Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 4.1930

DOI Heft:
Nr. 41 (12. Oktober)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44979#0050
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

WELTKUNST

Jahrg. IV, Nr. 41 vom 12. Oktober 1930

Strahlenglorie“ oder das Meisterwerk der
Reifezeit, „Der Magdalenentanz“, in außer-
gewöhnlicher Frische. Eine detaillierte Auf-
zählung könnte kaum ein Blatt auslassen, das
nicht durch Seltenheit oder Schönheit des
Druckes besondere Berücksichtigung bean-
spruchte. Lippmanns bekanntes Wortspiel:
„Leyden ist immer ein Leiden“ bewahrheitet
sich hier zum erstenmal seit vielen Jahr-
zehnten nicht mehr.
Der zweite große holländische Graphiker
steht dahinter nicht zurück: Rembrandt.
Blätter wie „La petite tombe“, „Jan Asselijn“
im zweiten Zustand, „Hieronymus bei dem
Weidenstumpf“ oder die Reihe der meister-
lichen Landschaften, von denen wir eine auf
dieser Seite abbilden, geben in den vorliegen-
den Druckgualifäten ein besseres und ein-
druckvolleres Bild von der Genialität dieses

Meisters als lange Reihen mittelmäßiger Ab-
drucke.
Die gleichmäßig schöne Erhaltung verdankt
diese Kupferstichsammlung der Tatsache, daß
sie, unbekannt in einer freiherrlichen Schloß-
bibliothek in Klebebänden aufbewahrt, seit
langen Zeiten unberührt von Menschenhand
ein verborgenes Dasein bis zu ihrer jeßigen
Wiederentdeckung geführt hat. So erklärt
es sich auch, daß bei dieser Versteigerung
den umfangreichen Oeuvres der Kleinmeisler,
wie Altdorfer, Aldegrever, Cranach, Goltrius,
Brueghel, Callot u. a., die allergrößte Beach-
tung beigemessen werden darf.
Der Katalog ist bibliographisch vor allem
wichtig durch die guten Lichtdrucke nach den
Holzschnitt-Unica, die bisher nicht in so klaren
und eindrucksvollen Abbildungen bekannt
waren. W. R. D.

Watteau — wer die anderen Hauptwerke
dieses Meisters sehen will, muß im Berliner
Schloß die Bilder aus dem Besiß Friedrichs
d. Gr. aufsuchen.
Eine besondere Kostbarkeit als Galerie-
raum stellt schließlich der Saal des italie-
nischen 18. Jahrhunderts dar, den man von
dem Kabinett mit den Fresken Tiepolos aus
betritt: Tiepolos Marterbild der heiligen
Agathe strahlt von der einen Wand, und

gegenüber hängt die Reihe der venezianischen
Landschaften Canalettos und Guardis. Von
diesem Raume aus wird man auf dem Über-
gang über die Stadtbahn zum Deutschen Mu-
seum hinübergehen. Schon jeßt aber kann die
neugeordnete Galerie des Kaiser-Friedrich-
Museums zeigen, welche ungeahnten neuen
Werfe an Schönheit ein Museum entfalten
kann, das alte Geschmackskultur mit feinem
historischem Verständnis ausbreitet. Dr. R.

Rembrandt in der ^Staatlichen
Graphischen ^Sammlung in München




Rembrandt, Die Hütte und der Heuschober
Radierung, B. 225, H. 177 — Kat. Nr. 568
Versteigerung durch Hollstein & Puppet, Berlin, am 7. und 8. November 1930
Rembrandt, Paysage avec la chaumiere et le fenil
Eau forte, B. 225, H. lyy — No 568 du Cat.
Pente par Hollstein & Puppet, Berlin, les 7 et 8 Novembre 93
Rembrandt, Landscape with the cottage and kay-stock
Etching, B. 225, H. 177 — No. 568 in the ,, , ..
To be sold by auction by Hollstein 6- Pappel, Berlin, on the 7th ana m Of November X930

Beantwortung interessieren kann, wäre gegen-
standslos, wenn nicht bei jedem Blatt die
etwaigen Bedenken, die versuchte Zuweisung
an einen Schüler oder die Gründe für die Ab-
lehnung als Kopie oder Fälschung angemerkt
wären. Daneben aber auch eingehende Hin-
weise, verbunden mit Vergleichsmaterial, auf
die Stellung des Blattes im Werke des
Meisters.

