14
WELT KUNST
Jahrg. IV, Nr. 49 vom 7. Dezember 1930
die sinnlich-sittliche Bedeutung der Farben
geben gute Lehren für die optisch-psycho-
logische Temperierung eines Bücherzimmers.
Der Buchfreund unserer Gegenwart muß sich
mehr denn je nach seiner Decke strecken, er
kann sich keinen Büchersaal seiner Phantasie
ausschmücken, Raumkunst seist Raumreichtum
voraus, Raummangel zwingt zu Behelfen, zur
Benutzung eines leicht umstellbaren Mobiliars,
das voll ausnußbar bleiben muß, und diese
praktische Tendenz wird maßgebend für den
Stil der meisten modernen Privatbibliotheken
sein, die deshalb ja noch keine nüchterne,
schmucklose Beschränkungen auf das gerade
noch Notwendige an Eisen- und Glasregalen
zu sein brauchen. Aber es liegt doch in dieser
praktischen Tendenz, daß sie ein reiner, nicht
ornamentativ zu verkleidender Zweckstil ist.
In der Regel wird der Büchersammler einer
Zeit stilistischer Zerrissenheit nicht dazu ge-
langen, gleich seinen Vorfahren die Architektur
seiner Bibliothek in einem einheitlichen Ge-
füge zu gestalten, er wird eher die Enge
seines Zimmers durch ein paar ästhetisch-
historische Akzentuierungen sich erweitern,
etwa die Folianten in einer alten Truhe auf-
bewahren, breite Türpfosten für Schmal-
ständer verwerten, welche Duodez- und
Sedezbändchen aufnehmen usw. Der Biblio-
thekskomfort, heutzutage hygienisch durch
Leselampen, Lesesessel, Lesetische aus-
geformt, hat in früheren Jahrhunderten man-
ches Büchereigerät gezeitigt, das so, wie es
ist, auch jeßt noch vielfach benußbar wird.
Der Foliant, der Quartant, machten ein Lese-
pult nötig, man konnte sie nicht ohne Er-
müdung in der Hand halten, man mußte sie
aufstüßen, es war für das Auge unbeguem,
sie flach auf den Tisch zu legen; ein kleines
Lesepult kann die besten Dienste bei Ar-
beiten leisten, bei denen zwei Bücher genauer
miteinander verglichen werden sollen, wofür
dann auch ein markierender Zeilenweiser recht
bequem ist. Die „Büchermaschine", das
„Leserad“, beschäftigte die Mechaniker des
17.—18. Jahrhunderts — eine vortreffliche Kon-
struktion gab ihm ein Nachkomme des be-
rühmten Grolier —, es hatte den Zweck, die
aufgeschlagenen Folianten- und Quartanten-
Reihen, die sich sonst nur auf einem langen
Tische ausbreiten liefen, in einem Drehgestell
unterzubringen, das man, behaglich vor dem
Schreibtisch sißend, in rasche Bewegung brin-
gen konnte. Der alte Bibliophile zierte sein
Museum gern wissenschaftlich aus, mit den
Dingen, die seinen Beschäftigungen am
nächsten lagen, mit klassischen Antiquitäten,
mit Bildnissen und Büsten einer von ihm
so gedachten geistigen Ahnengaterie, mit
Kuriositäten und Raritäten der drei Naturreiche.
Alles das hat sich nicht geändert, nur manches
gelehrte Rüstzeug hat sich gewandelt, wo
früher eine unförmliche Rechenmaschine stand,
steht jeßt ein komplizierter Apparat moderner
Technik. Die Erd- und Himmelskugeln, auch
die großen Wandkarten, vordem ein beliebtes
Schmuckmittel alter Büchereien, fehlen in den
unsrigen, wiewohl auch für sie der Globus des
15.—17. Jahrhunderts, fertig gerüstet, oder in
Kartenstreifen, zu den kostbaren Sammler-
stücken gehört. Nutzloser Überfluß soll ver-
mieden werden, ein Bibliotheksraffinement des
18. Jahrhunderts, die oberen Bücherfächer
durch eine Fahrstuhleinrichtung herab- und
heraufziehbar zu machen, möchte nun kaum
für eine technische Wertarbeit gelten. Die
Sachlichkeitsstrenge, die den modernen
Bibliothekskomfort ausmachen will, sollte sich
jedoch nicht allein auf die Einrichtungsstücke
einschränken, auch die Handhabung der
Bücher kann sachlich sein, das Hantieren mit
ihnen Buchpflege als Buchschonung üben und
dabei, in folgerichtiger Anpassung an die
zweckmäßigste Büchereieinrichtung die Haupt-
forderung der Rationaltechnik erfüllen, mit
einem geringsten Kraft- und Zeitaufwande
eine größte Nußleistung zu erzielen.
