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Kerr von H>uttkamer.
^luttkamer war, — ich muß es schreiben,
So sauer mir's zu schreiben wird, —
Puttkamer war beim Kesseltreiben,
Nuu hat sein Bogen ausgeschwirrt.
Nachdem er Bock um Bock geschossen,
Sank er in's Gras, und Hirsche, Hasen
Des Freisinns haben ihm zum Possen
Ein fröhlich „Waidmanns Heil!" geblasen.
Mich schmerzt es tief, daß du verschwandest
In der Versenkung, großer Geist,
Noch ehe du die Geister banntest,
Die man die Demokraten heißt.
Vergeblich war dein heißes Streben,
Du hast's gewollt, das sei genug,
Tröstlich, daß dein politisch Leben
So ohne Makel, ohne Lug!
Laß uns, Erhab'ner, Abschied nehmen,
Du ahnst nicht, wie es uns bedrückt;
Wahr wie du selbst ist unser Grämen,
Daß du zu bald uns wardst entrückt.
Du bliebst, so lang' du konntest bleiben,
Stolz gingst du, als gelöst das Band. —
Doch dein System wird Blüthen treiben
Allüberall im deutschen Land.
Der tehte Witter.
Abenteuerliche Erzählung von Kerns ItuX.
Motto: Doch das Schönste an Ruinen
sAZZAHA Ist, daß sie Ruinen sind.
Ruine Drachenstein, einst der Sitz eines verwegenen Raub-
rittergeschlechts, ist fast ganz in Trümmer gefallen. Unheim-
lich muthet es den Fremdling an in den halb eingestürzten
Bogengängen und den Sälen ohne Dach. Von den Thürmen
ertönt Nachts der heisere Schrei der Eule. Nur zwei Stuben sind noch
bewohnbar und in diesen haust, von der Welt abgeschieden, ganz allein
der Letzte des einst blühenden Geschlechts, Kuno von Drachenstein, der
sich den letzten Ritter nennt. Sonderbar sieht er aus, dieser Ritter, denn
er geht einher in Fetzen von lauter mittelalterlichen Gewändern, in einen
weiten durchlöcherten Rittermantel gehüllt. Er ist schon alt und es
geht ihm schlecht, denn er muß von einer winzigen Rente leben. Seine
Vorfahren hatten es besser im romantischen Mittelalter. Sie lauerten
den vorüberziehenden Kaufleuten auf, warfen sie nieder und schleppten
sie nebst ihrem Gut auf das Schloß. Dort mußten sie im Burgverließ
schmachten, bis sie sich loskaufen konnten. Der arme Kuno aber lebt in
der Zeit des Strafgesetzbuches, nach welchem der Bruch des Landfriedens
hart geahndet wird; er kann also Niemand niederwerfen und in's Burg-
verließ sperren. Zur Arbeit ist er zu stolz. Er hat auch einige Waffen
aus der schönen Zeit seiner Ahnen. Als er aber einstens wieder in
dem verrosteten Harnisch und Helm des weiland berühmlen Grafen
Kunibert von Drachenstein ausging, liefen ihm die Dorfjungen nach und
fürchteten sich aar nicht vor ihm, obschon er das gefürchtete zweihändige
Schlachtschwert seines Ahnen umgegürtet hatte. Er ward wegen un-
befugten Waffentragens bestraft und konnte nur mit Mühe verhüten,
daß seine Rüstkammer von der Polizei geleert wurde. Er hat einen
liefen Haß gegen die moderne Zeitrichtung gefaßt, welche das Ritterthum
so schnöde verkennt. Er beschäftigt sich damit, im Walde Kräuter und
Wurzeln zu suchen und damit die schmalen Vorräthe seiner Küche zu
vermehren. Seine übrige Zeit verbringt er damit, in den alten Urkunden
zu studiren, die ihm seine Ahnen hinterlassen haben und in denen genau
verzeichnet steht, wieviel Lanzen jeder Ritter von Drachensteiii beim
Turnier gebrochen und wieviel Gegner er bei seinen Fehden niederge-
worfen. Es ist schade, daß diese welthistorischen Urkunden noch von
keinem Geschichtsschreiber durchforscht worden sind. Ritter Kuno hat den
ganzen Stammbaum seines Geschlechts auswendig gelernt und beschäftigt
sich Morgens und Abends damit, ihn herzusagen.
Einmal aber hat Kuno von Drachenstein doch auch noch ein ritter-
liches Abenteuer zu bestehen gehabt.
Die Kamera illcr.
„Des Dichters Aug', in schönem Wahnsinn rollend",
An dem die Schatten bunt Vorübergehn,
Was hat es nicht, Beachtung selten zollend
Der Wirklichkeit, Phantastisches gesehn!
