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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 5.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.9076#0115
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498

Die Antwort des Bundesraths.

Billige Hände.

^ie war wohl karg genug bemessen,
Die Hoffnung ans den Bundesrath,
Als zur Berathung er gesessen,

Wie man die Arbeit schützt im Staat.
Und wenig war's, was mau verlaugte,

Blutwenig Schntz in großer Noth.

Doch der Bedrängte sicher dankte
Für das Geringste, das man bot.

Das Arbeitskind nur galt's zn retten.

Das des Gesetzes Schntz entbehrt,

Weil an des Hanses Arbeitsstätten
Sich kein Fabrikinspektor kehrt;

Damit es schwerer Arbeit Lasten

Nicht trägt, bis es zn Boden sinkt,
So ward verlangt, daß ihm zum Rasten
Auch eiue Feierstunde winkt.

lind ferner — war der Wnnsch verwegen.
Der zu dem Rath des Bnndes sprach:
Er möge nur Ermittlung Pflegeu

Für den normalen Arbeitstag?
Er soll nicht helfen, soll nicht handeln,

Nein, hören soll er, prüfen nnr.
Um frei dann jenen Weg zu waudelu,
Auf dem er fand des Rechtes Spnr.

Zuletzt — dies wollten selbst die Frommen,

Die nur im Jenseits seh'n das Heil
Der Armen, welche dort bekommen
Von der Glückseligkeit ihr Theil —

Znletzt noch die bescheid'ne Bitte:

Wenn Sonntagsfriede labt die Welt,
Dann sei nach altgewohnter Sitte
Der Arbeit Schaffen eingestellt.

Wann war ein Volk noch so bescheiden,

So schüchtern noch ein Parlament,
Daß es zur Stillung schwerer Leiden

Nicht höheres Erfordern kennt?
Der Bnndesrath, er hat's erwogen,
Soll dis Gewährung er verleih'n?
Er hat die Stirue kraus gezogen
Und rnnd nnd kalt ertönt das Neiu!

Wohl für die Flotten anf den: Meere,

Wohl für der Kriegskuust höchstes Ziel,
Für neue Waffen, nene Heere

Verlangt von ihm man nie zu viel,
Auch für Befreiung fremder Sklaven

Rafft er zum Handelu sich empor,
Der deutschen Arbeit Wüusche trafeu
Bei ihm allem kein off'nes Ohr.

Nun mögen feine Barden singen

Von der „Sozialreform"! Der Tou,
Der rühmende, er wird erklingen

Im Ohr des Volks wie bitt'rer Hohn.
Und Allen, die anf Antwort harrten,

Das kalte, stolze „Nein" genügt.
Sie werden dort nichts mehr erwarten,
Wo selbst die kleinste Hoffnung trügt.

Max Kegel.

(In einem Chemnitzer Geschäft zur Herstellung künstlicher
Blumen werden Kinder von K Jahren gegen einen Wochenlohn
von 20 Pfennigen beschäftigt. > „Presse.")

„Industrie ist stets ein Segen",

Ruft der Handelskammer Mund;

„Alle Kräfte müssen regen
Freudig sich in schönem Bund!"

Wohl — doch leider giebt es Schinder,
Wie wir neulich erst geseh'u,

Die's ausschließlich auf die Kinder
Klüglich haben abgeseh'n.

„Das sind nichtige Beschwerden —

Schon das Kind verdiene Lohn;

Was ein Häkchen einst soll werden,

Krümme sich bei Zeiten schon!"

All die Süße zu erfahren,

Die aus Arbeit uns erblüht,

Ist bei Kindern von sechs Jahren,

Wie ich glaube, doch verfrüht!

„Freilich — doch es muß den Kindern
Wohl in tiefster Seele thun,

Ihrer Eltern Noth zu lindern
Und dann doppelt sanst zu ruh'n."

So? Na, fragen Sie die Kleinen,

Ihre Antwort hör' ich schon,

Und die zwanzig Psenn'ge scheinen
Mir zudem ein Huu—gerlohu.

„Etwas spärlich — nicht zu streiten,

Doch ein Kind wird erst belehrt,

Und in diesen schlechten Zeiten
Hat das kleinste Scherflein Werth."
Nun genug! — in deutschem Lande
Sah man gleichen Jammer nie;

Drum Verderben, Schmach und Schande
Ueber solche „Industrie".

Das Erdbeben in Hinterhausen.

Eine Dorfgeschichte aus der Neuzeit.
Von Hans Flux.

och auf dem Thüringer Wald, weit entfernt von dem Getriebe der
Städte nnd der Eisenbahnen, liegt das Dörflein Hinterhausen.
Seine Bewohner sind lauter wohlhabende Bauern, die mit der
übrigen Welt wenig in Berührung kommen. Diese Leute wissen
wenig von den Wehen und Sorgen des neunzehnten Jahrhunderts. Sie
bebauen ihr Feld und das nährt sie. Im klebrigen sind sie dafür bekannt,
recht abergläubisch zu sein. Mancher Spaßvogel hat sie schon gefoppt. Es
giebt auch eine Dorfhexe zu Hinterhausen, welche das Wetter machen und
das Feuer besprechen kann, und die Bauern halten sich immer gut mit ihr,
damit sie ihnen die Ernte nicht verdirbt und ihre Scheunen nicht abbrennen
läßt, was für solch' eine Hexe natürlich eine Kleinigkeit ist.