Zeichnungen alter Meister
im Berliner BCupferstichkabinett
Von Prof. Dr. Oskar Fi sc hei
Auf alten Besiß, der noch bis zu Friedrich
Wilhelm I. reicht und auf klugen Ausbau seit
einem halben Jahrhundert geht der Reichtum
des Berliner Kabinetts an niederländischen
Zeichnungen zurück. Besonders seit Friedrich
Lippmann der preußischen Hauptstadt durch
seine anspruchsvollen Erwerbungen ein
Kabinett von Weltruf gegründet hat, war die
Linie, in der es sich entwickeln sollte, festge-
legt. Hier hatte Preußen für das Reich zu
repräsentieren: darum hieß es vor allem die
germanischen Meister sammeln. Die
Öffentlichkeit und das Ministerium mußten
erst an Ausgaben gewöhnt werden für diese
großen Kunstwerke, die „nur ein Stich“ oder
„nichts als eine Skizze“ waren. Aber diesem
Kampf nach zwei Seiten, gegen die Obrigkeit
oder die damalige Unkenntnis und für den Er-
werb danken wir, zum prachtvollen graphi-
schen Werk Dürers und Rembrandts, auch die
Zeichnungen dieser Meister, und die ihrer
Zeitgenossen und Landsleute.
Vor neun Jahren legte die Direktion der
Sammlung ihren zweibändigen Katalog der
deutschen Blätter vor. Jeßt folgen die
Niederländer*). Der Textband mit den
Beschreibungen, Bestimmungen, Erörterungen,
der Abbildungsband mit 220 vorzüglich klaren
Lichtdrucktafeln, auf denen durchschnittlich
drei oder vier Blätter zusammengeordnet sind,
so daß ein großer Teil der wertvollsten Stücke
hier im Bild vor uns steht, hinlänglich groß,
um studiert zu werden oder als Erinnerung zu
dienen, in der Reproduktion gelungen genug,
um neugierig auf die Originale zu machen.
Am Typus, der sich für solche Kataloge
bildete, hat das Berliner Kabinett seinen
ehrenvollen Anteil. Max I. Friedländer,
dessen Blick und Verantwortungsgefühl auch
darüber waltete, zugleich mit der gewissen-
haften und erfahrenen Arbeit Elfried Bocks,
des jeßigen Leiters und Jakob Rosen-
bergs jungbewährter Kennerschaft, stellt als
Forderungen auf: „handliches Format, knappe
Beschreibung, Angabe von Herkunft, Samm-
lermarken, sachkundige Begründung des
Autornamens mit Literaturnachweisen“; dazu
möglichst viele kleine, aber scharfe Ab-
bildungen, für die Lichtdruck der Autotypie
vorzuziehen ist, weil der verringerte Maßstab
sich bei guter Wiedergabe durch die Lupe
ausgleichen läßt.
In hingebender, nun ebenso würdig wie an-
spruchslos herausgestellter Sachlichkeit ist
diese Arbeit gereift. Sie kommt einer Samm-
lung zugute und darf sich zugleich mit ihr
sehen lassen, die ihresgleichen wohl zum Teil
in London, Paris, Wien, Amsterdam, Haarlem
haben mag, aber von keinem dieser alten
Kabinette in ihrer Quantität, Qualität und
historischen Vollständigkeit übertroffen wird.
