Jahrg. IV, Nr. 39 vom 28. September 1930
WELTKUNST
15
vollkommen erlag. Durch den Tod seiner
Ellern war er gezwungen, sein Studium ohne
Abschlußprüfung abzubrechen und eine Haus-
lehrerstelle in dem Flecken Brinkum nahe bei
Bremen anzunehmen. In der ländlichen Shlle
reifte bei ihm der Plan zu einer genialen Ge-
schichtsfälschung mit der Absicht, sich an sei-
nen früheren Lehrern für sein verpfuschtes
Studium zu rächen. Er lancierte in die Zei-
tungen die Nachricht, daß ihm durch einen
Portugiesischen Offizier die seit langem ge-
suchte Abschrift des phönizischen Historikers
Sanchoniathon in der Clberseßung des Philo
geschenkt worden sei. 1836 veröffentlichte er
einen Auszug aus diesem Werke, dem er so-
gar ein Faksimile der (gefälschten) Hand-
schrift beifügte. Es gelang ihm, selbst
Kenner der Literatur, wie Dr. E. F. Grotefend
in Hannover, zu täuschen. Ja, dieser ließ sich
sogar dazu bestimmen, dem Werke ein
empfehlendes Vorwort mit auf den Weg zu
geben.
Wie uns Hoffmann von Fallersleben be-
richtet, kam er bei seinem Aufenthalte in
iung nicht nur die Kenntnis der phönizischen
Welt, sondern auch die Lust an einer ernsten
Arbeit, nachdem der Anreiz der Irreführung
verflogen war. Nach diesem Hauptschlage
gab sich der Verfasser einem zügellosen
Leben hin, und erst im Jahre 1844 begann er,
wie sich schon im „Sanchoniathon“ Schil-
derungen „Bremer Volkssitten“ befinden, eine
Schrift „Skizzen aus dem Bremer Volks-
leben“ herauszugeben.
Ihnen folgte das Werk, das Wagenfelds
Namen für Bremen verewigt hat, „Bremens
Volkssagen“. Es war ursprünglich auf einen
Band berechnet, aber als das Werk, das in
Lieferungen erschien, guten Absafe fand, ent-
schloß er sich, einen zweiten Band zu ver-
öffentlichen. Leider erschienen von diesem
nur zwei Hefte, da Wagenfeld gleichzeitig
ein weiteres Werk: „Die Kriegsfahrten der
Bremer zu Lande und zu Wasser zur Be-
gründung und Beschirmung ihrer Unabhängig-
keit“ herausgab. Außerdem war er Redak-
teur des Bremer Unterhaltungsblattes und
hauptsächlicher Beiiräger seines Blattes. Sein
Anonymer italienischer Stecher um 1450, Hieronymus
In der „feinen Manier" der Florentiner Schule •—• Unikum
Versteigerung bei C. G. Boerner, Leipzig, am n.—13. November 1930
Graveur italien anonyme, Saint Jerome
Dans la „moniere douce“ de Vecole florentine — Exemplaire unique
Vente par C. G. Boerner, ä Leipzig, les n—13 Novembre 1930
Anonymous italian engraver, Saint Hieronymus
In t he „fine männer“ of the florentine school — Only impression known
To be sold by auction by C. G. Boerner, Leipzig, on the 11 th—13 th of November 1930
Bremen im Jahre der Veröffentlichung der
Fälschung mit Wagenfeld zusammen und er
sagte von ihm: „Wenn man diesen gut-
mütigen, harmlosen Menschen sah, so konnte
man nicht glauben, daß ein solcher Schalk da-
hinter steckte“ (s. hierzu Hoffmann von Fal-
lersleben in Bremen, Bremen 1927).
Durch diesen Meinungsstreit „Falsch oder
echt“ war Wagenfeld gezwungen, nun außer
dem kurzen Auszuge das vollständige Werk
zu veröffentlichen, und nun gab er im folgen-
den Jahre dieses in lateinischer Sprache her-
aus. Jefef wurde aber die Fälschung von allen
Seiten als solche erkannt, denn Wagenfeld
fehlte zu einer wissenschaftlichen Ausarbei-
Körper aber war nach den vorhergehenden
Ausschweifungen den Anstrengungen des
journalistischen Berufes nicht mehr gewach-
sen; nach kurzer Krankheit verstarb er am
26. August 1846.
Tragisch ist es, daß einer der begabtesten
„Dichter" Bremens an sich selbst zugrunde
ging und mit ihm ein Talent zu Grabe ge-
tragen wurde, das zu höchsten Leistungen be-
fähigt war, aber durch seine Charakterlosig-
keit und Willensschwäche zerbrach.
