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Hobelspahne.
Willst du nicht selbst geknechtet sein,
So schaffe Niemand Knechtes Pein.
Wer von des Ehrgeizes Gifte nascht,
Sehr oft sich Scham und Schimpf erhascht.
Ein gebildeter Mensch wird immer, wenn eine Dame in die Gesell-
schaft tritt, aufstehen und ihr Platz machen. Völker sind Individuen und
die Freiheit ist auch eine Dame.
Kritifire nie die Handlungen der Regierung. Wenn du's aber nicht
unterlassen kannst, so spreche jeden Tag folgende Gebete:
Morgens:
Mein Gott, ich dank' mit Mund und Sinn,
Daß ich noch nicht im Kerker bin.
Abends:
Du lieber Gott, „frei" schlaf' ich ein,
Gieb, daß ich's auch kann morgen sein.
5 *
Es ist leichter, ein Buch zu verbieten, als es zu widerlegen.
Versammeln dürft ihr euch frank und frei,
Doch müßt ihr erst fragen die Polizei.
-l- -t-
Wer nie sein Brot mit Thränen aß, —
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Betle weinend saß:
Der kennt Oestreich, Rußland und Deutschland noch lange nicht!
» 5
Der Mensch ist der Dualismus des Erhabenen und der Notwen-
digkeit. Mit demselben Taschenluche, das er mit seinen Freudenthränen
bethaut, schneuzt er sich auch die Nase.
Noch großartiger.
Hamburger: Haben Sie gesehen, wie jetzt an unserm neuen Rath-
hause gebaut wird? Das wird doch gewiß ein großartiges Gebäude!
Berliner: Ach was, jroßartig! Da jehn Sie mal nach Berlin un
sehn Sie sich det neue Reichstagsjebäude an, det wird viermal so jroß
als Euer Rathhaus mitsammt der Börse!
Hamburger: So ein großes Haus für den Reichstag? Na dadrin
soll sich wohl der Spruch bewahrheiten, daß die Linke nicht wissen soll,
was die Rechte thut?!
Kin schtectztes Kervisfen.
Bulgarisches.
Stambulow: Jetzt bekommen wir wieder etwas Luft! Es wird
Sommer, die Diplomuten gehen aufs Land . . .
Ferdinand von Koburg - Bulgarien: Ei herchefes, wenn fe
man blos nich uff das meinigte gehn dhun dhäten.
Die Schutzheiligen.
Ein kleiner neunjähriger Junge, katholisch erzogen, kam zn seinem
Onkel auf Besuch. Dieser hat in seiner Stube das bekannte Gruppen-
bild der sozialistischen Reichstagsfrakiion hängen. Der kleine Wißbegierig
sah es aufmerksam an und fragte seine Tante, was denn das für Männer
seien? — „Ach, Alfred, das sind Freunde vom Onkel", antwortete diese.
Die Antwort schien aber den Frager nicht zu befriedigen und er mußte
selbst nachgegrübelt haben, denn als der Onkel zu Mittag heimgekommen
war und man beim Essen saß, sagte Alfred: „Onkel, ich weiß, wer die
Leute aus dem Bilde sind. — das sind Deine Schutzheiligen."
Stadtmissionär: Lieber Mann, gehen Sie auch fleißig zur Kirche,
um sich an einer guten Predigt zu erbauen?
Herr Stammseidel: Ach, lassen S' mich aus! Ich erbaue mich
jeden Abend genug an der Gardinenpredigt meiner Frau!
Müller sagte Nichts; am anderen Tage aber erhielt der Professor
folgendes Briefchen:
„Da ich das Kameel bin, das meinem Brnder die tollen Ideen über
Hannibal eingeblasen hat, so wünschen meine Eltern Ihre Besuche nicht
mehr. Alwine Müller."
Grübelmaier war niedergedonnert. Er batte nicht beachtet, daß
unter den Müllern seiner Klasse ein Bruder der gehofften Zukünftigen
war und so strafte sich seine Zerstreutheit zum ersten Mal hart. Dorothee
lachte in sich hinein. Man machte Annäherungsversuche, aber Alwine
Müller konnte das Kameel nicht verzeihen und so kam es zu Nichts.
Die Freunde rasteten uicht und bald hatte man wieder eine heiraths-
lustige junge Dame ausgekundschaftet, die für den Professor zu passen
schien, denn sie war in der Geschichte des Alterthums sehr bewandert.
Sie hieß Leonore und war die Tochter eines Offiziers mit knapper Pen-
sion und einem mittelmäßigen Vermögen. Der Professor ward eingeführt
und man gefiel sich. Das Paar schien sich zu verstehen und endlich kam
man so weit, daß man die Beiden mit einander ungestört plaudern ließ.
