Jahrg. IV, Nr. 47 vom 23. November 19'30
WELTKUNST
11
Leo Planiscig: „Piccoli Bronzi italiani del Rinasei-
mento“. 51) Textseiten u. 226 Tafeln mit 383 Illu-
strationen. Verlag: Fratelli Treves e d i-
tori, Mailand, 1930. (Geb. 150 Lire.)
Muraqqa-i-Chughtai (selected paintings of M. A. Rah-
man Chughtai), mit 50 Tafeln, z. T. in Farben.
Einleitung von Dr. James H. Cousins, Vorwort von
Dr, Sir Muhammad Iqbail. II. Aueg. Ver-
lag J a h a n g i r Book Club, Lahore.
(Rup. 17 = 25,50 M.)
Jüdische Kunst
Ernst Cohn-Wiener, Die Jüdische Kunst. 267 Seiten
mit 171 Abbildungen. Kunst Kammer Mar-
tin Wasservogel Verlag. Berlin W 8,
1930. (Geb. 12 M.)
„Die Jüdische Kunst, ihre Geschichte von den An-
fängen bis zur Gegenwart“ nennt der Autor dieses
umfassende und interessante Referat über ein bisner
wenig behandeltes. Thema. Von der Frage ausgehend:
Gibt es eine jüdische Kunst? behandelt der Forscher
die Ursprünge israelitischer Kämpfe und Entwicklung
Pis zur Erob'PriiiiEr des gelobten Landes, um dann seine
Hüte unter den Königen und sein Verhältnis zu
den Völkern des Altertums zu schildern — bis zum
Verfall im Ghetto des Mittelalters und der Gegen-
wart Diese geschichtliche Darstellung dient, als
Folie wissenschaftlich begründeter und tiefgründiger
Untersuchungen der Kunstäußerungen eines durch
alle Bedrückung sich behauptenden Volkes.
Paris
Paul Cohen-Portheim, Paris. 223 Seiten u. 16 Abbil-
dungen. Verlag Klink hardt & Bier-
mann, Berlin. (Geh. 5 M., Lwd. 6,50 M.)
„Mit diesem Führer in der Tasche lernt man Paris
lieben und verstehen“. Das ist der Untertitel, den
der Verfasser für einen Führer durch Paris gewählt
hat. — einen Führer, der nicht dem Baedecker ent-
sprechen soll, sondern ihn ergänzen. Es ist das
Paris de« täglichen Lebens, wie es sich aus seiner
Jahrhunderte alten Führerposition auf den Gebieten
des Geschmackes und Esprits entwickelt hat. Es ist
das Paris, das man kennen lernt, wenn man ohne be-
stimmtes Museumsziel die Straßen durchwandert —
ohne die Eindrücke ewigen Kunstwerts zu vergessen
— aber mit liebevollen. Augen für den Charme und
die Unbekümmertheit, einer Stadt, die selbstverständ-
lich schön ist. Flüssig, witzig und im Detail nie er-
müdend ist dieses Büchlein geschrieben, das jeder
Trennen sollte, der das Cachet dieser Stadt der Kö-
nige, Kaiser und Revolutionen empfinden kann.
Terenz-Handschrift des Vatikan
Das bedeutendste Werk antiker Buchmalerei, die
Terenz-Handschrift der Vatikanischen Bibliothek, ver-
öffentlicht der Kölner Professor G. J a c h m a n n
-soeben in einer Faksimile-Ausgabe (bei Otto Har-
rassowitz in Leipzig) auf besonderen Wunsch des
Papstes, und er stellt diese älteste Wiedergabe einer
altrömischen Illustration damit sowohl kunstge-
schichtlich wie philologisch aüf eine sichere Grund-
lage.
Kataloge
Agnes Straub, Berlin
Das Berliner Antiquariat Agnes Straub bietet mit
dem Katalog Nr. 57 wieder interessante und bemer-
Trenewert gut erhaltene Bücher an, wie e>s überhaupt
die Eigenart dieses Antiquariat ist, hervorragend
schöne Exemplare auf Lager zu haben. In der Reihe
Werke deutscher Literatur finden wir viele Erstaus-
gaben von Fontane (Nr. 121 ff); von Goethe u. a.
den Urfaust (Nr. 164) und eine umfangreiche Samm-
lung von Originalausgaben von Jean Paul (Nr. 265
bis 296). Kinderbücher und Kochbücher werden heute
viele Interessenten finden, ebenso auch das seltene
Buch von Otto Lilienthal über den Vogelflug (Nr. 360).