Der Schulmeister hat es bei diesen Hinterwäldlern nicht sonderlich gut.
Sein Gehalt ist eine Art Almosen uud er muß bei den Bauern der Reihe
nach zu Mittag essen, wobei er kein gern gesehener Gast ist. Vom Pfarrer
kann er nichts geschenkt kriegen, denn der ist selber ein armer Michel. Da
konnte man es dem derzeitigen Schulmonarchen von Hinterhausen, Herrn
Fürchtegott Meier, wahrhaftig nicht verdenken, wenn er sich nach einer Frau
mit etwas Vermögen umsah. Er war keine anmnthige Erscheinung, denn
er war mehr dürr als schlank, und seine Kleider, die offenbar nicht für ihn
gemacht worden waren, schlotterten um seine Glieder recht unbotmäßig herum.
Aber er hatte ein ehrliches, treuherziges und angenehmes Gesicht und man
durfte hoffen, daß bei besserer Verpflegung sich auch etwas mehr Symmetrie
in seinen Körperformen einstellen werde. Vorläufig jedoch sah der arme
Schulmeister manchmal wirklich aus, wie die theure Zeit selber.

Woher sollte er auch eine passende Frau nehmen? Von auswärts hatte
er schon mehrere Körbe erhalten, denn kein Mädchen wollte nach Hinterhausen
heirathen. So blieb dem armen Schulmeister nichts übrig, als ein Mädchen
von Hinterhausen selber zu freien, denn Aussicht, nach einem besseren Ort
versetzt zu werden, hatte er keine. Und in Hinterhausen selbst sah es für
den Herrn Fürchtegott Meier nicht günstig aus, deuu die Bauern hielten
darauf, daß die Töchter so und so viel Morgen Ackerland und so und so viel
Stück Vieh in die Familie herein heiratheten, und Herr Meier nannte nicht
einmal ein Schaf oder eine Ziege sein eigen, geschweige denn ein Pferd oder
eine Koppel Rindvieh.

Da fiel mit einem Male ein Sonnenstrahl in die Einöde seines Daseins,
und dieser Sonnenstrahl kam aus den blauen Augen einer schönen Hinter-
häuseriu.

Eines Tags mußte der Schulmeister beim Moorbauer zu Mittag essen,
da an diesen die Reihe gekommen, dem Schulmeister sein Futter zu reichen,
wie die Baueru von Hinterhausen sich zart auszudrücken Pflegen. Der Moor-

bauer hatte seinen Namen davon, daß er ein Stück Moorland ausgetrocknet
und in Ackerboden verwandelt hatte. Er war ein harter und eigensinniger
Bauer, aber vielleicht am meisten abergläubisch von allen Hinterhäuser Bür-
gern. Der Schulmeister ging nicht gern zum Moorbauern, denn wenn ihn
dort auch ein kräftiges Mahl erwartete, so wurde es keineswegs angenehm
gewürzt durch das brummige und barsche Wesen des Moorbauern. Mit
trübem Antlitz erschien der Bildner der Dorfjugend, um seine Mahlzeit hinab-
zuwürgen.

Aber es sollte diesmal nicht so schlimm werden, denn des Moorbauern
einzig Töchterlein war aus dem nächsten Städtchen, wo sie bei entfernten
Verwandten auf einige Wochen zu Besuch gewesen, zurückgekehrt, und ihr
goldig blondes Haar erfüllte die rauchgeschwärzte Stube des Moorbauern wie
mit einem sonnig hellen Schein. Sie war hübsch, rosig, schlank und flink,
immer munter und ihre blauen Augen blickten stets schalkhaft in die Welt.
Lieschen war durch ihren Aufenthalt in der Stadt eine angesehene Persön-
lichkeit in Hinterhansen geworden, denn sie hatte nun mehr von der Welt
gesehen, als alle anderen Hinterhäuser Schönen. Sie trug sich auch ein wenig
städtisch, wenn gleich der Moorbauer dazu brummte.

Lieschen empfing den Schulmeister freundlich, was dem eingetretenen
Gast recht wohl that, uud sie plauderte recht liebenswürdig mit ihm. Dem
armen Schulmeister ward ganz warm um's Herz und von seinen Lippen floß
ein Redestrom, daß der Moorbauer ganz erstaunt dreinsah. Er wischte sich
den Mund und ging brummend hinaus, während die beiden jungen Leute
sitzen blieben. Sie plauderten noch eine Weile; dann meinte Lieschen ganz
treuherzig:

„Wollen Sie mich nicht in den Garten begleiten und meine Gemüse
begießen helfen?"

„Gewiß!" meinte Herr Meier, und sie gingen.

Daß wir's kurz machen, den jungen Leuten ging der Stern einer lebens-
warmen Zuneigung auf, und eines schönen Tages überraschte der Moorbauer
das Paar, wie Lieschen gerade ihre Arme zärtlich um den Hals des Schul-
meisters geschlungen hatte. Sie fuhren auseinander; der Moorbauer aber
sprach spottend:

„Dazu habe ich meine Tochter in die Stadt geschickt, um Bildung zu
lernen, damit sie sich uuu dem Huugerleider an den Hals wirft".

„Aber ich habe ihn gern", sagte Lieschen schüchtern.

„Narrenspossen", polterte der Moorbauer grob. „Marsch, in's Haus
an die Arbeit! Und Sie, Herr Schulmeister, lassen sich nicht mehr bei
mir sehen".

Die Liebenden mußten sich trennen, Lieschen in Thränen, Meier voll
Wuth nnd Aerger. Aber er erhielt noch denselben Abend ein Briefchen von
seiner Geliebten mit der Versicherung, daß sie nie von ihm lassen werde.

Doch wie den Alten herumbringen?

Meier zerbrach sich lange den Kops uud blickte finster drein; aber endlich
sah man ihn fröhlich umherwandeln. Er hatte seinen Plan.

Der Herbst war gekommen, die Erntearbeiteu waren beendet und die
 
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