Sie sprachen vom alten Rom und der Professor zeigte eine so genaue
Kenntniß von der Eincichtung der alten Hauptstadt des großen Römer-
reichs, daß man hätte glauben können, er sei selbst in ihren Straßen
umhergewandelt. Die Gesellschaft verabschiedete sich nach und nach; aber
Grübelmaier und Leonore sahen und hörten Nichts davon, sie plauderten
weiter. Die Eltern und Geschwister Leonorens schliefen ein und durch
ihr Schnarchen wurde der Professor aufgescheucht. Er entfernte sich end-
lich in glückseliger Stimmung; uun hatte er die Frau gefunden, die er
brauchte.
Morgens um halb vier Uhr wurde an der Wohnung von Lenorens
Eltern heftig geklingelt und als ihr Bater brummend hinaussah, stand
der Professor Grübelmaier drunten, und rief kläglich herauf, man solle
doch Jemand mit ihm schicken, denn er könne seine Wohnung nicht fin-
den. Der Herr Professor, der sein Studirzimmer fast nur um zum Unter-
richt zu gehen verließ, kannte sich nach mehr als zehnjährigem Aufenthalt
in der Residenz nicht aus und war Stundenlang in den Straßen um-
hergeirrt.
Man ließ den Halbverzweifellen Schulmann durch ein Dienstmädchen
nach Hause geleiten; der alte Offizier aber sprach zu seiner Gattin:
„Bombenelement, solch ein Esel ist mir noch nicht vorgekommen. Der
kennt alle Straßen vom alten Rom und vom alten Athen auswendig;
nur in der Stadt, wo er wohnt, kennt er sich nicht aus. Einem solchen
Mann können wir unsere Tochter nicht anvertrauen."
Die Mutter stimmte zu und der Professor ward nicht wieder ein-
geladen.
Dorothee glaubte, nun sei die Gefahr vorüber, aber die Freunde
des Professors ruhten nicht. Man machte einen wohlhabenden Kaufmann
ausfindig, der recht gern einen Piofeffor zum Schwiegersohn gehabt hätte
und erklärte, die Professoren-Schrullen seien für ihn nicht so schlimm.
Seine Tochter Eva war ein ganz hübsches Mädchen und stand im Rufe,
sehr gut kochen zu können.
Man lud den Professor zu einem sehr splendiden Souper ein und
Evchen wollte ihre Kochkunst leuchten lassen. Wie sie emsig an der Tafel
waltete, gefiel sie dem Professor ganz gut, und er dachte sich, daß er
endlich hier doch noch die Richtige finden könne. Aber er war Doro-
theen's derbe Hausmannskost gewohnt und die seinen Ragouts und Sehn-
liches, was ihm Eocheu bereitete, mundeten ihm nicht. Dazu trank man
einen starken weißen Wein, der dem Professor sehr schmeckte; er trank
sich sehr bald einen tüchtigen Affen an und seine Zerstreutheit erreichte
in Folge dessen den Gipselpunkt. Er hatte erst einige vergebliche Ver-
suche gemacht, ein griechisches Lied zu siugen; dann aber klopfte er an
fein Glas, erhob sich und brachte eiueu Toast aus. Alles war fehr ge-
spannt; der Herr Professor aber sagte:
„Werlhe Frennde! Meine vortreffliche Dorothee kocht sonst ganz vor-
trefflich, aber heute hat sie einmal einen unglücklichen Tag gehabt. Ich
hoffe Sie bald wieder bei mir zu sehen; dann werden die Speisen schmack-
hafter sein."
Der Unglückliche, der bei sich zu sein glaubte, verfiel einem wiehern-
den Hohngelächter; Evchen aber hatte einen Ohnmachtsanfall. Von da
ab haßte sie den Professor, der ihre Kochkunst nicht zu würdigen verstand,
geradezu tödtlich.
Verzweiflungsvoll saß der Professor des andern Morgens im Katzen-
jammer da und erzählte Dorothee sein Mißgeschick. Diese lachte hell
auf. Grübelmaier aber meinte:
„Was soll ich nun beginnen?" —
„Sie müssen eben heirathen, wen Sie kriegen", sagte Dorothee.
„Und wen kann ich kriegen?"
„Mich!"
Der Herr Professor sperrte erst den Mund auf, dann aber meinte er:
„Das hätten Sie mir gleich sagen können."
Und er heirathete sie. Am Tage seiner Hochzeit bekam er einen
mächtigen Pantoffel und Schillers „Kampf mit dem Drachen" schön illu-
strirt zugeschickt. — Frau Dorothee aber regiert noch strenger denn srüher.
Hobelspahne.