J. Frank's Antiquariat, Würzburg
In der Folge seiner Würzburger Antiquariats-An-
zeiger bringt J. Frank’s Antiquariat (Ludwig La-
zarus) in Würzburg unter Nr. 161 jetzt wieder eine
neue Liste: „Geschichte, Kulturgeschichte, Geo-
graphie, Reisen, Geheimwissenschaften“, dazu kom-
men Werke aus den Gebieten der klassischen Philo-
logie und Archäologie und vor allem auch der orien-
talischen Sprachwissenschaft. Hervorzuheben sind
einige ganz besondere Raritäten, und zwar Nr. 811,
ein ganz vollständiges Exemplar der ökonomisch-
technologischen Enzyklopädie von Krünitz in
242 Bänden mit allen Porträts und Kupfern. Der
Kuriosität wegen sei hier übrigens bemerkt, daß
Krünitz selbst bei der Abfassung des Artikels
„Leiche“ im 72. Band gestorben ist, und das Werk
nach seinem Tode von anderen fortgesetzt wurde.
Die nächste Nr. 812 bringt ein vollständiges Exemplar
der 31 Merianschen Topographien in neun Bändern
(Frankfurt 1642—50).
wertvoller Fresken in Lugano
Dieser Tage wurde in Lugano die kleine
Kirche Santa Maria degli Angioli wieder er-
öffnet, die durch die Fresken Bernardino
L u i n i s berühmt ist. Sie war wegen um-
fangreicher Instandseßungsarbeifen seit zwei
Jahren geschlossen, da es sich als nötig er-
wiesen hatte, die Fundamente zu sichern und
zugleich eine Umgestaltung des Innern mit
jedoch nirgends übermalt oder ergänzt wor-
den, so daß das beste an unverfälschter
Wirkung erzielt wurde, was nach Lage der
Dinge möglich war. Die Luini-Fresken, die
Madonna mit dem Jesus- und Johannesknaben,
das Abendmahl und die über die ganze Ost-
seite der Mittelwand sich erstreckende große
Passion sind, mit Ausnahme des Abendmahls,
E. L. Kirchner, Portrait Wehrlin
Collection Schiefler
Ausstellung*— Exposition — Exhibition:
Kunstverein in Hamburg
dem Ziel, den ursprünglichen Zustand mög-
lichst weitgehend wiederherzustellen, vorzu-
nehmen. Dabei wurden verschiedene weitere
Freskomalereien freigelegt, die zum Teil
überpußf und verbaut waren und deren Um-
fang und Bedeutung sich bisher nur hatte ver-
muten lassen. Alle Gemälde sind nun aufs
sorgfältigste gereinigt und ausgebessert,
tadellos erhalten und erstrahlen in ungemin-
derter Frische und Harmonie der Farben.
Unter den wiedergewonnenen Schüßen ver-
dient vor allem die äußerst reiche und
harmonische Ausmalung der sogenannten
Camuzio-Kapelle Beachtung, die nach 1520
entstanden sein muß, ferner die großen, in
Schwarz-Weiß gehaltenen, 1523 datierten
Bilder an den Seitenwänden des Chors, die
an einen Einfluß Dürerscher Graphik denken
lassen. Diese Malereien dürften von Schülern
und Nachfolgern des Bramaniino stam-
men, die vielleicht nach seinem Entwurf, wenn
nicht unter seiner Anleitung gearbeitet haben.
Die Frage der Urheberschaft wird in den
„Monumenti Sforici ed Artistici del Cantone
Ticino“ (13. Lieferung) erörtert, in denen unter
anderen der künstlerische Leiter der Er-
neuerungsarbeiten, Edoardo Berta, zur
Klärung der Autorschaft beizutragen sucht.
R. Kornmann (Lugano)
Theater und Museum
Zwei Schaubühnen treffen sich im
Museum der Staatstheater in der
Oberwallsiraße, Berlin, und ergänzen
sich. Das Museum ist d'e Schaubühne der
bildenden Kunst, wie das Theater denselben
Zweck in der Literatur erfüllt. Und hier
handelt es sich um eine Institution von dop-
peltem Interesse, indem gleichsam die Schau-
bühne einer Schaubühne zur Sehenswürdig-
keit Berlins wird. Lange ist die Schauspiel-
kunst zu wenig als Kulturfaktor gewertet
worden. Forschungen des Kulturwissen-
schaftlers haben ihren Einfluß auf das Kunst-
leben der Völker präzisiert. Und wenige
Städte haben es bisher unternommen, die
Kulturwerte des Theaters in einem Museum
zusammenzustellen. Abseits von der großen
Museumsinsel hat Berlin unweit des früheren
Kronprinzenpalais eine permanente Aus-
stellung und Sammlung wertvoller Theater-
requisiten geschaffen, die mit besonderer Hin-
gabe von Dr. Droescher verwaltet werden.