Es ist so, wie die Einleitung sagt: kaum ein
Meister fehlt. Der übersichtliche, in vier große
Kapitel geordnete Katalog umfaßt etwa
5000 Blätter von den Meistern des 15. Jahr-
hunderts, des 16., des 17. und 18., und den
Unbekannten des 17. und 18. Jahrhunderts. In
sich sind diese Teile jedesmal alphabetisch
geordnet.
Die Reihe kann also gleich mit Bosch be-
ginnen. Der seltene Meister zieht hier mit
vier Doppelblättern, also acht sicheren Zeich-
nungen auf, die vor der Gewissenhaftigkeit
der Verfasser bestanden haben. Wenn es
hier einmal heißt: — bei der Eule im Baum —
„von höchster Qualität", ein andermal gleich
danach: „scheint Originalarbeit, wenngleich
der Antonius Schwächen zeigt“, so be-
deutet dies einen viel verheißenden Auftakt:
man weiß, daß es hier keine Schwächenan-
wandlungen beim Beurteilen des Vorhandenen,
Erworbenen, oder noch zu Erwerbenden gibt;
*) Zeichnungen alter Meister i !n
Berliner Kupferstichkabinett. Im
Auftrag des Generaldirektors herausgegeben von
Maxi. Friedländer. Die niederländi-
schen Meister, beschreibendes Verzeichnis
sämtlicher Zeichnungen mit 220 Lichtdrucktafeln, be-
arbeitet von Elfried Bock und Jakob
Rosenberg. Band I Text, Band II Tafeln, im
Verlag von Julius Bard, Berlin 1930.
man ist über die nicht ins Wanken zu brin-
gende Tradition des eigentlich jungen In-
stituts beruhigter, wie über die manches
älteren. Auch bei Max I. Friedländers eigen-
ster Domäne, den alten Flandern — gerade
da! — heißt es von der schönen Verkündigung
in Silberstift: „kommt
Bouts sehr nahe“; beim
Bildnis einer jungen
Frau in Silberstiff: „von
überragender Qualität;
kommt als Arbeit
Hugos van der Goes in
Betracht".
Hinter solcher Kata-
logarbeit, nach solchen
Bestimmungen, werden
künftige Generationen,
sollten sie sich über-
haupt noch für die un-
praktische Wahrheit
interessieren, nicht viel
aufzuräumen finden.
Dem 16. Jahrhundert
zieht der alte Pieter
B r u e g e 1 voran. Man
kann sich nicht denken,
daß er irgendwo reicher
und sprechender ver-
treten wäre, als hier
mit dem Alchimisten,
dem Esel in der Schule,
den Skizzen seiner
Reise von der Martins-
wand bei Innsbruck bis
Süd-Frankreich und
den monumentalen
Bauerntypen.
Unter den Manie-
risten glänzt eine
unübertreffliche Kollek-
tion von Jacob d e
G h e y n : das Jüng-
Imgsbild auf dem Emp-
fehlungsbrief, die tote
Ratte, der säende
Satan brauchen bloß
genannt zu werden, um
die Originalität des
Meisters ahnen zu
lassen. Neben ihm
steht wenig jünger der
Inbegriff von freiestem,
ewig gültigem „Manie-
rismus“, die Feder- und
Pinsel- Improvisationen
von Willem Buyte-
w e c h : sein gestran-
deter Walfisch und die
Flachlandschaft sind
aus feinster Feder
ebenso geistreich ge-
staltet wie diese la-
vierten Skizzen von
Gesellschaftsszenen
und Kavalieren im
Zeitkostüm von ge-
radezu zeitloser Grazie.
Der Heuwagenzug, die
Gesellschaft im sonni-
gen Park sind noch
eben erst dazu-
erworben.
Die stolzeste Gruppe
der Sammlung, die
Zeichner des 17. Jahr-
hunderts, werden angeführt von Hendrick
Avercamp. Vielleicht hat nur noch
Windsor Castle eine ähnliche Gruppe
von Arbeiten dieses liebenswürdigen Aqua-
rellisten und Plauderers. Gegen soviel
Ausführlichkeit seßt Adriaen Bro u wer
seinen wilden Federstrich: nur in solcher Ab-
breviatur kann sich diese kühne Malerhand
auf dem Papier ergehen. Unser Wilhelm
Busch hat diesen Bauerntanz geahnt.
