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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 4.1930

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Nr. 42 (19. Oktober)
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WELTKUNST

Jahrg. IV, Nr. 42 vom 19. Oktober 1930

ihre monopolartige Stellung bis zum lebten
auszunußen.
Nun gibt es ja außer den amerikanischen
dollarstroßenden Sammlern, denen lediglich
der Künstlername, die Mode und der ent-
sprechende Preis imponieren können, auch in
Europa noch Sammler, mit denen der nicht
nach drüben eingestellte europäische Händler
noch Geschäfte machen kann. Daß er da-
bei nur bei großem Glück und fleißiger Arbeit
und nur ganz langsam geschäftlich vorwärts
kommen kann, darüber muß er sich klar sein.
Aber gut, er hat nun einmal diesen Weg ein-
geschlagen und läßt sich auch nicht mehr da-
von abbringen, auf die Gefahr hin, daß man
ihn einen „Dummkopf“ schilt. Aber da zeigt
sich auf dem europäischen Kunstmarkt
bereits eine ganz ähnliche Erscheinung,
wie wir sie als für Amerika charakteristisch
geschildert haben.
Auch hier in Europa macht sich all-
mählich, aber immer fühlbarer, eine Neigung
zu ganz bestimmten Sammlermoden bemerk-
bar. Nicht etwa, als ob das nun in sklavischer
Abhängigkeit vom amerikanischen Markt und
den dort bevorzugten Sammlergebieten ge-
schah — man kann und will gewiß nicht mit
dort in Konkurrenz treten! — aber es zeigt
sich, daß auch innerhalb des europäischen
Marktes fast plößlich „Moden“ auftauchen,
die mit dem Zeitgeschmack einer ganzen
Epoche schon nichts mehr zu tun haben, son-
dern beinahe schon danach aussehen, als ob
sie aus unbekannten Quellen künstlich ge-
nährt, kurzum „creiert“ worden wären. Soviel
eigenwilliger und origineller nun auch der
europäische Sammler im Gegensaß zum ame-
rikanischen ist, es hat doch den Anschein, als
ob auch er sich auf die Dauer solcher Mode-
beeinflussung allmählich unterwerfe.
Daß er es in bestimmten Fällen schon vor
dem Kriege getan hat, das beweist das Bei-
spiel der Sammlermode der französischen Im-
pressionisten in Deutschland. Wir sind weit
entfernt davon, diese Richtung als ein Unglück
für Deutschland anzusehen — im Gegenteil,
wir halten es für ein großes Verdienst jener
Kreise, die damals diese Mode „gemacht“
haben, da nicht nur ein Strom von künstleri-
scher Anregung dadurch nach Deutschland
kam, sondern auch der deutsche Kunstbesiß
um außerordentliche Werte bereichert worden
ist. Aber durch solche zugegebenermaßen
verdienstvolle Schöpfung einer Sammelmode
ist schon damals bewiesen worden, daß es
möglich ist, auch in Europa die Sammler-
neigungen zu beeinflussen.
Heute nun scheint es, als ob ähnlich lau-
nisch wie bei Kleidermoden einseitige Samm-
lerneigungen zu einzelnen Gebieten immer
mehr Plaß griffen, während andere Gebiete
aufs schmählichste vernachlässigt werden. Es
soll hier nicht etwa behauptet werden, daß
diese Erscheinung von bestimmten Kreisen
künstlich hervorgerufen werde, so wenig wie
— mit Ausnahme der Bevorzugung der Möbel-
stile — bereits eine Art von Geseßmäßigkeit
im Wechsel der Moden erkennbar wäre. Es
scheint vielmehr, als ob z. Z. noch eine Lau-
nenhaftigkeit der Sammlerkreise vorläge,
deren Gründe sich nicht irgendwie erklären
lassen. Jedenfalls aber besteht diese Tat-
sache der immer mehr sich geltend machenden
Sammlermoden, und mit ihnen muß der Händ-
ler rechnen, auch wenn es ihm noch so sehr
gegen das eigene Gefühl geht.
Aber es gibt ja auch noch einen anderen
Abnehmer für Kunst, das sind die Museen.
Wie stellen sich nun die Museen zu den
Sammlermoden? Man sollte denken, sie
wären von allen Launen der Mode unab-
hängig, ja sie wären in der glücklichen Lage,