Zeitweilig wird das Interesse des Publi-
kums durch eine Sonderschau angeregt, wie
jeßt durch eine Gustav B e r n d a 1 - Aus-
stellung. Generalintendant Legal hat diese
Gedächtnis-Ausstellung mit einer Ansprache
eröffnet, die von einem fast vergessenen
Manne erzählt. Vor hundert Jahren, am 2. Nov.
1830 ist Gustav Berndal geboren. Seit 1854
ist er 41 Jahre lang ein bekanntes und ange-
sehenes Mitglied des Schauspielhauses ge-
wesen, der gefeiert wurde wie wenige, als
Darsteller großer Rollen wie als Lehrer.
Kritisch hat er schon damals seine Zeit ge-
wertet und sich an dem Kampf um den Nie-
dergang der Schaubühne in einer Schrift
„Ansichten über die Errichtung einer dramati-
schen Hochschule“ beteiligt. Jahrelang war
er Präsident der Bühnengenossenschaft, un-
ermüdlich arbeitend — für sich wie für das
Wohl der Kollegen^ Seinen Tod betrauerte
das damalige Berlin. Seines erfolgreichen
Lebens gedenkt das heutige Berlin durch
diese Ausstellung, die eine Institution anregen
konnte, der eine interessante Zukunft vor-
auszusagen ist. v. Oe.
Würzburgs neue Kunsthalle
Geheimrat Otto Richter, der Verleger
des „Würzburger Generalanzeigers“, hat seiner
Vaterstadt eine Ausstellungshalle gestiftet,
die nach ihm benannt wird. Die Vereinigung
unferfränkischer Künstler und Kunsthand-
werker und der Kunstverein werden dort Aus-
stellungen einheimischer und fremder Arbeiten
veranstalten. Der Oberbürgermeister hat bei
seiner Einweihungsrede diese Ausstellungs-
halle als Auftakt zu einer ständigen Galerie
bezeichnet, in der die in städtischen Besiß
übergegangenen Kunstwerke unfergebracht
werden sollen. H. A.
Interviews im Atelier
Essays von Fl orent Fels
X.*)
Duret
Die Geschichte der modernen Malerei zeigt
die merkwürdige Erscheinung, daß sie in
keiner Phase, weder vom Publikum, noch von
der Mehrheit der Kunstkritiker akzeptiert
wurde, da sie immer wieder das Traditions-
gefühl, ihren Geschmack, ja selbst ihren
gesunden Menschenverstand zu belei-
digen schien. Wenn auch der Franzose einen
Hang zur Phantasie hat, so ist es schon ge-
radezu Liebe, was er für Regeln, Tradition
und feststehende Werte empfindet. Die Tra-
dition eines David hatte zur Verurteilung
Ingres’ geführt, des Verehrers des antiken
Ideals, der sich bemühte, einem Raffael als
Quelle idealer Schönheit Anerkennung zu ver-
schaffen. Ingres und seine Schüler wiederum
traten gegen die Kühnheiten Delacroix’ und
Gericaults auf. Das Publikum, das zwischen
zwei Extremen zu wählen hatte, entschied sich
für Paul Delaroche, der ein Kompromiß zu
bieten hatte. Und so geht es weiter die ganze
Entwicklungsreihe der modernen Kunst durch:
Veron und Edmond About verfolgen Manet mit
ihren Sarkasmen, Herr Camille Mauclair
spricht Cezanne Talent ab, Maurice Barres
fragte mich einst, ob ich von den Bilder-
händlern für meine Lobeshymnen auf van
Gogh gut bezahlt werde. Jeder soll bei seinem
Leisten bleiben, aber es gab Dichter, die Maler
*) I. Matisse, in Nr. 12; II. Picasso Nr. 16; III. Cha-
gall Nr. 17; IV. Pasein Nr. 23; V. Derain Nr. 24;
VI. Ensor Nr. 26/27; VII. Grosz Nr. 32/33; VIII. Läger
Nr. 35; IX. M. de Vlaminck Nr. 38 der „Kunst-
auktion“.