Eine Überraschung unser Reichtum an
Rubens! Kritische Sichtung hat aus bei-
seite gelegtem Vorrat und unter anderen
Namen manches dem Meister zurückge-
wonnen. In kühner Bisterlavierung das große
doppelseitige Frauenbad, beflügelt im Feder-
zug die Gruppen der Dresdner Wildschwein-
jagd, ausführlich in Rötel und Kreide, — in
Watteaus Technik! — eine der auch im
Format üppigen Schönen vom Liebesgarten,
nur noch den majestätischen Blättern im Fodor
Museum vergleichbar; ein Gufshof aus den
Bruegel - Blättern herausgefunden wurde.
Van Dyck steht als Skizzierer in Rubens
„überrubensender" Freiheit wie als ausführ-
licher Durchgestalter des Porträts da. In einer
stolzen Gruppe lernt man den besonderen
Reiz von J o r d a e n s Kunst, seine farbig
leuchtenden Zeichnungen kennen.
Rembrandts Wesen als Zeichner lebt
wohl noch in der Erinnerung an die Aus-
stellung der Berliner Akademie nach. Ein und
ein halbes hundert Blätter besitzt unser Ka-
Willem Buytewech, Junger Kavalier. Um 1615
Jeune gentilhomme — Young cavalier
Federzeichnung, getuscht — Blume et encre de Chine — Pen and ink drawing
Berlin, Kupferstichkabinett
binett, manches. schon alter Besiß, mehr seit
fünfzig Jahren, seit 1876 die Reihe der aktiven
Direktoren mit dem schöpferischen Lippmann
begann, erworben. Mit welcher Klugheit ist
liier die Tradition des Sammelns eingefangen,
aufgenommen und eingepflanzt. Im Jahre
1877 erwarb man die Sammlung Posonyi aus
den Händen des Pariser Kunstfreundes Hulot.
1902 kam die erlesene Reihe von Beckerath
dazu und damit schließt sich unser Kabinett
den ehrwürdigen alten Sammlungen an. Das
„Opfer Manoahs“ kommt über Esdaile von
Thomas Lawrence her. Der „blutige Rock"
trägt den, immer untrüglichen Wert bezeich-
nenden Stempel von Sir Joshua Reynolds;
das Blatt war schon beim jüngeren Richardson;
von diesem großen Sammler stammt auch
„Samuel bei Eli"; ebenso die von Rembrandt
aus Alltäglichem ins herrlichst Visionäre hin-
aufkorrigierte Schülerarbeit der „Verkündi-
gung“. Die Lichtvision der „Olberg“-Szene
besaß Thomas Lawrence, den sißenden Pro-
pheten in Rötel gar Ploos van Amstel, der
Sammler und Nachbildner des Köstlichsten,
was unmittelbar aus den alten Ateliers in die
Mappen der ersten Liebhaber floß; welcher
Stammbaum zu welchen Werken! Kaum wagt
man noch anderes zu erwähnen und doch ist
Ploos van Amstels Liebling Ostade in
höchster Form mit dem Maler an der Staffelei
vertreten; Aelbert C u y p, so vielseitig wie je
mit Landschaften, Figuren, Porträts; G o y e n
in Skizzenbuchbläftern nach flachen Mo-
tiven hier, was schon der Bau seiner Bilder
und seine Staffagen ahnen lassen, als ganz
starker Zeichner. Keiner fehlt von den großen
Landschaftern: Philips de Köninck mit ge-
nialen Miniaturen seiner weiten Motive, Roe-
lant S a v e r y mit köstlichen farbigen Details
aus den Tiroler Bergen; Ruysdael mit
Sonnenglanz durch Meeresdunst und intimen
Heidemotiven, Adriaen van de Velde,
sprißig wie je in den Kugelspielern, verträumt
in dem ganz farbigen Zauber über abge-
ernteten Feldern mit kämpfender Sonne;
Willem van de Velde mit seiner in Luft
und Wasser sprühenden Rheede von Amster-
dam. Unter den Gesellschaftsmalern Über-
rascht neben Terborch und M e t s u die
selbstironische Galanterie der Kavaliere von
Palamedes.