Skizze zur Beschneidung in Braun-
schweig kann man wirklich die Gründe nicht
finden, die zu einer Abweisung berechtigen.
So müßten noch erwähnt werden die bei- '
den Skizzen zur „Anbetung der Könige“
(1657), durch die der Zug nach Rembrandt-
scher Konzentration auf die HauptgrupP6
geht, die beiden Skizzen zur „Anbetung der
Hirten“ in der Alten Pinakothek, die Zeichnung

N euordnung
der Berliner Gemälde-Galerie

Die am 2. Oktober erfolgte Eröffnung der
Neubauten auf der Berliner Museumsinsel
hat auch für das Kaiser-Friedrich-
Museum ihre Folgen gehabt: die Ge-
mälde-Galerie im oberen Stockwerk konnte
zu einem wesentlichen Teil neu geordnet

Israel van Meckenem, Das ungleiche Paar
B. 171, G. 404 — Kat. Nr. 494
Versteigerung durch Hollstein&Puppel, Berlin
am 7. und 8. November 1930
Israel van Meckenem, Le couple disparate
B. 171, G. 404 — No 494 du Cat.
Vente par Hollstein & Puppel, Berlin, les 7 et 8 Novembre 1930
Israel van Meckenem, The unequal couple
B. 171, G. 404. — No. 494 in the catalogue
To be sold by auction by Hollstein & Puppel, Berlin
on the 7th and 8th of November 1930

werden und bietet sich nun in freierer
Aufstellung sehr viel vorteilhafter dar, als das
bisher möglich war. Die Aussonderung der
altdeutschen und altniederländischen Gemälde
bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, die ins
Deutsche Museum übergesiedelt sind, ist ja
hauptsächlich zu dem Zweck erfolgt, um der
Raumnot im Kaiser-Friedrich-Museum abzu-
helfen. So hat nun die ganze Folge der Ka-
binette und Säle an der Kupfergraben-Seite
ein neues Gesicht erhalten: man findet hier die
holländischen und vlämischen Bilder des
17. Jahrhunderts vereinigt. Sie haben, da
7 Räume hinzukamen, so viel schönen Plaß
wie bisher überhaupt noch niemals in den Ber-
liner Museen, und jeßt kann man erst recht

Inhalt

Dr. W. R. D e u s c h :
Holzschnitt-Unica u. Kupferstiche (m. 4. Abb.) 112
Neuordnung d. Berliner Gemäldegalerie v. Dr. R. 2
Rembrandt in der Staatlichen Graphischen
Sammlung in München.. 213
Die bibliophile Tagung in Bremen v. Dr. B. . 3
Die Expertise:
Beiträge zur Diskussion von
Dr. E. Wiese (Breslau).3
Dr. H. Leporini (Wien) ....... 3
Aus den Museen..3
Auktions-Vorberichte (m. 2 Abb.).417
Auktionskalender.5
Preisberichte — Kunst im Rundfunk .... 6
Auktions-Nachiberichte ..7
Eine Landschaft von Salomon van Ruysdael
(m. Abb.) .7
Literatur .8
Ausstellungen der Woche.8
„B a u - u n dJ R a um k u n s t“.9/10
Dr. A. B e h n e : Travertin (m. 2 Abb.) ... 9
H. Ginzel: Schlußwort zum Kölner Denk-
malpflegetag .9/10
H. v. Oelsen: Der Stammbaum des Stuhles
(m. 3 Abb.).10
Ausstellungsberiehte (m. 6 Abb.) .11
Ludwig F. Fuchs:
Glassammler des Altertums IV (m. 2 Abb.) . 11
Nachrichten von überall — Unter Kollegen . . 12

