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WELTKUNST
Jahrg, IV, Nr. 39 vom 28. September 1930
Schongauer: Kreuztragung
Le portement de croix — Christ carrying the cross
(B. 21 — L. 9)
MEISTER-
GRAPHIK
VON
SCHONGAUER
BIS
MATISSE
Matisse: Liegende Frau
Femme etendue — Vornan lying down
(25 x 37,5 cm)
MARCEL GUIOT
4, RUE VOLNEY
PARIS
Longinus“, die „Jungfrau mit dem Kinde" und
der „Kampf der Seegötter“ (von zwei Platten)
befinden. Giulio Campagnola ist mit einer in
nur ganz wenigen Exemplaren nachgewiesenen
„Venus in einer Landschaft“ vertreten, der
Meister mit der Mausefalle mit der „Heiligen
Anna selbdritt“, Montagna mit einer „Geburt
des Adonis“. Aus der Abteilung Dürer
führen wir in erster Linie einen ganz vollkom-
menen, brillanten Abdruck des „Heiligen
Hieronymus in der Zelle“ auf, der zu den
schönsten bekannten Exemplaren zählen
dürfte, ferner ausgezeichnete Abdrucke von
„Adam und Eva“, der „Geburt Christi“, dem
„Heiligen Hubertus“ und der „Jungfrau mit der
Birne". Von der Dürerschen Kupferstich-
Passion liegt ein Exemplar von außergewöhn-
licher Qualität vor. Die niederländischen und
deutschen Meister neben Dürer bringen Sel-
tenheiten von Lukas van Leyden, Dirk Vellert
sowie von deutschen Kleinmeistern und Land-
schaftern wie Hirschvogel und Laufensack.
Unter den R e m b r a n d t - Radierungen
ist ohne Zweifel das Hauptstück ein herrlicher
Abdruck der „Darstellung im Tempel“ im
Hochformat. Dieses Exemplar ist dem Abdruck
der Sammlung Davidsohn, der vor zweiein-
halb Jahren in der Boernerschen Auktion mit
dem Aufgeld über 40 000 M. gebracht hat,
durchaus ebenbürtig. Zu erwähnen sind von
anderen kostbaren Rembrandts ausgezeich-
nete Abdrücke der „Drei Kreuze“, des „Tri-
umphs des Mardochai“, „Christus lehrend“,
ferner ein Frühdruck des Asselyn-Porträts,
sowie ein halbes Dutzend der gesuchten Land-
schaften des Meisters. Andere Künstler des
17. Jahrhunderts, wie Hollar und Ostade, sind
durch umfängliche Werke vertreten. Von
Delff, de Gheyn und Matham gibt es gleich-
falls Raritäten und frühe Zustände, die heut-
zutage von den Niederländer Interessenten
hoch bezahlt werden.
Der Katalog enthält außerdem einige
wenige Zeichnungen, darunter ein ausgeführtes
größeres Ostade-Aquarell, und eine Spezial-
sammlung altkolorierter deutscher und
schweizerischer Städte-Ansichten von un-
gewöhnlicher Frische.
Die Bibliophilie und die Handelsbräuche
Die Überschrift hat keinerlei Spiße gegen
die Antiquare. Es handelt sich nicht um
Streitigkeiten zwischen Bibliophilen und An-
tiquaren, wie sie auch bei dem Bestreben um
höchst korrekte Abwicklung der Geschäfte nie
ganz unvermeidbar sein werden, sondern
um Schaffung eines Mittels, Differenzen
aufs wirklich mögliche Mindestmaß zu be-
schränken.
Der Vorstand des Vereins der deutschen
Antiquariats- und Exportbuchhändler hat nun
den Mitgliedern der Weimarer Bibliophilen-
suchen. Ein weiterer prinzipieller Fehler
scheint der zu sein, daß die Geschäfte der An-
tiquare untereinander von den Geschäften mit
ihrer Kundschaft nicht durchaus getrennt be-
handelt sind. Die Usancen der Händler unter-
einander weichen von den arfgleichen Ge-
schäften mit der Kundschaft in vielen Fällen
ab. ♦
Ein Usancen-Codex hat den Zweck, bei
Streitigkeiten diejenigen Normen authentisch
festgelegt zu haben, die für den Streitfall
auf einem bestimmten Gebiet, hier also im An-
Heiliger Andreas, Schrotblatt um 1465
Unikum —- 25,2:17,7cm — Kat. Nr. 2
Versteigerung bei Hollstein & Puppel, Berlin, am 7. u. 8. November
St. Andre, Maniere creblee, vers 1465
Exemplaire unique — 25,2:17,7 cent. — No 2 du Cat.