Ein Kompendium der niederländischen
Zeichnung ist mit diesem Katalog geschaffen
und durch die gebotene Nüchternheit der Ar-
beit triumphiert eigentlich der Saß aus der
Einleitung: Linser Bestand zeichnet sich aus
durch Lückenlosigkeit und macht den
Eindruck systematischen Aufbaus.—
Man wünscht dem Verlag, der dieses Re-
pertorium niederländischer Zeichnung im schön
gedruckten Text und den, jeder Vergrößerung
standhaltenden Lichtdrucktafeln heraus-
brachte, den Erfolg, der ihm ein Weiterwirken
zu solch allgemeinnüßlichem Tun ermöglicht.
Fünf Jahre Freunde der
Graphischen 3ammlung
in München
Der von dem tatkräftigen Direktor W e i g-
m a n n gegründete Verein der Freunde der
Graphischen Sammlung in München kann
heuer auf eine fünfjährige Tätigkeit zurück-
blicken. Ein bei dieser Gelegenheit heraus-
gegebener Bericht läßt zunächst erkennen,
daß es durch die Beihilfe dieser rund 90 Mit-
glieder umfassenden Gesellschaft möglich
war, an dem Ausbau des angesehenen Insti-
tutes, das infolge seiner Geldknappheit sonst
zur Resignation verurteilt wäre, wenn auch
in bescheidenem Maße weiterzuarbeden. So
gab es wenigstens keinen Stillstand, der auf
diesem Gebiete vielleicht ganz besonders
einem Rückschritt gleichkäme.
Rund 25 000 M. konnten für Ankäufe auf-
gewendet werden. Das will uns freilich eine
geringe Summe scheinen in Anbefracht der
enormen Preise, die heutzutage für gute,
frühe Abdrucke oder gar Handzeichnungen
angelegt werden müssen. Aus diesem
Grunde wäre zu wünschen, daß dieser Stüß-
pfeiler der Sammlung noch iragfähiger ge-
staltet werden könnte. Nicht nu die Evident-
erhaltung der Gegenwart erfordert Mittel,
auch der alte Grundstock — und besonders,
wenn er so bedeutend ist wie hier — ver-
langt seine Rechte. Eine graphische Samm-
lung ist keine Briefmarkensammlung, in der
jede Marke nur einmal vertreten zu sein
braucht: Ausbau ist Bereicherung, Steigerung
der Qualität und erheischt Mittel, um zu-
greifen zu können, wenn sich die Möglichkeit
bietet. Immerhin kann hier die Feststellung
gemacht werden, daß auch mit geringen
Mitteln etwas geleistet werden kann.
In diesem Sinne haben die Sonderveran-
sfaltungen des Vereins eine doppeltwerbende
Bedeutung, indem sie nicht nur das Interesse
an der Graphik als solcher fördern, sondern
auch einen Blick in das innere Leben dieser
Sammlung tun lassen wollen.
Auch der Sonderveranstaltung,
mit der der Verein am 14. November sein
neues Vereinsjahr begann, wohnte diese Ab-
sicht inne. Neben den aus den Mitteln der
Gesellschaft erworbenen Arbeiten aus alter
und neuer Zeit war eine Kollektion von
Handzeichnungen altdeutscher
Meister des 15. und 16. Jahrhunderts aus
staatlichem Besiß zur Schau gestellt, über
die Hauptkonservator Dr. Muchall-Viebrook
referierte. Er ging aus von der gärenden
Bewegung im Geistesleben um die Wende
des 15. Jahrhunderts, die den Charakter der
deutschen Zeichnung von Grund aus änderte
und zu einer neuen Einstellung gegenüber
WELT KUNST
Jahrg. IV, Nr. 49 vom 7. Dezember 1930
die sinnlich-sittliche Bedeutung der Farben
geben gute Lehren für die optisch-psycho-
logische Temperierung eines Bücherzimmers.