Einzig autorisierte Übersetzung aus dem Franzö-
sischen für die „Weltkunst“ von Ginia Hink und
Franz Winterstein.
aus ihren Anfängen zu beurteilen wußten;
Baudelaire erkannte Manet in seinen ersten
Werken. Salmon und Apollinaire haben schon
im Jahre 1905 gewußt, was Derain und Picasso
waren. —
1863. Das zweite Kaiserreich steht in
seiner Glanzzeit! Die Armee hat Italien be-
siegt. Hortense Schneider ist die Venus in
„Orpheus in der Unterwelt“, und in dem Chan-
son vom Berge Ida hört man Anspielungen
auf die intimen Sitten des Kaiserhofes.
In der Malerei sind Couture, Theodore
Rousseau, Boulanger, Lambinet Mode. Um
einem Irrtum vorzubeugen: wenn Delacroix,
Courbet und Corot von der Kritik um diese
Zeit auch anerkannt werden, für die große
Masse der Bilderliebhaber galten sie jeden-
falls als extremistische Außenseiter.
Mit Theodore Duret verbanden mich weni-
ger Freundschaftsbande als der große Re-
spekt, den ich vor seinem Talent und seiner
Sehergabe hatte. Er war mit Zola und mehr
noch als Zola ') der Führer der modernen
Ästhetik, deren Beginn man, falls man nach
einem Geburtsdatum sucht, auf das Jahr 1863
festlegen könnte, das Jahr der „Olympia“.
Zwölf Jahre später bildeten Degas, Renoir,
Sisley, Monet, Pissarro, Guillaumin und
Cezanne eine geschlossene Gruppe und stell-
ten ihre Werke bei Duranthy unter dem Namen
„Nouvelle peinture“ aus, eine Bezeichnung,
1) Wenn „Zola auch mutig für Manet eingetreten
wair, wie könnte man ihm die seltsame Härte ver-
gessen, mit dar er seinen einstigen Freund und
Landsmann Cezanne angriff.
die niemanden befriedigte, weder die Maler
noch ihre Freunde. Die jungen Anhänger
Manets malten Bilder in hellen Tönen ohne
Saft und Inhalt, im Freien entstanden. Monet
Whistler, Portait Theodor Duret
stellte fünf Bilder aus; eines darunter, das er
„Impression" nannte (Schiffe bei Sonnenauf-
gang), war in ein rosa Licht gebadet. Der
Titel des Werkes fiel auf, denn er gab die gei-
stige Essenz dieser neuen Ästhetik gut wieder.
Der Name gefiel allgemein, und der Kritiker
des Charivari, Louis Leroy, überschrieb seinen
Artikel: Exposition des Impressionistes.
In den Dienst dieser neuen Kunst stellte
Duret seine Begabung. Man brauchte Mut
und Zähigkeit dazu. Durch 40 Jahre hindurch,
ohne jemals seine Ritterlichkeit, seine über-
zeugende Ruhe zu verlieren, hat dieser Gent-
leman der Kritik auf seinem Posten gestanden
und mit einer Würde, die selbst seinen Geg-
nern Bewunderung abnötigte, für Manet und
die Impressionisten gekämpft, deren erster
Historiker er war. Es soll auch nicht unter-
lassen werden, ins Gedächtnis zu rufen, daß
Duret der erste europäische Japan-Reisende
war (mit dem Baron Cernuschi) und die Be-
kanntschaft mit den japanischen Künstlern
vermittelte; er war auch einer der ersten be-
geisterten Wagnerianer.
Eine Senegalnegerin wacht als Wirtschafte-
rin über den Frieden dieses Hauses. Sie hat
eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem Porträt
einer jungen Mulattin, das Courbet gemalt hat,
aber das paßt mit ihrem Alter nicht zusammen,
und es blieb dem Maler van Houten (!) über-
lassen, ihr wahres Bild für die Nachwelt zu
konservieren. . . . Wir lunchen. ... An den
Wänden hängen alte Bekannte: Le Chateau
de Chillon von Courbet, mehrere Mädchen-
porträts von Renoir, ein Manet, ein Guys,
Mary Cassatt. Alle diese Bilder sind vor min-
destens 25 Jahren angekauft worden. Wirk-
lich lauter alte Bekannte, und als ich lange das
Bild des Hundes „Tama“ betrachte, das Manet
gemalt hat, sagt Duret: „. . . Ein Familienbild,
. . . ich habe mich davon nicht trennen kön-
nen.“ Genau so ging es mir mit der Kaße
„Lulu“, die alle Biskuitschachteln plünderte
und die ich nach einem Fehltritt um 1913 aufs
Land gab. Lulu wurde auf den Knien ihres
Fierrn sißend verewigt, und Vuillard hat bei
dieser Gelegenheit eines seiner schönsten
Bilder geschaffen.