Vente par Hollstein & Puppel, Berlin, les 7 et 8 Novembre 193°
St. Andrew, Dotted print, about 1465
Only impression known — 25,2:17,7 cent. — No. 2 of the catalogue
To be sold by auction by Hollstein & Puppel, Berlin, on the 7th and 8th of November 198°
Gesellschaft eine Broschüre vorgelegf, die den
Titel trägt „Handelsbräuche beim An- und
Verkauf von antiquarischen Büchern, Hand-
schriften und Graphik (Usancen-Codex des
Antiquariatsbuchhandels)“. Die Broschüre, als
Manuskript gedruckt, ist als Entwurf be-
zeichnet.
Der Versuch, die Handelsbräuche festzu-
legen, ist von höchster Wichtigkeit für den
Bibliophilen. Der vorgelegte Entwurf scheint
aber vor allem dadurch in vielem schon prin-
zipiell fehlzugehen, daß er nicht die wirklich
bestehenden geltenden Handelsbräuche sam-
melt, sondern vielmehr Handelsbräuche aufzu-
stellen bemüht ist. Er ist, juristisch gesprochen,
keine Kodifikation, sondern ein Geseßentwurt,
also keine Sammlung bestehender Normen,
wie es ein Codex der Usancen eben durchaus
bleiben muß. Zunächst dürfte es für einen
Usancen-Codex, um alle Mißverständnisse
von vornherein auszuscheiden, durchaus ab-
wegig sein, im Vorwort eine Definition für die
wirtschaftliche Stellung des Antiquars zu
tiquariatsgeschäft, Geltung haben und die
über die im bürgerlichen Recht, also auch im
Handelsrecht gesefeten legalen Bestimmungen
hinausgehen oder diese abändern. Der
Usancen-Codex ist also ein Gesetzbuch, das
vor allem für den Richter da ist, und gerade
aus diesem Grunde ist es notwendig, äußerste
eindeutige Klarheit zu schaffen und vor allem
alles auszuschalten, was nicht in dies Geseß-
buch gehört, entweder weil es mit der Sache
nichts zu tun hat, wie z. B. Erwägungen wirt-
schaftlicher Art oder was über die Sache
selbst, d. h. über das Gewohnheitsrecht hin-
ausgreift, weil ein solches in dem Maße nicht
existiert und tatsächlich nur vorgetäuscht wird.
Vor allem müssen, wie gesagt, die Geschäfte
mit dem Publikum durchaus von den Ge-
schäften der Händler untereinander getrennt
gehalten werden.
Um auf die einzelnen Bestimmungen des
Vorschlages einzugehen, so ist es schon
zweifelhaft, ob die in der Einleitung formu-
lierte Definition des Handelsgegenstandes,
WELTKUNST
Jahrg, IV, Nr. 39 vom 28. September 1930
Schongauer: Kreuztragung
Le portement de croix — Christ carrying the cross
(B. 21 — L. 9)
MEISTER-
GRAPHIK
VON
SCHONGAUER
BIS
MATISSE
Matisse: Liegende Frau
Femme etendue — Vornan lying down
(25 x 37,5 cm)
MARCEL GUIOT
4, RUE VOLNEY
PARIS
Longinus“, die „Jungfrau mit dem Kinde" und
der „Kampf der Seegötter“ (von zwei Platten)
befinden. Giulio Campagnola ist mit einer in
nur ganz wenigen Exemplaren nachgewiesenen
„Venus in einer Landschaft“ vertreten, der
Meister mit der Mausefalle mit der „Heiligen
Anna selbdritt“, Montagna mit einer „Geburt
des Adonis“. Aus der Abteilung Dürer
führen wir in erster Linie einen ganz vollkom-
menen, brillanten Abdruck des „Heiligen
Hieronymus in der Zelle“ auf, der zu den
schönsten bekannten Exemplaren zählen
dürfte, ferner ausgezeichnete Abdrucke von
„Adam und Eva“, der „Geburt Christi“, dem
„Heiligen Hubertus“ und der „Jungfrau mit der
Birne". Von der Dürerschen Kupferstich-
Passion liegt ein Exemplar von außergewöhn-
licher Qualität vor. Die niederländischen und
deutschen Meister neben Dürer bringen Sel-
tenheiten von Lukas van Leyden, Dirk Vellert
sowie von deutschen Kleinmeistern und Land-
schaftern wie Hirschvogel und Laufensack.
Unter den R e m b r a n d t - Radierungen
ist ohne Zweifel das Hauptstück ein herrlicher
Abdruck der „Darstellung im Tempel“ im
Hochformat. Dieses Exemplar ist dem Abdruck
der Sammlung Davidsohn, der vor zweiein-
halb Jahren in der Boernerschen Auktion mit
dem Aufgeld über 40 000 M. gebracht hat,
durchaus ebenbürtig. Zu erwähnen sind von
anderen kostbaren Rembrandts ausgezeich-
nete Abdrücke der „Drei Kreuze“, des „Tri-
umphs des Mardochai“, „Christus lehrend“,
ferner ein Frühdruck des Asselyn-Porträts,
sowie ein halbes Dutzend der gesuchten Land-
schaften des Meisters. Andere Künstler des
17. Jahrhunderts, wie Hollar und Ostade, sind
durch umfängliche Werke vertreten. Von
Delff, de Gheyn und Matham gibt es gleich-
falls Raritäten und frühe Zustände, die heut-
zutage von den Niederländer Interessenten
hoch bezahlt werden.