Der Buchfreund unserer Gegenwart muß sich
mehr denn je nach seiner Decke strecken, er
kann sich keinen Büchersaal seiner Phantasie
ausschmücken, Raumkunst seist Raumreichtum
voraus, Raummangel zwingt zu Behelfen, zur
Benutzung eines leicht umstellbaren Mobiliars,
das voll ausnußbar bleiben muß, und diese
praktische Tendenz wird maßgebend für den
Stil der meisten modernen Privatbibliotheken
sein, die deshalb ja noch keine nüchterne,
schmucklose Beschränkungen auf das gerade
noch Notwendige an Eisen- und Glasregalen
zu sein brauchen. Aber es liegt doch in dieser
praktischen Tendenz, daß sie ein reiner, nicht
ornamentativ zu verkleidender Zweckstil ist.
In der Regel wird der Büchersammler einer
Zeit stilistischer Zerrissenheit nicht dazu ge-
langen, gleich seinen Vorfahren die Architektur
seiner Bibliothek in einem einheitlichen Ge-
füge zu gestalten, er wird eher die Enge
seines Zimmers durch ein paar ästhetisch-
historische Akzentuierungen sich erweitern,
etwa die Folianten in einer alten Truhe auf-
bewahren, breite Türpfosten für Schmal-
ständer verwerten, welche Duodez- und
Sedezbändchen aufnehmen usw. Der Biblio-
thekskomfort, heutzutage hygienisch durch
Leselampen, Lesesessel, Lesetische aus-
geformt, hat in früheren Jahrhunderten man-
ches Büchereigerät gezeitigt, das so, wie es
ist, auch jeßt noch vielfach benußbar wird.
Der Foliant, der Quartant, machten ein Lese-
pult nötig, man konnte sie nicht ohne Er-
müdung in der Hand halten, man mußte sie
aufstüßen, es war für das Auge unbeguem,
sie flach auf den Tisch zu legen; ein kleines
Lesepult kann die besten Dienste bei Ar-
beiten leisten, bei denen zwei Bücher genauer
miteinander verglichen werden sollen, wofür
dann auch ein markierender Zeilenweiser recht
bequem ist. Die „Büchermaschine", das
„Leserad“, beschäftigte die Mechaniker des
17.—18. Jahrhunderts — eine vortreffliche Kon-
struktion gab ihm ein Nachkomme des be-
rühmten Grolier —, es hatte den Zweck, die
aufgeschlagenen Folianten- und Quartanten-
Reihen, die sich sonst nur auf einem langen
Tische ausbreiten liefen, in einem Drehgestell
unterzubringen, das man, behaglich vor dem
Schreibtisch sißend, in rasche Bewegung brin-
gen konnte. Der alte Bibliophile zierte sein
Museum gern wissenschaftlich aus, mit den
Dingen, die seinen Beschäftigungen am
nächsten lagen, mit klassischen Antiquitäten,
mit Bildnissen und Büsten einer von ihm
so gedachten geistigen Ahnengaterie, mit
Kuriositäten und Raritäten der drei Naturreiche.
Alles das hat sich nicht geändert, nur manches
gelehrte Rüstzeug hat sich gewandelt, wo
früher eine unförmliche Rechenmaschine stand,
steht jeßt ein komplizierter Apparat moderner
Technik. Die Erd- und Himmelskugeln, auch
die großen Wandkarten, vordem ein beliebtes
Schmuckmittel alter Büchereien, fehlen in den
unsrigen, wiewohl auch für sie der Globus des
15.—17. Jahrhunderts, fertig gerüstet, oder in
Kartenstreifen, zu den kostbaren Sammler-
stücken gehört. Nutzloser Überfluß soll ver-
mieden werden, ein Bibliotheksraffinement des
18. Jahrhunderts, die oberen Bücherfächer
durch eine Fahrstuhleinrichtung herab- und
heraufziehbar zu machen, möchte nun kaum
für eine technische Wertarbeit gelten. Die
Sachlichkeitsstrenge, die den modernen
Bibliothekskomfort ausmachen will, sollte sich
jedoch nicht allein auf die Einrichtungsstücke
einschränken, auch die Handhabung der
Bücher kann sachlich sein, das Hantieren mit
ihnen Buchpflege als Buchschonung üben und
dabei, in folgerichtiger Anpassung an die
zweckmäßigste Büchereieinrichtung die Haupt-
forderung der Rationaltechnik erfüllen, mit
einem geringsten Kraft- und Zeitaufwande
eine größte Nußleistung zu erzielen.