I nhalt

Dr. Theodor Bauer:
Sammlermoden und Museen.1/2
G. Reinboth (Rom):
Biscari-Museum .2/3
G. Delbanco:
Van Gogh und seine Zeitgenossen . . 3
F. V a 1 e n t i e n :
Stuttgarter Ausstellungen ... .3,9
Auktions-Vorberichte (m. 3 Abb.) . . . 4, 7
Auktionskalender .5
Preisberichte — Kunst im Rundfunk . . 6

Ausstellungen der Woche.7
Auktions-Nachberichte ........ 7/8
Internationaler Expertenkongreß in Rom . 8
Literatur.3
Ausstellungen (m. 5 Abb.).8
Gert Wollheim — Frühe Stickereien und
Stoffe — „Kinder wollen spielen“
Dr. H. Rinnebach:
Wissenschaft und Fälschung.9
Nachrichten von überall — Unter Kollegen 10

die Konjunktur insofern auszunüßen, als sie,
gerade in Deutschland ohnehin mit Mitteln
nicht gerade reichlich ausgestattet, jeßt Kunst-
werke in aller Stille zu erwerben suchten, die
z. Z. von den Sammlern vernachlässigt und
deshalb im Preise niedrig sind. Aber im
großen und ganzen kann man das leider von
den Museen ganz und gar nicht sagen, denn
erstens ist es mit der Unabhängigkeit der
Museen durchaus nicht immer so bestellt,
wie der Laie vermuten möchte, und zwei-
tens scheint es so, als ob bei dem

stets vorhanden gewesenen Konnex zwischen
Museen und Sammlern der Einfluß der
Sammler auf die Museen der stärkere ge-
worden wäre, während es früher entschieden
umgekehrt war. Das beweisen die verschie-
denen Versuche wagemutiger Kunsthand-
lungen, durch Sonderausstellungen das
Publikum zum Kauf wichtiger, aber z. Z. ver-
nachlässigter Kunst zu veranlassen. Solche
Ausstellungen, die z. T. unmittelbar auf An-
regung von Museumsseite veranstaltet worden
sind, waren zumeist von vornherein /.um ge-
schäftlichen Mißerfolg verurteilt.
Wenn so der Kunsthandel in Zusammen-
arbeit mit den Museen außerstande ist, den
Sammler zu beeinflussen, dann hat umgekehrt
anscheinend der Sammler immer mehr Einfluß
auch auf die Kaufneigung der Museen be-
kommen. Das zeigt sich wohl am deutlichsten
auf großen Versteigerungen. Je mehr
Privatkäufer für gewisse Gebiete auftauchen,
desto mehr gehen auch die Museen mit ihren
Geboten „ins Zeug". Ja, wir haben die merk-
würdige Tatsache zu verzeichnen, daß auf ge-
wissen Spezialauktionen bis dahin im freien
Handel ganz vernachlässigte Gebiete durch
den Wettkampf der Bieter ganz plößlich und
zwar auch nur vorübergehend wieder zur
Mode werden; und es geschieht gerade als-
dann, daß ausgerechnet die Museen Preise für
Gegenstände wagen, die sie unmittelbar hin-
terher auch nicht annähernd im freien
Handel zu bewilligen pflegen. Immer wieder
kann man beobachten, daß z. B. ein Kunst-
händler im Vertrauen, daß dieser Gegenstand
für ein deutsches Museum wichtig sein müsse,
etwa im Ausland ein Kunstwerk deutscher
Herkunft erwirbt, aber er sieht sich schmäh-
lich enttäuscht, denn er bekommt alsbald von
Museumsseite zu hören, das Stück „passe
nicht in das Museum“, oder auch, es sei „viel
zu teuer“, in Wirklichkeit aber verspürt er
deutlich, daß hier für den Museumsmann nur
das uneingestandene Bedenken spricht, etwas
zu erwerben, das der derzeitigen Sammler-
mode nicht entspricht. Wenige Monate darauf
aber kann er womöglich es mitansehen, wie
gelegentlich einer großen Auktion eine neue
Mode ausbricht und ein ganz, ähnlicher oder
gar der gleiche Gegenstand zu einem weit
höheren Preis, als er verlangt hatte, verkauft
wird; und nicht selten wird als Käufer sogar
eben das Museum auftreten, das den Ankauf
im freien Handel abgelehnt hatte. Solche Er-
fahrungen machen mutlos, denn niemand wird