(Forfseßung folgt)
WELTKUNST
11
Leo Planiscig: „Piccoli Bronzi italiani del Rinasei-
mento“. 51) Textseiten u. 226 Tafeln mit 383 Illu-
strationen. Verlag: Fratelli Treves e d i-
tori, Mailand, 1930. (Geb. 150 Lire.)
Muraqqa-i-Chughtai (selected paintings of M. A. Rah-
man Chughtai), mit 50 Tafeln, z. T. in Farben.
Einleitung von Dr. James H. Cousins, Vorwort von
Dr, Sir Muhammad Iqbail. II. Aueg. Ver-
lag J a h a n g i r Book Club, Lahore.
(Rup. 17 = 25,50 M.)
Jüdische Kunst
Ernst Cohn-Wiener, Die Jüdische Kunst. 267 Seiten
mit 171 Abbildungen. Kunst Kammer Mar-
tin Wasservogel Verlag. Berlin W 8,
1930. (Geb. 12 M.)
„Die Jüdische Kunst, ihre Geschichte von den An-
fängen bis zur Gegenwart“ nennt der Autor dieses
umfassende und interessante Referat über ein bisner
wenig behandeltes. Thema. Von der Frage ausgehend:
Gibt es eine jüdische Kunst? behandelt der Forscher
die Ursprünge israelitischer Kämpfe und Entwicklung
Pis zur Erob'PriiiiEr des gelobten Landes, um dann seine
Hüte unter den Königen und sein Verhältnis zu
den Völkern des Altertums zu schildern — bis zum
Verfall im Ghetto des Mittelalters und der Gegen-
wart Diese geschichtliche Darstellung dient, als
Folie wissenschaftlich begründeter und tiefgründiger
Untersuchungen der Kunstäußerungen eines durch
alle Bedrückung sich behauptenden Volkes.
Paris
Paul Cohen-Portheim, Paris. 223 Seiten u. 16 Abbil-
dungen. Verlag Klink hardt & Bier-
mann, Berlin. (Geh. 5 M., Lwd. 6,50 M.)
„Mit diesem Führer in der Tasche lernt man Paris
lieben und verstehen“. Das ist der Untertitel, den
der Verfasser für einen Führer durch Paris gewählt
hat. — einen Führer, der nicht dem Baedecker ent-
sprechen soll, sondern ihn ergänzen. Es ist das
Paris de« täglichen Lebens, wie es sich aus seiner
Jahrhunderte alten Führerposition auf den Gebieten
des Geschmackes und Esprits entwickelt hat. Es ist
das Paris, das man kennen lernt, wenn man ohne be-
stimmtes Museumsziel die Straßen durchwandert —
ohne die Eindrücke ewigen Kunstwerts zu vergessen
— aber mit liebevollen. Augen für den Charme und
die Unbekümmertheit, einer Stadt, die selbstverständ-
lich schön ist. Flüssig, witzig und im Detail nie er-
müdend ist dieses Büchlein geschrieben, das jeder
Trennen sollte, der das Cachet dieser Stadt der Kö-
nige, Kaiser und Revolutionen empfinden kann.
Terenz-Handschrift des Vatikan
Das bedeutendste Werk antiker Buchmalerei, die
Terenz-Handschrift der Vatikanischen Bibliothek, ver-
öffentlicht der Kölner Professor G. J a c h m a n n
-soeben in einer Faksimile-Ausgabe (bei Otto Har-
rassowitz in Leipzig) auf besonderen Wunsch des
Papstes, und er stellt diese älteste Wiedergabe einer
altrömischen Illustration damit sowohl kunstge-
schichtlich wie philologisch aüf eine sichere Grund-
lage.
Kataloge
Agnes Straub, Berlin
Das Berliner Antiquariat Agnes Straub bietet mit
dem Katalog Nr. 57 wieder interessante und bemer-
Trenewert gut erhaltene Bücher an, wie e>s überhaupt
die Eigenart dieses Antiquariat ist, hervorragend
schöne Exemplare auf Lager zu haben. In der Reihe
Werke deutscher Literatur finden wir viele Erstaus-
gaben von Fontane (Nr. 121 ff); von Goethe u. a.
den Urfaust (Nr. 164) und eine umfangreiche Samm-
lung von Originalausgaben von Jean Paul (Nr. 265
bis 296). Kinderbücher und Kochbücher werden heute
viele Interessenten finden, ebenso auch das seltene
Buch von Otto Lilienthal über den Vogelflug (Nr. 360).