(Biographie und Bibliographie von Wagen-
felds Werken siehe: Bremens Volkssagen
(4. Gabe der Br. B. G.), herausgegeben von
H. Kasten, Bremen, 1928.)
Kupferstiche
Leipzig, Vorb. 11.-13. November
Eines der bedeutendsten Ereignisse am
Markt alter Graphik verspricht die Versteige-
rung der Firma C. G. Boerner am 11. bis
13. November zu werden, die einen zweiten
Teil von Dubletten der Eremitage und anderer
öffentlicher Sammlungen der Sowjet-Union
enthält. Der Katalog gibt einen Überblick über
ÖQs gesamte graphische Gebiet bis gegen
Ende des 17. Jahrhunderts.
Unter den nordischen Inkunabeln des
Kupferstiches ragen Blätter vom Meister
alter Meister
E. S., dem Meister mit den Band-
r °. e n, und Schongauer hervor. Von
frühen italienischen Stichen erwähnen wir vor
allem den herrlichen Stich eines anonymen
Florentiner Quattrocentisten, der den „Heiligen
Hieronymus“ darstellt und um die Mitte des
Jahrhunderts datiert werden muß (Abb. oben).
In gleicher Weise sensationell verspricht das
Vorkommen einer ganzen Serie der in guter
Qualität so seltenen Stiche des Andrea M an-
te g n a zu werden, unter der sich außer der
großen „Beweinung“ im Querformat auch die
„Auferstehung Christi zwischen Andreas und
WEISS & CO. ANTIQUARIAT
MÜNCHEN - KAROLINENPLATZ 1
MITTELALTERLICHE HANDSCHRIFTEN
MINIATUREN
INKUNABELN - HOLZSCHNITTWERKE
EINBÄNDE
KUPFERSTICHE - HANDZEICHNUNGEN
CJT.l/.OC/'jri WUNSCH
H. Gilhofer & H. Ranschburg
Aktiengesellschaft
LUZERN Alpenstraße 6 SCHWEIZ
Anfangs Oktober erscheint:
LAGER-KATALOG XXV.
Meisterwerke der Graphik
des XV.-XVIII. Jahrhunderts.
Der reich illustrierte Katalog umfaßt:
Eine ausgewählte Sammlung von ganz seltenen Kupferstichen des 15. Jahr-
hunderts. Von Meckenem: Das nur in wenigen Exemplaren bekannte
Selbstbildnis mit seiner Frau Ida in einem wundervollen und tadellos er-
haltenen Abdruck; Der heilige Christophorus; Der heilige Thaddäus u. a. /
Von Martin Schongauer: Herrliche, ganz frühe Drucke aus der Passions-
folge; ferner: Der heilige Michael; Der heilige Sebastian u. a. / Eine Serie
kostbarer Kupferstiche und Holzschnitte Albrecht Dürers. Darunter: Der
heilige Hubertus in einem herrlichen Abdruck; Die Amymone; DieWirkung
der Eifersucht; Der Traum und einige Madonnendarstellungen in Drucken
von erster Qualität.
Kostbare Radierungen von Rembrandt in erlesenen
frühen Drucken.
Seltene Graphik von:
BaccioBaldini I Breughel / Cranach / Goltzius / Baldung
Grien/Holbein/Lautensack/Wierix u. a.
Die Deutschen Kleinmeister
Eine Abteilung seltener Ornamentstiche
Der reich illustrierte Katalog wird auf Wunsch zugesandt
Preis M. 4.—
WELTKUNST
15
vollkommen erlag. Durch den Tod seiner
Ellern war er gezwungen, sein Studium ohne
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reifte bei ihm der Plan zu einer genialen Ge-
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tungen die Nachricht, daß ihm durch einen
Portugiesischen Offizier die seit langem ge-
suchte Abschrift des phönizischen Historikers
Sanchoniathon in der Clberseßung des Philo
geschenkt worden sei. 1836 veröffentlichte er
einen Auszug aus diesem Werke, dem er so-
gar ein Faksimile der (gefälschten) Hand-
schrift beifügte. Es gelang ihm, selbst
Kenner der Literatur, wie Dr. E. F. Grotefend
in Hannover, zu täuschen. Ja, dieser ließ sich
sogar dazu bestimmen, dem Werke ein
empfehlendes Vorwort mit auf den Weg zu
geben.
Wie uns Hoffmann von Fallersleben be-
richtet, kam er bei seinem Aufenthalte in
iung nicht nur die Kenntnis der phönizischen
Welt, sondern auch die Lust an einer ernsten
Arbeit, nachdem der Anreiz der Irreführung
verflogen war. Nach diesem Hauptschlage
gab sich der Verfasser einem zügellosen
Leben hin, und erst im Jahre 1844 begann er,
wie sich schon im „Sanchoniathon“ Schil-
derungen „Bremer Volkssitten“ befinden, eine
Schrift „Skizzen aus dem Bremer Volks-
leben“ herauszugeben.