sehen, welche Fülle von Meisterwerken aus
der Zeit von Rembrandt und Rubens hier ver-
einigt sind. Geheimrat Friedländer, der Direk-
tor der Gemälde-Galerie, hat mit seinen Hel-
fern eine Ordnungsarbeit geleistet, die den
schönsten Galerieschöpfungen unserer Zeit
sich mindestens ebenbürtig an die
Seite stellt.
Betritt man die Gemälde-
Galerie durch das vordere Trep-
penhaus des Kaiser-Friedrich-
Museums, so beginnt in der Folge
derKabinette die holländische
Malerei der Frühzeit des 17. Jahr-
hunderts, die Generation vor dem
Auftreten Rembrandts. Nach einem
einleitenden Raum mit dem Re-
gentenstück des Werner van
Valckert folgt ein Saal Frans Hals:
die Meisterbildnisse füllen die
Hauptwand, die Seitenwand wird
beherrscht von der sogenannten
Hille Bobbe. Durch Hervorhebung
der Haupfbilder an den Mittel-
pläßen im besten Licht, durch meist
einreihiges Hängen, durch Gliede-
rung der Bestände in der Form,
daß die Perlen der Galerie isoliert
werden, um in voller Reinheit zu
wirken, und die Bilder der Ge-
folgsleute der großen Meister in
Seitenkabinette verwiesen sind,
tritt das reiche Bild dieser Blüte-
zeit einer malerischen Kultur in
ganzer Schönheit hervor. — Rem-
brandt hat zwei Säle mit kom-
biniertem Seiten- und Oberlicht
erhalten. Das bedeutet, gegen den
bisherigen Zustand, bei dem alle
seine Bilder zusammen mit denen
seiner Schüler sich in einem Ober-
lichtsaal zusammendrücken muß-
ten, eine Verbesserung von glück-
lichster Wirkung. Das große Bild
des Mennoniten-Predigers Anslo
hängt isoliert auf einer Wand in
vollem warmem Seitenlicht und
entfaltet auf der grünen Wand-
bespannung die ganze Kraft seines
Goldtones. Der zweite Rembrandt-
Raum erhält durch die beiden
biblischen Erzählungen, die Bilder
der Potiphar und des Daniel,
seinen unvergleichlich erhebenden
Wert. — Auch die übrigen
führenden Meister Hollands sind
so gehängt, daß sie jeder in
einem Kabinett beherrschend auftreten: die
Landschaften Jan van Goyen, Salomon und
Jacob van Ruysdael, Hobbema, dann Jan
Steen, Pieter de Hooch, dessen Hauptwerk
der Mutter an der Wiege
zwischen zwei Stilleben von
Kalf und Beijeren zu neuer
Wirkung kommt, und gegen-
über die Genre-Bilder des
Delfter Vermeer, endlich
Gerard Terborch.
Die Flamen erhielten
den bisherigen Rembrandt-
Saal zugewiesen, Rubens be-
herrscht nun zwei große
Säle: in dem einen wie bis-
her mit seinen kirchlichen
und mythologischen Bildern,
in dem anderen mit der
großen Landschaft als Mittel-
stück, der leßten bedeuten-
den Erwerbung Wilhelm von
Bodes, mit seinen Kabinett-
bildern und malerischen Ent-
würfen.
Auch den Sälen der Ba-
rockmalerei kommt der
neue Plaß bereits zugute,
und das wird auf der italieni-
schen Hälfte der Gemälde-
Galerie noch mehr der Fall
sein, wenn die Plastik von
dort in die freigewordenen
Räume des Untergeschosses
zurückkehrt.
Neu geschaffen wurde ein
großer Saal neben dem italienischen Barock-
saal. Seine eine große Wand vereinigt die eng-
lischen Bilder des 18. Jahrh., die Werke der
Reynolds, Gainsborough, Romney, Wilson,
und auf der Längswand gegenüber reihen sich
um Lebruns umfangreiches Gruppenbildnis der
Kölner Familie Jabach die anderen Meister des
Zeitalters Ludwigs XIV., vor allem Poussin
und Claude Lorrain. Auf einer Schmalwand

Es ist immerhin etwas Ungewöhnliches und
ein Beweis kritischen Bekennermutes, wenn
eine staatliche Sammlung die wertvollsten
Stücke ihrer Bestände vor aller Öffentlichkeit