Zeichnungen alter Meister
im Berliner BCupferstichkabinett
Von Prof. Dr. Oskar Fi sc hei
Auf alten Besiß, der noch bis zu Friedrich
Wilhelm I. reicht und auf klugen Ausbau seit
einem halben Jahrhundert geht der Reichtum
des Berliner Kabinetts an niederländischen
Zeichnungen zurück. Besonders seit Friedrich
Lippmann der preußischen Hauptstadt durch
seine anspruchsvollen Erwerbungen ein
Kabinett von Weltruf gegründet hat, war die
Linie, in der es sich entwickeln sollte, festge-
legt. Hier hatte Preußen für das Reich zu
repräsentieren: darum hieß es vor allem die
germanischen Meister sammeln. Die
Öffentlichkeit und das Ministerium mußten
erst an Ausgaben gewöhnt werden für diese
großen Kunstwerke, die „nur ein Stich“ oder
„nichts als eine Skizze“ waren. Aber diesem
Kampf nach zwei Seiten, gegen die Obrigkeit
oder die damalige Unkenntnis und für den Er-
werb danken wir, zum prachtvollen graphi-
schen Werk Dürers und Rembrandts, auch die
Zeichnungen dieser Meister, und die ihrer
Zeitgenossen und Landsleute.
Vor neun Jahren legte die Direktion der
Sammlung ihren zweibändigen Katalog der
deutschen Blätter vor. Jeßt folgen die
Niederländer*). Der Textband mit den
Beschreibungen, Bestimmungen, Erörterungen,
der Abbildungsband mit 220 vorzüglich klaren
Lichtdrucktafeln, auf denen durchschnittlich
drei oder vier Blätter zusammengeordnet sind,
so daß ein großer Teil der wertvollsten Stücke
hier im Bild vor uns steht, hinlänglich groß,
um studiert zu werden oder als Erinnerung zu
dienen, in der Reproduktion gelungen genug,
um neugierig auf die Originale zu machen.
Am Typus, der sich für solche Kataloge
bildete, hat das Berliner Kabinett seinen
ehrenvollen Anteil. Max I. Friedländer,
dessen Blick und Verantwortungsgefühl auch
darüber waltete, zugleich mit der gewissen-
haften und erfahrenen Arbeit Elfried Bocks,
des jeßigen Leiters und Jakob Rosen-
bergs jungbewährter Kennerschaft, stellt als
Forderungen auf: „handliches Format, knappe
Beschreibung, Angabe von Herkunft, Samm-
lermarken, sachkundige Begründung des
Autornamens mit Literaturnachweisen“; dazu
möglichst viele kleine, aber scharfe Ab-
bildungen, für die Lichtdruck der Autotypie
vorzuziehen ist, weil der verringerte Maßstab
sich bei guter Wiedergabe durch die Lupe
ausgleichen läßt.
In hingebender, nun ebenso würdig wie an-
spruchslos herausgestellter Sachlichkeit ist
diese Arbeit gereift. Sie kommt einer Samm-
lung zugute und darf sich zugleich mit ihr
sehen lassen, die ihresgleichen wohl zum Teil
in London, Paris, Wien, Amsterdam, Haarlem
haben mag, aber von keinem dieser alten
Kabinette in ihrer Quantität, Qualität und
historischen Vollständigkeit übertroffen wird.
Es ist so, wie die Einleitung sagt: kaum ein
Meister fehlt. Der übersichtliche, in vier große
Kapitel geordnete Katalog umfaßt etwa
5000 Blätter von den Meistern des 15. Jahr-
hunderts, des 16., des 17. und 18., und den
Unbekannten des 17. und 18. Jahrhunderts. In
sich sind diese Teile jedesmal alphabetisch
geordnet.