J. Frank's Antiquariat, Würzburg
In der Folge seiner Würzburger Antiquariats-An-
zeiger bringt J. Frank’s Antiquariat (Ludwig La-
zarus) in Würzburg unter Nr. 161 jetzt wieder eine
neue Liste: „Geschichte, Kulturgeschichte, Geo-
graphie, Reisen, Geheimwissenschaften“, dazu kom-
men Werke aus den Gebieten der klassischen Philo-
logie und Archäologie und vor allem auch der orien-
talischen Sprachwissenschaft. Hervorzuheben sind
einige ganz besondere Raritäten, und zwar Nr. 811,
ein ganz vollständiges Exemplar der ökonomisch-
technologischen Enzyklopädie von Krünitz in
242 Bänden mit allen Porträts und Kupfern. Der
Kuriosität wegen sei hier übrigens bemerkt, daß
Krünitz selbst bei der Abfassung des Artikels
„Leiche“ im 72. Band gestorben ist, und das Werk
nach seinem Tode von anderen fortgesetzt wurde.
Die nächste Nr. 812 bringt ein vollständiges Exemplar
der 31 Merianschen Topographien in neun Bändern
(Frankfurt 1642—50).
wertvoller Fresken in Lugano
Dieser Tage wurde in Lugano die kleine
Kirche Santa Maria degli Angioli wieder er-
öffnet, die durch die Fresken Bernardino
L u i n i s berühmt ist. Sie war wegen um-
fangreicher Instandseßungsarbeifen seit zwei
Jahren geschlossen, da es sich als nötig er-
wiesen hatte, die Fundamente zu sichern und
zugleich eine Umgestaltung des Innern mit
jedoch nirgends übermalt oder ergänzt wor-
den, so daß das beste an unverfälschter
Wirkung erzielt wurde, was nach Lage der
Dinge möglich war. Die Luini-Fresken, die
Madonna mit dem Jesus- und Johannesknaben,
das Abendmahl und die über die ganze Ost-
seite der Mittelwand sich erstreckende große
Passion sind, mit Ausnahme des Abendmahls,
E. L. Kirchner, Portrait Wehrlin
Collection Schiefler
Ausstellung*— Exposition — Exhibition:
Kunstverein in Hamburg
dem Ziel, den ursprünglichen Zustand mög-
lichst weitgehend wiederherzustellen, vorzu-
nehmen. Dabei wurden verschiedene weitere
Freskomalereien freigelegt, die zum Teil
überpußf und verbaut waren und deren Um-
fang und Bedeutung sich bisher nur hatte ver-
muten lassen. Alle Gemälde sind nun aufs
sorgfältigste gereinigt und ausgebessert,
tadellos erhalten und erstrahlen in ungemin-
derter Frische und Harmonie der Farben.
Unter den wiedergewonnenen Schüßen ver-
dient vor allem die äußerst reiche und
harmonische Ausmalung der sogenannten
Camuzio-Kapelle Beachtung, die nach 1520
entstanden sein muß, ferner die großen, in
Schwarz-Weiß gehaltenen, 1523 datierten
Bilder an den Seitenwänden des Chors, die
an einen Einfluß Dürerscher Graphik denken
lassen. Diese Malereien dürften von Schülern
und Nachfolgern des Bramaniino stam-
men, die vielleicht nach seinem Entwurf, wenn
nicht unter seiner Anleitung gearbeitet haben.
Die Frage der Urheberschaft wird in den
„Monumenti Sforici ed Artistici del Cantone
Ticino“ (13. Lieferung) erörtert, in denen unter
anderen der künstlerische Leiter der Er-
neuerungsarbeiten, Edoardo Berta, zur
Klärung der Autorschaft beizutragen sucht.
R. Kornmann (Lugano)
Theater und Museum
Zwei Schaubühnen treffen sich im
Museum der Staatstheater in der
Oberwallsiraße, Berlin, und ergänzen
sich. Das Museum ist d'e Schaubühne der
bildenden Kunst, wie das Theater denselben
Zweck in der Literatur erfüllt. Und hier
handelt es sich um eine Institution von dop-
peltem Interesse, indem gleichsam die Schau-
bühne einer Schaubühne zur Sehenswürdig-
keit Berlins wird. Lange ist die Schauspiel-
kunst zu wenig als Kulturfaktor gewertet
worden. Forschungen des Kulturwissen-
schaftlers haben ihren Einfluß auf das Kunst-
leben der Völker präzisiert. Und wenige
Städte haben es bisher unternommen, die
Kulturwerte des Theaters in einem Museum
zusammenzustellen. Abseits von der großen
Museumsinsel hat Berlin unweit des früheren
Kronprinzenpalais eine permanente Aus-
stellung und Sammlung wertvoller Theater-
requisiten geschaffen, die mit besonderer Hin-
gabe von Dr. Droescher verwaltet werden.