Doch in den Schatten stellt ein Zeitungsmann
In nnsern Tagen auch die kühnsten Dichter,
Der Träumer, der den schnöden Bund ersann,
Den Bund „Mackenzie-Schrader-Eugen Richter."
Auch du, o Bund der Schwarzen und der Rothen,
Du hattest einstmals eine Blüthezeit —
Nun sinkst zu fahlen, wesenlosen Todten
Du scheu hinab in die Vergessenheit.
Die „Camarilla" bläst dir spöttisch aus
Des armen Daseins windbewegte Lichter;
Wie nimmst du dich prosaisch-nüchtern aus
Verglichen mit „Mackenzie-Schrader-Richter!"
Du durftest dich bedroht zuweilen wähnen
Mit einem tückisch-wilden Todesstreich
Von den Franzosen, Polen, Welsen, Dänen —
Du armes, schwaches, bestgehaßtes Reich.
Doch thuen diese schließlich wenig Harm;
Wie anders wirken da die drei Gesichter
Der Reichsverderber, schreitend Arm in Arm,
Der Schräder, Mackenzie und Eugen Richter!
Als er eines Tages in seiner Kemenate lag und sann, ob der ritter-
liche Glanz seiner Ahnen denn gar nicht wieder herzustellen sei, schlummerte
er ein und es erschien ihm im Traume eine holdlächelnde Fee, die einen
Brief in der Hand hatte. Sie legte den Brief vor ihm nieder, winkte
ihm huldvoll zu und verschwand.
Kuno rieb sich die Augen, sprang auf und spähte ringsumher nach
der lieblichen Erscheinung, allein sie war nirgends mehr zu schauen.
Nachdenklich schritt er zum Walde, um sich Beeren zu sammeln — was
er in neuerer Zeit auch nicht mehr ohne einen Erlanbnißschein thnn darf
— und als er heimkehrte, sah er einen Brief an dem verfallenen Burg-
thor befestigt. Erregt nahm er denselben und las:
„Ruftet Euch, Ritter Kuno, und zieht gewappnet morgen früh um
sieben Uhr aus auf der Straße gen Norden. Dort wird Euch die lieb-
liche Jungfrau begegnen, welche das Schicksal für Euch bestimmt hat."
Kuno konnte sich kaum fassen. Da war ja der Brief der Fee. Er
beschloß, dem geheimnißvollen Rufe zu folgen. Die ganze Nacht konnte
er vor Ausregung kein Auge zuthun. Aber er kramte seine Rüstkammer
aus. Damals besaß er noch einen alten abgelebten Gaul, der ihn zur
Noth noch tragen konnte. Er hing ihm die zerrissene Decke mit Schellen
um, die einst Kunibert von Drachenstein's Schlachtroß getragen; dann
legte er die Rüstung seines berühmten Vorfahren an, gürtete sein Schlacht-
schwert um, nahm die mächtige Lanze zur Hand und schlug Punkt sieben
Uhr die Straße gen Norden ein. Der alte Gaul humpelte verdächtig
einher und versuchte zu wiehern, was ihm aber nur schwach gelang. Die
Vorübergehenden blieben erstaunt stehen und sahen der wunderlichen Er-
scheinung nach. Eine Bremse stach den alten Gaul an einer empfindlichen
Stelle und er setzte sich in einen lahmen Galopp, so daß die verrosteten
Rüstungsstücke des Ritters laut klirrten.
Nach einer Stunde sah Kuno in der Ferne auf der Landstraße eine
Staubwolke, die sich ihm nähert, und als er erwartungsvoll darauf los-
ritt, konnte er bald zwei Gestalten zu Pferd unterscheiden. Es waren
ein Herr und eine Dame.
„Halloh, Ritter Kuno von Drachenstein, haltet an!" rief der Reiter
ihm entgegen und man parirte die
Kuno sah erstaunt hinüber, den.. >.^ .uen Herrn in
eleganter Kleidung mit einem Klemmer auf der Nase und mit einem sehr
pfiffigen, lächelnden Gesicht, der sich freundlich grüßend verbeugte. Neben
ihm aber hielt eine Dame anf einem Schimmel in einem halben Ama-
zonenkostüm und von frappirender eigentümlicher Schönheit. Sie hatte
ein keckes Stumpfnäschen in dem niedlichen Gesicht, blitzende schwarze
Augen, lange schwarze Locken und eine schlanke elegante Figur. Als sie
den Ritter geharnischt und gewappnet erblickte, schüttelte sie ein Lachen,
daß sie schier aus dem Sattel fiel.
„Die Fee! . stammelte Kuno.