Willst du nicht selbst geknechtet sein,
So schaffe Niemand Knechtes Pein.
Wer von des Ehrgeizes Gifte nascht,
Sehr oft sich Scham und Schimpf erhascht.
Ein gebildeter Mensch wird immer, wenn eine Dame in die Gesell-
schaft tritt, aufstehen und ihr Platz machen. Völker sind Individuen und
die Freiheit ist auch eine Dame.
Kritifire nie die Handlungen der Regierung. Wenn du's aber nicht
unterlassen kannst, so spreche jeden Tag folgende Gebete:
Morgens:
Mein Gott, ich dank' mit Mund und Sinn,
Daß ich noch nicht im Kerker bin.
Abends:
Du lieber Gott, „frei" schlaf' ich ein,
Gieb, daß ich's auch kann morgen sein.
5 *
Es ist leichter, ein Buch zu verbieten, als es zu widerlegen.
Versammeln dürft ihr euch frank und frei,
Doch müßt ihr erst fragen die Polizei.
-l- -t-
Wer nie sein Brot mit Thränen aß, —
Wer nie die kummervollen Nächte
Auf seinem Betle weinend saß:
Der kennt Oestreich, Rußland und Deutschland noch lange nicht!
» 5
Der Mensch ist der Dualismus des Erhabenen und der Notwen-
digkeit. Mit demselben Taschenluche, das er mit seinen Freudenthränen
bethaut, schneuzt er sich auch die Nase.
Noch großartiger.
Hamburger: Haben Sie gesehen, wie jetzt an unserm neuen Rath-
hause gebaut wird? Das wird doch gewiß ein großartiges Gebäude!
Berliner: Ach was, jroßartig! Da jehn Sie mal nach Berlin un
sehn Sie sich det neue Reichstagsjebäude an, det wird viermal so jroß
als Euer Rathhaus mitsammt der Börse!
Hamburger: So ein großes Haus für den Reichstag? Na dadrin
soll sich wohl der Spruch bewahrheiten, daß die Linke nicht wissen soll,
was die Rechte thut?!
Kin schtectztes Kervisfen.
Bulgarisches.
Stambulow: Jetzt bekommen wir wieder etwas Luft! Es wird
Sommer, die Diplomuten gehen aufs Land . . .
Ferdinand von Koburg - Bulgarien: Ei herchefes, wenn fe
man blos nich uff das meinigte gehn dhun dhäten.
Die Schutzheiligen.
Ein kleiner neunjähriger Junge, katholisch erzogen, kam zn seinem
Onkel auf Besuch. Dieser hat in seiner Stube das bekannte Gruppen-
bild der sozialistischen Reichstagsfrakiion hängen. Der kleine Wißbegierig
sah es aufmerksam an und fragte seine Tante, was denn das für Männer
seien? — „Ach, Alfred, das sind Freunde vom Onkel", antwortete diese.
Die Antwort schien aber den Frager nicht zu befriedigen und er mußte
selbst nachgegrübelt haben, denn als der Onkel zu Mittag heimgekommen
war und man beim Essen saß, sagte Alfred: „Onkel, ich weiß, wer die
Leute aus dem Bilde sind. — das sind Deine Schutzheiligen."
Stadtmissionär: Lieber Mann, gehen Sie auch fleißig zur Kirche,
um sich an einer guten Predigt zu erbauen?
Herr Stammseidel: Ach, lassen S' mich aus! Ich erbaue mich
jeden Abend genug an der Gardinenpredigt meiner Frau!
Müller sagte Nichts; am anderen Tage aber erhielt der Professor
folgendes Briefchen:
„Da ich das Kameel bin, das meinem Brnder die tollen Ideen über
Hannibal eingeblasen hat, so wünschen meine Eltern Ihre Besuche nicht
mehr. Alwine Müller."
Grübelmaier war niedergedonnert. Er batte nicht beachtet, daß
unter den Müllern seiner Klasse ein Bruder der gehofften Zukünftigen
war und so strafte sich seine Zerstreutheit zum ersten Mal hart. Dorothee
lachte in sich hinein. Man machte Annäherungsversuche, aber Alwine
Müller konnte das Kameel nicht verzeihen und so kam es zu Nichts.
Die Freunde rasteten uicht und bald hatte man wieder eine heiraths-
lustige junge Dame ausgekundschaftet, die für den Professor zu passen
schien, denn sie war in der Geschichte des Alterthums sehr bewandert.
Sie hieß Leonore und war die Tochter eines Offiziers mit knapper Pen-
sion und einem mittelmäßigen Vermögen. Der Professor ward eingeführt
und man gefiel sich. Das Paar schien sich zu verstehen und endlich kam
man so weit, daß man die Beiden mit einander ungestört plaudern ließ.
