt ausdrücklich als Nachzeich-
nung nach dem Altar, was es gewiß nicht ist und