Kerr von H>uttkamer.
^luttkamer war, — ich muß es schreiben,
So sauer mir's zu schreiben wird, —
Puttkamer war beim Kesseltreiben,
Nuu hat sein Bogen ausgeschwirrt.
Nachdem er Bock um Bock geschossen,
Sank er in's Gras, und Hirsche, Hasen
Des Freisinns haben ihm zum Possen
Ein fröhlich „Waidmanns Heil!" geblasen.
Mich schmerzt es tief, daß du verschwandest
In der Versenkung, großer Geist,
Noch ehe du die Geister banntest,
Die man die Demokraten heißt.
Vergeblich war dein heißes Streben,
Du hast's gewollt, das sei genug,
Tröstlich, daß dein politisch Leben
So ohne Makel, ohne Lug!
Laß uns, Erhab'ner, Abschied nehmen,
Du ahnst nicht, wie es uns bedrückt;
Wahr wie du selbst ist unser Grämen,
Daß du zu bald uns wardst entrückt.
Du bliebst, so lang' du konntest bleiben,
Stolz gingst du, als gelöst das Band. —
Doch dein System wird Blüthen treiben
Allüberall im deutschen Land.
Der tehte Witter.
Abenteuerliche Erzählung von Kerns ItuX.
Motto: Doch das Schönste an Ruinen
sAZZAHA Ist, daß sie Ruinen sind.
Ruine Drachenstein, einst der Sitz eines verwegenen Raub-
rittergeschlechts, ist fast ganz in Trümmer gefallen. Unheim-
lich muthet es den Fremdling an in den halb eingestürzten
Bogengängen und den Sälen ohne Dach. Von den Thürmen
ertönt Nachts der heisere Schrei der Eule. Nur zwei Stuben sind noch
bewohnbar und in diesen haust, von der Welt abgeschieden, ganz allein
der Letzte des einst blühenden Geschlechts, Kuno von Drachenstein, der
sich den letzten Ritter nennt. Sonderbar sieht er aus, dieser Ritter, denn
er geht einher in Fetzen von lauter mittelalterlichen Gewändern, in einen
weiten durchlöcherten Rittermantel gehüllt. Er ist schon alt und es
geht ihm schlecht, denn er muß von einer winzigen Rente leben. Seine
Vorfahren hatten es besser im romantischen Mittelalter. Sie lauerten
den vorüberziehenden Kaufleuten auf, warfen sie nieder und schleppten
sie nebst ihrem Gut auf das Schloß. Dort mußten sie im Burgverließ
schmachten, bis sie sich loskaufen konnten. Der arme Kuno aber lebt in
der Zeit des Strafgesetzbuches, nach welchem der Bruch des Landfriedens
hart geahndet wird; er kann also Niemand niederwerfen und in's Burg-
verließ sperren. Zur Arbeit ist er zu stolz. Er hat auch einige Waffen
aus der schönen Zeit seiner Ahnen. Als er aber einstens wieder in
dem verrosteten Harnisch und Helm des weiland berühmlen Grafen
Kunibert von Drachenstein ausging, liefen ihm die Dorfjungen nach und
fürchteten sich aar nicht vor ihm, obschon er das gefürchtete zweihändige
Schlachtschwert seines Ahnen umgegürtet hatte. Er ward wegen un-
befugten Waffentragens bestraft und konnte nur mit Mühe verhüten,
daß seine Rüstkammer von der Polizei geleert wurde. Er hat einen
liefen Haß gegen die moderne Zeitrichtung gefaßt, welche das Ritterthum
so schnöde verkennt. Er beschäftigt sich damit, im Walde Kräuter und
Wurzeln zu suchen und damit die schmalen Vorräthe seiner Küche zu
vermehren. Seine übrige Zeit verbringt er damit, in den alten Urkunden
zu studiren, die ihm seine Ahnen hinterlassen haben und in denen genau
verzeichnet steht, wieviel Lanzen jeder Ritter von Drachensteiii beim
Turnier gebrochen und wieviel Gegner er bei seinen Fehden niederge-
worfen. Es ist schade, daß diese welthistorischen Urkunden noch von
keinem Geschichtsschreiber durchforscht worden sind. Ritter Kuno hat den
ganzen Stammbaum seines Geschlechts auswendig gelernt und beschäftigt
sich Morgens und Abends damit, ihn herzusagen.
Einmal aber hat Kuno von Drachenstein doch auch noch ein ritter-
liches Abenteuer zu bestehen gehabt.
Die Kamera illcr.
„Des Dichters Aug', in schönem Wahnsinn rollend",
An dem die Schatten bunt Vorübergehn,
Was hat es nicht, Beachtung selten zollend
Der Wirklichkeit, Phantastisches gesehn!