Der Katalog enthält außerdem einige
wenige Zeichnungen, darunter ein ausgeführtes
größeres Ostade-Aquarell, und eine Spezial-
sammlung altkolorierter deutscher und
schweizerischer Städte-Ansichten von un-
gewöhnlicher Frische.
Die Bibliophilie und die Handelsbräuche
Die Überschrift hat keinerlei Spiße gegen
die Antiquare. Es handelt sich nicht um
Streitigkeiten zwischen Bibliophilen und An-
tiquaren, wie sie auch bei dem Bestreben um
höchst korrekte Abwicklung der Geschäfte nie
ganz unvermeidbar sein werden, sondern
um Schaffung eines Mittels, Differenzen
aufs wirklich mögliche Mindestmaß zu be-
schränken.
Der Vorstand des Vereins der deutschen
Antiquariats- und Exportbuchhändler hat nun
den Mitgliedern der Weimarer Bibliophilen-
suchen. Ein weiterer prinzipieller Fehler
scheint der zu sein, daß die Geschäfte der An-
tiquare untereinander von den Geschäften mit
ihrer Kundschaft nicht durchaus getrennt be-
handelt sind. Die Usancen der Händler unter-
einander weichen von den arfgleichen Ge-
schäften mit der Kundschaft in vielen Fällen
ab. ♦
Ein Usancen-Codex hat den Zweck, bei
Streitigkeiten diejenigen Normen authentisch
festgelegt zu haben, die für den Streitfall
auf einem bestimmten Gebiet, hier also im An-
Heiliger Andreas, Schrotblatt um 1465
Unikum —- 25,2:17,7cm — Kat. Nr. 2
Versteigerung bei Hollstein & Puppel, Berlin, am 7. u. 8. November
St. Andre, Maniere creblee, vers 1465
Exemplaire unique — 25,2:17,7 cent. — No 2 du Cat.
Vente par Hollstein & Puppel, Berlin, les 7 et 8 Novembre 193°
St. Andrew, Dotted print, about 1465
Only impression known — 25,2:17,7 cent. — No. 2 of the catalogue
To be sold by auction by Hollstein & Puppel, Berlin, on the 7th and 8th of November 198°
Gesellschaft eine Broschüre vorgelegf, die den
Titel trägt „Handelsbräuche beim An- und
Verkauf von antiquarischen Büchern, Hand-
schriften und Graphik (Usancen-Codex des
Antiquariatsbuchhandels)“. Die Broschüre, als
Manuskript gedruckt, ist als Entwurf be-
zeichnet.
Der Versuch, die Handelsbräuche festzu-
legen, ist von höchster Wichtigkeit für den
Bibliophilen. Der vorgelegte Entwurf scheint
aber vor allem dadurch in vielem schon prin-
zipiell fehlzugehen, daß er nicht die wirklich
bestehenden geltenden Handelsbräuche sam-
melt, sondern vielmehr Handelsbräuche aufzu-
stellen bemüht ist. Er ist, juristisch gesprochen,
keine Kodifikation, sondern ein Geseßentwurt,
also keine Sammlung bestehender Normen,
wie es ein Codex der Usancen eben durchaus
bleiben muß. Zunächst dürfte es für einen
Usancen-Codex, um alle Mißverständnisse
von vornherein auszuscheiden, durchaus ab-
wegig sein, im Vorwort eine Definition für die
wirtschaftliche Stellung des Antiquars zu
tiquariatsgeschäft, Geltung haben und die
über die im bürgerlichen Recht, also auch im
Handelsrecht gesefeten legalen Bestimmungen
hinausgehen oder diese abändern. Der
Usancen-Codex ist also ein Gesetzbuch, das
vor allem für den Richter da ist, und gerade
aus diesem Grunde ist es notwendig, äußerste
eindeutige Klarheit zu schaffen und vor allem
alles auszuschalten, was nicht in dies Geseß-
buch gehört, entweder weil es mit der Sache
nichts zu tun hat, wie z. B. Erwägungen wirt-
schaftlicher Art oder was über die Sache
selbst, d. h. über das Gewohnheitsrecht hin-
ausgreift, weil ein solches in dem Maße nicht
existiert und tatsächlich nur vorgetäuscht wird.
Vor allem müssen, wie gesagt, die Geschäfte
mit dem Publikum durchaus von den Ge-
schäften der Händler untereinander getrennt
gehalten werden.
Um auf die einzelnen Bestimmungen des
Vorschlages einzugehen, so ist es schon
zweifelhaft, ob die in der Einleitung formu-
lierte Definition des Handelsgegenstandes,