Sie sprachen vom alten Rom und der Professor zeigte eine so genaue
Kenntniß von der Eincichtung der alten Hauptstadt des großen Römer-
reichs, daß man hätte glauben können, er sei selbst in ihren Straßen
umhergewandelt. Die Gesellschaft verabschiedete sich nach und nach; aber
Grübelmaier und Leonore sahen und hörten Nichts davon, sie plauderten
weiter. Die Eltern und Geschwister Leonorens schliefen ein und durch
ihr Schnarchen wurde der Professor aufgescheucht. Er entfernte sich end-
lich in glückseliger Stimmung; uun hatte er die Frau gefunden, die er
brauchte.
Morgens um halb vier Uhr wurde an der Wohnung von Lenorens
Eltern heftig geklingelt und als ihr Bater brummend hinaussah, stand
der Professor Grübelmaier drunten, und rief kläglich herauf, man solle
doch Jemand mit ihm schicken, denn er könne seine Wohnung nicht fin-
den. Der Herr Professor, der sein Studirzimmer fast nur um zum Unter-
richt zu gehen verließ, kannte sich nach mehr als zehnjährigem Aufenthalt
in der Residenz nicht aus und war Stundenlang in den Straßen um-
hergeirrt.
Man ließ den Halbverzweifellen Schulmann durch ein Dienstmädchen
nach Hause geleiten; der alte Offizier aber sprach zu seiner Gattin:
„Bombenelement, solch ein Esel ist mir noch nicht vorgekommen. Der
kennt alle Straßen vom alten Rom und vom alten Athen auswendig;
nur in der Stadt, wo er wohnt, kennt er sich nicht aus. Einem solchen
Mann können wir unsere Tochter nicht anvertrauen."
Die Mutter stimmte zu und der Professor ward nicht wieder ein-
geladen.
Dorothee glaubte, nun sei die Gefahr vorüber, aber die Freunde
des Professors ruhten nicht. Man machte einen wohlhabenden Kaufmann
ausfindig, der recht gern einen Piofeffor zum Schwiegersohn gehabt hätte
und erklärte, die Professoren-Schrullen seien für ihn nicht so schlimm.
Seine Tochter Eva war ein ganz hübsches Mädchen und stand im Rufe,
sehr gut kochen zu können.
Man lud den Professor zu einem sehr splendiden Souper ein und
Evchen wollte ihre Kochkunst leuchten lassen. Wie sie emsig an der Tafel
waltete, gefiel sie dem Professor ganz gut, und er dachte sich, daß er
endlich hier doch noch die Richtige finden könne. Aber er war Doro-
theen's derbe Hausmannskost gewohnt und die seinen Ragouts und Sehn-
liches, was ihm Eocheu bereitete, mundeten ihm nicht. Dazu trank man
einen starken weißen Wein, der dem Professor sehr schmeckte; er trank
sich sehr bald einen tüchtigen Affen an und seine Zerstreutheit erreichte
in Folge dessen den Gipselpunkt. Er hatte erst einige vergebliche Ver-
suche gemacht, ein griechisches Lied zu siugen; dann aber klopfte er an
fein Glas, erhob sich und brachte eiueu Toast aus. Alles war fehr ge-
spannt; der Herr Professor aber sagte:
„Werlhe Frennde! Meine vortreffliche Dorothee kocht sonst ganz vor-
trefflich, aber heute hat sie einmal einen unglücklichen Tag gehabt. Ich
hoffe Sie bald wieder bei mir zu sehen; dann werden die Speisen schmack-
hafter sein."
Der Unglückliche, der bei sich zu sein glaubte, verfiel einem wiehern-
den Hohngelächter; Evchen aber hatte einen Ohnmachtsanfall. Von da
ab haßte sie den Professor, der ihre Kochkunst nicht zu würdigen verstand,
geradezu tödtlich.
Verzweiflungsvoll saß der Professor des andern Morgens im Katzen-
jammer da und erzählte Dorothee sein Mißgeschick. Diese lachte hell
auf. Grübelmaier aber meinte:
„Was soll ich nun beginnen?" —
„Sie müssen eben heirathen, wen Sie kriegen", sagte Dorothee.
„Und wen kann ich kriegen?"
„Mich!"
Der Herr Professor sperrte erst den Mund auf, dann aber meinte er:
„Das hätten Sie mir gleich sagen können."
Und er heirathete sie. Am Tage seiner Hochzeit bekam er einen
mächtigen Pantoffel und Schillers „Kampf mit dem Drachen" schön illu-
strirt zugeschickt. — Frau Dorothee aber regiert noch strenger denn srüher.