Zeitweilig wird das Interesse des Publi-
kums durch eine Sonderschau angeregt, wie
jeßt durch eine Gustav B e r n d a 1 - Aus-
stellung. Generalintendant Legal hat diese
Gedächtnis-Ausstellung mit einer Ansprache
eröffnet, die von einem fast vergessenen
Manne erzählt. Vor hundert Jahren, am 2. Nov.
1830 ist Gustav Berndal geboren. Seit 1854
ist er 41 Jahre lang ein bekanntes und ange-
sehenes Mitglied des Schauspielhauses ge-
wesen, der gefeiert wurde wie wenige, als
Darsteller großer Rollen wie als Lehrer.
Kritisch hat er schon damals seine Zeit ge-
wertet und sich an dem Kampf um den Nie-
dergang der Schaubühne in einer Schrift
„Ansichten über die Errichtung einer dramati-
schen Hochschule“ beteiligt. Jahrelang war
er Präsident der Bühnengenossenschaft, un-
ermüdlich arbeitend — für sich wie für das
Wohl der Kollegen^ Seinen Tod betrauerte
das damalige Berlin. Seines erfolgreichen
Lebens gedenkt das heutige Berlin durch
diese Ausstellung, die eine Institution anregen
konnte, der eine interessante Zukunft vor-
auszusagen ist. v. Oe.
Würzburgs neue Kunsthalle
Geheimrat Otto Richter, der Verleger
des „Würzburger Generalanzeigers“, hat seiner
Vaterstadt eine Ausstellungshalle gestiftet,
die nach ihm benannt wird. Die Vereinigung
unferfränkischer Künstler und Kunsthand-
werker und der Kunstverein werden dort Aus-
stellungen einheimischer und fremder Arbeiten
veranstalten. Der Oberbürgermeister hat bei
seiner Einweihungsrede diese Ausstellungs-
halle als Auftakt zu einer ständigen Galerie
bezeichnet, in der die in städtischen Besiß
übergegangenen Kunstwerke unfergebracht
werden sollen. H. A.
Interviews im Atelier
Essays von Fl orent Fels
X.*)
Duret
Die Geschichte der modernen Malerei zeigt
die merkwürdige Erscheinung, daß sie in
keiner Phase, weder vom Publikum, noch von
der Mehrheit der Kunstkritiker akzeptiert
wurde, da sie immer wieder das Traditions-
gefühl, ihren Geschmack, ja selbst ihren
gesunden Menschenverstand zu belei-
digen schien. Wenn auch der Franzose einen
Hang zur Phantasie hat, so ist es schon ge-
radezu Liebe, was er für Regeln, Tradition
und feststehende Werte empfindet. Die Tra-
dition eines David hatte zur Verurteilung
Ingres’ geführt, des Verehrers des antiken
Ideals, der sich bemühte, einem Raffael als
Quelle idealer Schönheit Anerkennung zu ver-
schaffen. Ingres und seine Schüler wiederum
traten gegen die Kühnheiten Delacroix’ und
Gericaults auf. Das Publikum, das zwischen
zwei Extremen zu wählen hatte, entschied sich
für Paul Delaroche, der ein Kompromiß zu
bieten hatte. Und so geht es weiter die ganze
Entwicklungsreihe der modernen Kunst durch:
Veron und Edmond About verfolgen Manet mit
ihren Sarkasmen, Herr Camille Mauclair
spricht Cezanne Talent ab, Maurice Barres
fragte mich einst, ob ich von den Bilder-
händlern für meine Lobeshymnen auf van
Gogh gut bezahlt werde. Jeder soll bei seinem
Leisten bleiben, aber es gab Dichter, die Maler
*) I. Matisse, in Nr. 12; II. Picasso Nr. 16; III. Cha-
gall Nr. 17; IV. Pasein Nr. 23; V. Derain Nr. 24;
VI. Ensor Nr. 26/27; VII. Grosz Nr. 32/33; VIII. Läger
Nr. 35; IX. M. de Vlaminck Nr. 38 der „Kunst-
auktion“.