Doch in den Schatten stellt ein Zeitungsmann
In nnsern Tagen auch die kühnsten Dichter,
Der Träumer, der den schnöden Bund ersann,
Den Bund „Mackenzie-Schrader-Eugen Richter."
Auch du, o Bund der Schwarzen und der Rothen,
Du hattest einstmals eine Blüthezeit —
Nun sinkst zu fahlen, wesenlosen Todten
Du scheu hinab in die Vergessenheit.
Die „Camarilla" bläst dir spöttisch aus
Des armen Daseins windbewegte Lichter;
Wie nimmst du dich prosaisch-nüchtern aus
Verglichen mit „Mackenzie-Schrader-Richter!"
Du durftest dich bedroht zuweilen wähnen
Mit einem tückisch-wilden Todesstreich
Von den Franzosen, Polen, Welsen, Dänen —
Du armes, schwaches, bestgehaßtes Reich.
Doch thuen diese schließlich wenig Harm;
Wie anders wirken da die drei Gesichter
Der Reichsverderber, schreitend Arm in Arm,
Der Schräder, Mackenzie und Eugen Richter!
Als er eines Tages in seiner Kemenate lag und sann, ob der ritter-
liche Glanz seiner Ahnen denn gar nicht wieder herzustellen sei, schlummerte
er ein und es erschien ihm im Traume eine holdlächelnde Fee, die einen
Brief in der Hand hatte. Sie legte den Brief vor ihm nieder, winkte
ihm huldvoll zu und verschwand.
Kuno rieb sich die Augen, sprang auf und spähte ringsumher nach
der lieblichen Erscheinung, allein sie war nirgends mehr zu schauen.
Nachdenklich schritt er zum Walde, um sich Beeren zu sammeln — was
er in neuerer Zeit auch nicht mehr ohne einen Erlanbnißschein thnn darf
— und als er heimkehrte, sah er einen Brief an dem verfallenen Burg-
thor befestigt. Erregt nahm er denselben und las:
„Ruftet Euch, Ritter Kuno, und zieht gewappnet morgen früh um
sieben Uhr aus auf der Straße gen Norden. Dort wird Euch die lieb-
liche Jungfrau begegnen, welche das Schicksal für Euch bestimmt hat."
Kuno konnte sich kaum fassen. Da war ja der Brief der Fee. Er
beschloß, dem geheimnißvollen Rufe zu folgen. Die ganze Nacht konnte
er vor Ausregung kein Auge zuthun. Aber er kramte seine Rüstkammer
aus. Damals besaß er noch einen alten abgelebten Gaul, der ihn zur
Noth noch tragen konnte. Er hing ihm die zerrissene Decke mit Schellen
um, die einst Kunibert von Drachenstein's Schlachtroß getragen; dann
legte er die Rüstung seines berühmten Vorfahren an, gürtete sein Schlacht-
schwert um, nahm die mächtige Lanze zur Hand und schlug Punkt sieben
Uhr die Straße gen Norden ein. Der alte Gaul humpelte verdächtig
einher und versuchte zu wiehern, was ihm aber nur schwach gelang. Die
Vorübergehenden blieben erstaunt stehen und sahen der wunderlichen Er-
scheinung nach. Eine Bremse stach den alten Gaul an einer empfindlichen
Stelle und er setzte sich in einen lahmen Galopp, so daß die verrosteten
Rüstungsstücke des Ritters laut klirrten.
Nach einer Stunde sah Kuno in der Ferne auf der Landstraße eine
Staubwolke, die sich ihm nähert, und als er erwartungsvoll darauf los-
ritt, konnte er bald zwei Gestalten zu Pferd unterscheiden. Es waren
ein Herr und eine Dame.
„Halloh, Ritter Kuno von Drachenstein, haltet an!" rief der Reiter
ihm entgegen und man parirte die
Kuno sah erstaunt hinüber, den.. >.^ .uen Herrn in
eleganter Kleidung mit einem Klemmer auf der Nase und mit einem sehr
pfiffigen, lächelnden Gesicht, der sich freundlich grüßend verbeugte. Neben
ihm aber hielt eine Dame anf einem Schimmel in einem halben Ama-
zonenkostüm und von frappirender eigentümlicher Schönheit. Sie hatte
ein keckes Stumpfnäschen in dem niedlichen Gesicht, blitzende schwarze
Augen, lange schwarze Locken und eine schlanke elegante Figur. Als sie
den Ritter geharnischt und gewappnet erblickte, schüttelte sie ein Lachen,
daß sie schier aus dem Sattel fiel.
„Die Fee! . stammelte Kuno.