auf die Dauer sein Geld noch daran wagen,
wenn er sich derartig den Konjunkturschwan-
kungen ausgeseßt sieht, und zudem nicht ein-
mal in der Lage ist, an dem günstigen „Bör-
senlage“, d. i. in diesem Fall der Auktionstag,
sein „Weitpapier" unter gleich günstigen Be-
dingungen abzuseßen.
Kauft er aber gar einen Gegenstand, der
z. Z. überhaupt nicht, auch nicht vorübergehend
in der Mode ist, dann kann er gewiß sein, daß
er ebenso gut einen Pflasterstein für den-
selben Preis hätte kaufen können: Sammler
wie Museen sind sich
unbedingt einig in der
Ablehnung. Das geht
so weit, daß sogar
bestimmte Darstellun-
gen sonst gesuchter
Meister, weil sie
dem „Publikum“ nicht
„hegen", unverkäuf-
lich sind; aber selbst
die Museen würden
den Ankauf aus den
gleichen Gründen nicht
wagen; so sehr iiat
sich die Kaufrichtung
der Museen bereits
der Tagesmode an-
geglichen.
Muß man die Gebiete
noch lange aufzählen,
die Sammler und, lei-
der, auch Museen ein-
hellig vernachlässigen?
Die es angeht, kennen
diese Gebiete ganz
genau, auf dem Markt
der Gemälde sowohl
wie der Möbel und des
Kunstgewerbes. Nur
ein Beispiel sei erwähnt,
weil es kürzlich auch
in der Presse zur
Sprache gekommen ist:
Wir haben heute noch
kein Museum, in dem
der Berliner die
reiche und hochbedeut-
same Malerei seiner
Vaterstadt im 19. Jahr-
dert auch nur einiger-
maßen lückenlos zu
sehen bekommt. Da
man nur „Spißen“ derKunst kauft, d. h. Maler,
die hoch im Preise stehen, hat man ganz ver-
gessen, daß es eine unabsehbare Reihe tüch-
tiger Maler, darunter auch solche von unleug-
barer Genialität, in Berlin gegeben hat, die
so völlig vergessen sind, daß man ihre Namen
förmlich wieder ausgraben müßte. Was z. B.
auf diesem Gebiet ein Hans Rosenhagen ge-
leistet hat, ist vielleicht nicht ohne Anerken-
nung geblieben — wo aber sind die Stellen,
die die Gelegenheit erfassen, um die Werke
dieser Meister in Museumsbesiß zu bringen?
In fünfzig Jahren wird man plößlich erkennen
müssen, daß der Besiß jener Werke nicht nur
vom kunsfgeschichtlichen, sondern auch vom
röin künstlerischen Standpunkt aus von
großem Wert sein müßfe — aber wird es
nicht dann zu spät sein? Denn Kunstwerke
wechseln nicht nur den Besißer,, sondern sie
können auch ganz verschwinden ... dafür
bietet doch die Geschichte unendliche Bei-
spiele!
Biscari-
Museum
Von G. Reinboth, Rom
Es war eigentlich kaum noch darauf zu
hoffen, daß die Sammlung Biscari nach einem
Schlaf von 100 Jahren, einem oft sehr wenig
dienlichen Teilungsverfahren und dem Unver-
ständnis zahlreicher Erben jemals wieder eine
kunstgeschichtliche Bedeutung bekommen
werde. Die Sammlung entstand in der Mitte
des 18. Jahrhunderts, Goethe kannte sie schon
und beschrieb sie in seiner „Italienischen
Reise". Sie verdankte ihr Entstehen einem
jener vornehmen Sammler des Rokokozeit-
alters, der zu dem übrigen Glanz seiner Hof-
haltung auch noch die Wunder einer auf-
erstandenen Antike hinzufügen wollte. Die
neapolitanischen Bourbonen hatten der Fa-
milie Paternö, Fürsten von Biscari, den
archäologischen Schuß einer großen Zone
Siziliens übertragen, und Ignazio Paternö
Castello, fünfter Fürst von Biscari (1719 bis
1786), Freund der Antike, trug aus dieser sei-
ner Domäne zusammen, was ihm wertvoll