Einzig autorisierte Übersetzung aus dem Franzö-
sischen für die „Weltkunst“ von Ginia Hink und
Franz Winterstein.
aus ihren Anfängen zu beurteilen wußten;
Baudelaire erkannte Manet in seinen ersten
Werken. Salmon und Apollinaire haben schon
im Jahre 1905 gewußt, was Derain und Picasso
waren. —
1863. Das zweite Kaiserreich steht in
seiner Glanzzeit! Die Armee hat Italien be-
siegt. Hortense Schneider ist die Venus in
„Orpheus in der Unterwelt“, und in dem Chan-
son vom Berge Ida hört man Anspielungen
auf die intimen Sitten des Kaiserhofes.
In der Malerei sind Couture, Theodore
Rousseau, Boulanger, Lambinet Mode. Um
einem Irrtum vorzubeugen: wenn Delacroix,
Courbet und Corot von der Kritik um diese
Zeit auch anerkannt werden, für die große
Masse der Bilderliebhaber galten sie jeden-
falls als extremistische Außenseiter.
Mit Theodore Duret verbanden mich weni-
ger Freundschaftsbande als der große Re-
spekt, den ich vor seinem Talent und seiner
Sehergabe hatte. Er war mit Zola und mehr
noch als Zola ') der Führer der modernen
Ästhetik, deren Beginn man, falls man nach
einem Geburtsdatum sucht, auf das Jahr 1863
festlegen könnte, das Jahr der „Olympia“.
Zwölf Jahre später bildeten Degas, Renoir,
Sisley, Monet, Pissarro, Guillaumin und
Cezanne eine geschlossene Gruppe und stell-
ten ihre Werke bei Duranthy unter dem Namen
„Nouvelle peinture“ aus, eine Bezeichnung,
1) Wenn „Zola auch mutig für Manet eingetreten
wair, wie könnte man ihm die seltsame Härte ver-
gessen, mit dar er seinen einstigen Freund und
Landsmann Cezanne angriff.
die niemanden befriedigte, weder die Maler
noch ihre Freunde. Die jungen Anhänger
Manets malten Bilder in hellen Tönen ohne
Saft und Inhalt, im Freien entstanden. Monet
Whistler, Portait Theodor Duret
stellte fünf Bilder aus; eines darunter, das er
„Impression" nannte (Schiffe bei Sonnenauf-
gang), war in ein rosa Licht gebadet. Der
Titel des Werkes fiel auf, denn er gab die gei-
stige Essenz dieser neuen Ästhetik gut wieder.
Der Name gefiel allgemein, und der Kritiker
des Charivari, Louis Leroy, überschrieb seinen
Artikel: Exposition des Impressionistes.
In den Dienst dieser neuen Kunst stellte
Duret seine Begabung. Man brauchte Mut
und Zähigkeit dazu. Durch 40 Jahre hindurch,
ohne jemals seine Ritterlichkeit, seine über-
zeugende Ruhe zu verlieren, hat dieser Gent-
leman der Kritik auf seinem Posten gestanden
und mit einer Würde, die selbst seinen Geg-
nern Bewunderung abnötigte, für Manet und
die Impressionisten gekämpft, deren erster
Historiker er war. Es soll auch nicht unter-
lassen werden, ins Gedächtnis zu rufen, daß
Duret der erste europäische Japan-Reisende
war (mit dem Baron Cernuschi) und die Be-
kanntschaft mit den japanischen Künstlern
vermittelte; er war auch einer der ersten be-
geisterten Wagnerianer.
Eine Senegalnegerin wacht als Wirtschafte-
rin über den Frieden dieses Hauses. Sie hat
eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem Porträt
einer jungen Mulattin, das Courbet gemalt hat,
aber das paßt mit ihrem Alter nicht zusammen,
und es blieb dem Maler van Houten (!) über-
lassen, ihr wahres Bild für die Nachwelt zu
konservieren. . . . Wir lunchen. ... An den
Wänden hängen alte Bekannte: Le Chateau
de Chillon von Courbet, mehrere Mädchen-
porträts von Renoir, ein Manet, ein Guys,
Mary Cassatt. Alle diese Bilder sind vor min-
destens 25 Jahren angekauft worden. Wirk-
lich lauter alte Bekannte, und als ich lange das
Bild des Hundes „Tama“ betrachte, das Manet
gemalt hat, sagt Duret: „. . . Ein Familienbild,
. . . ich habe mich davon nicht trennen kön-
nen.“ Genau so ging es mir mit der Kaße
„Lulu“, die alle Biskuitschachteln plünderte
und die ich nach einem Fehltritt um 1913 aufs
Land gab. Lulu wurde auf den Knien ihres
Fierrn sißend verewigt, und Vuillard hat bei
dieser Gelegenheit eines seiner schönsten
Bilder geschaffen.
(Forfseßung folgt)