Ihnen folgte das Werk, das Wagenfelds
Namen für Bremen verewigt hat, „Bremens
Volkssagen“. Es war ursprünglich auf einen
Band berechnet, aber als das Werk, das in
Lieferungen erschien, guten Absafe fand, ent-
schloß er sich, einen zweiten Band zu ver-
öffentlichen. Leider erschienen von diesem
nur zwei Hefte, da Wagenfeld gleichzeitig
ein weiteres Werk: „Die Kriegsfahrten der
Bremer zu Lande und zu Wasser zur Be-
gründung und Beschirmung ihrer Unabhängig-
keit“ herausgab. Außerdem war er Redak-
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hauptsächlicher Beiiräger seines Blattes. Sein
Anonymer italienischer Stecher um 1450, Hieronymus
In der „feinen Manier" der Florentiner Schule •—• Unikum
Versteigerung bei C. G. Boerner, Leipzig, am n.—13. November 1930
Graveur italien anonyme, Saint Jerome
Dans la „moniere douce“ de Vecole florentine — Exemplaire unique
Vente par C. G. Boerner, ä Leipzig, les n—13 Novembre 1930
Anonymous italian engraver, Saint Hieronymus
In t he „fine männer“ of the florentine school — Only impression known
To be sold by auction by C. G. Boerner, Leipzig, on the 11 th—13 th of November 1930
Bremen im Jahre der Veröffentlichung der
Fälschung mit Wagenfeld zusammen und er
sagte von ihm: „Wenn man diesen gut-
mütigen, harmlosen Menschen sah, so konnte
man nicht glauben, daß ein solcher Schalk da-
hinter steckte“ (s. hierzu Hoffmann von Fal-
lersleben in Bremen, Bremen 1927).
Durch diesen Meinungsstreit „Falsch oder
echt“ war Wagenfeld gezwungen, nun außer
dem kurzen Auszuge das vollständige Werk
zu veröffentlichen, und nun gab er im folgen-
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aus. Jefef wurde aber die Fälschung von allen
Seiten als solche erkannt, denn Wagenfeld
fehlte zu einer wissenschaftlichen Ausarbei-
Körper aber war nach den vorhergehenden
Ausschweifungen den Anstrengungen des
journalistischen Berufes nicht mehr gewach-
sen; nach kurzer Krankheit verstarb er am
26. August 1846.
Tragisch ist es, daß einer der begabtesten
„Dichter" Bremens an sich selbst zugrunde
ging und mit ihm ein Talent zu Grabe ge-
tragen wurde, das zu höchsten Leistungen be-
fähigt war, aber durch seine Charakterlosig-
keit und Willensschwäche zerbrach.
(Biographie und Bibliographie von Wagen-
felds Werken siehe: Bremens Volkssagen
(4. Gabe der Br. B. G.), herausgegeben von
H. Kasten, Bremen, 1928.)
Kupferstiche
Leipzig, Vorb. 11.-13. November
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Markt alter Graphik verspricht die Versteige-
rung der Firma C. G. Boerner am 11. bis
13. November zu werden, die einen zweiten
Teil von Dubletten der Eremitage und anderer
öffentlicher Sammlungen der Sowjet-Union
enthält. Der Katalog gibt einen Überblick über
ÖQs gesamte graphische Gebiet bis gegen
Ende des 17. Jahrhunderts.
Unter den nordischen Inkunabeln des
Kupferstiches ragen Blätter vom Meister
alter Meister
E. S., dem Meister mit den Band-
r °. e n, und Schongauer hervor. Von
frühen italienischen Stichen erwähnen wir vor
allem den herrlichen Stich eines anonymen
Florentiner Quattrocentisten, der den „Heiligen
Hieronymus“ darstellt und um die Mitte des
Jahrhunderts datiert werden muß (Abb. oben).
In gleicher Weise sensationell verspricht das
Vorkommen einer ganzen Serie der in guter
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MINIATUREN
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EINBÄNDE
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CJT.l/.OC/'jri WUNSCH
H. Gilhofer & H. Ranschburg
Aktiengesellschaft
LUZERN Alpenstraße 6 SCHWEIZ
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LAGER-KATALOG XXV.
Meisterwerke der Graphik
des XV.-XVIII. Jahrhunderts.
Der reich illustrierte Katalog umfaßt:
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hunderts. Von Meckenem: Das nur in wenigen Exemplaren bekannte
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haltenen Abdruck; Der heilige Christophorus; Der heilige Thaddäus u. a. /
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folge; ferner: Der heilige Michael; Der heilige Sebastian u. a. / Eine Serie
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