Gerade diese Hinweise sind bei der Aus-
stellung der Münchener Rembrandtzeichnungen
besonders wichtig und interessant, weil merk-
würdigerweise bis zu vier Vorstudien zu ein-
zelnen Gemälden vorhanden sind.
Es ist für den Rembrandtforscher
ebenso wichtig, wie für den Laien
lesselnd, zu sehen, wie ein Werk
dieses ganz Großen allmählich Ge-
stalt annimmt, wie einzelne Stoffe
ihn nach der Vollendung weiter-
verfolgen, bis sie in einem neuen
Werke zur leßten Lösung kommen.
Einen solchen Fall haben wir
z. B. in der Skizze zu Poti-
pharsWeib, die gewissermaßen
von der Darstellung in Leningrad
hinüberführt zu der des Kaiser-
Friedrich-Museums. Wir haben in
der Taufe des Krämers (1628)
einen Entwurf zu einem Bilde, das
leider nur in einer Kopie und einer
Radierung von Jonas van Vliet
(1631) erhalten ist. Uber 20 Jahre
später sind zwei großartige Skiz-
zen zu sehen, die dasselbe Thema
in abgewandelter Form behandeln,
von denen aber noch nicht fest-
gestellt worden ist, ob der Meister
dieser reiferen, kühneren Auf-
fassung in einem Gemälde die
leßte Vollendung gegeben hat.

Martin Schongauer, Johannes auf Patmos
Kupferstich, B. 55, L. 60 — Kat. Nr. 597
Versteigerung durch Hollstein & Puppel, Berlin
am 7. und 8. November 1930
Martin Schongauer, St. Jean VEvangeliste ä Patmos
Gravüre, B. 35, L. 60. — No 597 du Cat.
Vente par Hollstein & Puppel, Berlin, les 7 et 8 Novembre 1930
Martin Schongauer, Saint John on Patmos
Engraving, B. 55, L. 60 — No. 597 in the catalogtie
To be sold by auction by Hollstein & Puppel, Berlin, on the 7th and 8th
of November 1930

einer Sichtung unterzieht. Und der Mut ver-
dient doppelte Anerkennung, wenn von den
154 Blättern, die um das Jahr 1800 von Mann-
heim nach München kamen, nur rund ein Drittel
bestehen kann. Hofstede de Groot hat in
seinem 1906 erschienenen Katalog nur ein
Fünftel angezweifelt, und es ist ein inter-
essanter Beleg für die kritische Schärfung
unseres Blickes, daß die von de Groot ange-
zweifelten heute vielfach als echt, andere aber,
von diesem gewiß vorzüglichen Kenner, aner-
kannte, heute als Schülerarbeiten oder Kopien
dokumentiert sind.
Diese kritische Aufmachung, welche ge-
radezu als ein Musterbeispiel dafür gelten
kann, wie man die Öffentlichkeit in künst-
lerische Fragen hineinziehen und an deren

Am lebendigsten tritt uns der
Werdegang eines Bildes in den
vier Kompositionsskizzen zu dem
Stockholmer Bild „Julius
(nicht Claudius) Civilis läßt die
Bataver schwören, sich gegen die
Römer zu empören“. Der Beginn,
eine winzige, aber markige Skizze
(leider mit einigen späteren, un-
verstandenen Zutaten), dann eine
seltsame Variante mit einem
riesigen Baldachin in Form eines
Schalldeckels, eine dritte wieder in
den Gruppen variiert und schließ-
lich eine große leßte, die zu dem
Bilde führt. Das tragische Geschick
dieses Gemäldes ist bekannt:
Rembrandt hat es zerschnitten. Es
war für den Rathaussaal in
Amsterdam bestimmt, wurde aber
zurückgewiesen und das von
Jurian Owens bevorzugt. Nur
die mittlere große Figurengruppe
ohne jegliche Architektur ist in dem Stock-
holmer Bild erhalten, dem die Monumentalität
der leßten Skizze vollkommen mangelt. Rem-
brandt hat diesem Rudiment durch Hinzufügen
einiger Figuren im Vordergrund den Charakter
eines Interieurs gegeben.
An Bodes liebevolles Büchlein über den
„Römischen Maler deutscher Nation“, der „auf
die beiden größten Meister der Barockmalerei,
auf Rubens und Rembrandt, eine entschei-
dende Einwirkung ausgeübt hat“, muß man
denken, wenn man die wundervolle kleine
Skizze einer Kreuzigung sieht, von der die
Kenner noch nicht wissen, ob sie sie Els-
h e i m e r oder Rembrandt zuweisen
sollen.
Bei einem so herrlichen Blatt wie der
 
Annotationen