Meister des Bartholomäus-Altars, Anbetung der Könige
Holz 75:71 cm — Nachlaß Eugen Schweitzer-Berlin — Kat. Nr. 67
Versteigerung bei Rudolph Lepke, Berlin, am 28. Oktober 1930
Maitre de l'Autel de St. Barthclemy, Adoration des mages
Bois, 75:71 cent. — Ancienne collection Eugen Schweitzer-Berlin — No 67 du Cat.
Vente par Rudolph Lepke, ä Berlin, le 28 Oct obre 1930
Master of the Bartholomew altar, Adoration of the kings
Panel, 75 by 71 cent. — Formerly in the E. Schweitzer collection, Berlin — No. 67 in the catalogue
To be sold by auction by Rudolph Lepke, Berlin, on the 28th of October 1930

schien. Ein so bizarrer Geist wie der floren-
tinische Abt Domenico Sestini, Bibliothekar
in Diensten der Biscari, hat die Hauptord-
nungsarbeit und Beschreibung des Museums
übernommen und in seinen Beschreibungen
wie auch in den Schriften des Hamburgers
Bartels finden wir eine blumige Schilderung
von allen möglichen Göttern und Helden, bil-
lig gefundenen Bezeichnungen, die aber
gerade für die Geisteshaltung des Rokoko-
zeitalters den Altertümern gegenüber außer-
ordentlich bezeichnend sind.
Vom Beginn des 19. Jahrhunderts an konnte
die Sammlung, untergebracht in zwei Höfen
und angeschlossenen Galerien, kaum noch be-
sichtigt werden. Die Familie Biscari gab nur
schwierig und in Ausnahmefällen die Erlaub-
nis zum Besuch, und der siebente Fürst von
Biscari schaffte schon die reiche Gemmen-
und Münzensammlung nach Neapel, wo sie
später Opfer eines Diebstahls wurde. Erb-
teilungen haben die Sammlung in die Hände
xon nicht weniger als 57 Besißer gebracht,
und an dieser Zersprengtheit scheiterten die
versuche in den 60er Jahren des vorigen
Jahrhunderts, die gesamte Sammlung ent-
weder in staatlichen Besiß oder aber in den
der Stadt Catania zu überführen. Bis 1925
war keine Hoffnung, die Schäße zu retten.
Dann aber gelang es dem Titular-Archäologen
von Catania, Libertini, und dem Deutschen
Ludwig Pollak, Zutritt zu dem Museums^
gebäude zu erhalten. Sie fanden es in einem
trostlosen Zustand der Vernachlässigung,
□ber die weifen Höfe waren Gras und Büsche
gewachsen, die Vitrinen zerbrochen und zer-
fallen und die Statuen begraben unter einer
Staubschicht, die Tongefäße vielfach zer-
brochen. Durch einige glückliche Umstände
konnten die beiden Gelehrten aber mit einer
Wiederordnungsarbeit beginnen und schließ-
lich zur Katalogisierung und damit zu einem
ersten modernen Kriterium ganz unbekannt
gewordener Schäße schreiten.


Gueridon, um 1710
mit Schildpattfurnier und Zinneinlagen
Margraf & Co., Berlin
Gue'ridon, vers 1710
avec de placage d'ecaille et marqueterie d'etain
Margraf & Co., Berlin
Gueridon, about 1710
with veneer of tortoise-shell and with tin inlayed
Margraf & Co., Berlin

Das Ergebnis dieser Arbeiten ist jeßt in
einem ersten Band niedergelegt, der die an-
tiken Kunstschäße der Sammlung Biscari ent-
hält und von Libertini stammt. Der zweite
Band ist in Vorbereitung, hat Pollak zum
Autoren und umfaßt die Kunstwerke des
Mittelalters und der Renaissance.
Unter den klassischen Werken stammt ein
großer Teil aus dem Boden von Catania
selbst. Namentlich der bunte Marmor des

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