Die Reihe kann also gleich mit Bosch be-
ginnen. Der seltene Meister zieht hier mit
vier Doppelblättern, also acht sicheren Zeich-
nungen auf, die vor der Gewissenhaftigkeit
der Verfasser bestanden haben. Wenn es
hier einmal heißt: — bei der Eule im Baum —
„von höchster Qualität", ein andermal gleich
danach: „scheint Originalarbeit, wenngleich
der Antonius Schwächen zeigt“, so be-
deutet dies einen viel verheißenden Auftakt:
man weiß, daß es hier keine Schwächenan-
wandlungen beim Beurteilen des Vorhandenen,
Erworbenen, oder noch zu Erwerbenden gibt;
*) Zeichnungen alter Meister i !n
Berliner Kupferstichkabinett. Im
Auftrag des Generaldirektors herausgegeben von
Maxi. Friedländer. Die niederländi-
schen Meister, beschreibendes Verzeichnis
sämtlicher Zeichnungen mit 220 Lichtdrucktafeln, be-
arbeitet von Elfried Bock und Jakob
Rosenberg. Band I Text, Band II Tafeln, im
Verlag von Julius Bard, Berlin 1930.
man ist über die nicht ins Wanken zu brin-
gende Tradition des eigentlich jungen In-
stituts beruhigter, wie über die manches
älteren. Auch bei Max I. Friedländers eigen-
ster Domäne, den alten Flandern — gerade
da! — heißt es von der schönen Verkündigung
in Silberstift: „kommt
Bouts sehr nahe“; beim
Bildnis einer jungen
Frau in Silberstiff: „von
überragender Qualität;
kommt als Arbeit
Hugos van der Goes in
Betracht".
Hinter solcher Kata-
logarbeit, nach solchen
Bestimmungen, werden
künftige Generationen,
sollten sie sich über-
haupt noch für die un-
praktische Wahrheit
interessieren, nicht viel
aufzuräumen finden.
Dem 16. Jahrhundert
zieht der alte Pieter
B r u e g e 1 voran. Man
kann sich nicht denken,
daß er irgendwo reicher
und sprechender ver-
treten wäre, als hier
mit dem Alchimisten,
dem Esel in der Schule,
den Skizzen seiner
Reise von der Martins-
wand bei Innsbruck bis
Süd-Frankreich und
den monumentalen
Bauerntypen.
Unter den Manie-
risten glänzt eine
unübertreffliche Kollek-
tion von Jacob d e
G h e y n : das Jüng-
Imgsbild auf dem Emp-
fehlungsbrief, die tote
Ratte, der säende
Satan brauchen bloß
genannt zu werden, um
die Originalität des
Meisters ahnen zu
lassen. Neben ihm
steht wenig jünger der
Inbegriff von freiestem,
ewig gültigem „Manie-
rismus“, die Feder- und
Pinsel- Improvisationen
von Willem Buyte-
w e c h : sein gestran-
deter Walfisch und die
Flachlandschaft sind
aus feinster Feder
ebenso geistreich ge-
staltet wie diese la-
vierten Skizzen von
Gesellschaftsszenen
und Kavalieren im
Zeitkostüm von ge-
radezu zeitloser Grazie.
Der Heuwagenzug, die
Gesellschaft im sonni-
gen Park sind noch
eben erst dazu-
erworben.
Die stolzeste Gruppe
der Sammlung, die
Zeichner des 17. Jahr-
hunderts, werden angeführt von Hendrick
Avercamp. Vielleicht hat nur noch
Windsor Castle eine ähnliche Gruppe
von Arbeiten dieses liebenswürdigen Aqua-
rellisten und Plauderers. Gegen soviel
Ausführlichkeit seßt Adriaen Bro u wer
seinen wilden Federstrich: nur in solcher Ab-
breviatur kann sich diese kühne Malerhand
auf dem Papier ergehen. Unser Wilhelm
Busch hat diesen Bauerntanz geahnt.
Eine Überraschung unser Reichtum an
Rubens! Kritische Sichtung hat aus bei-
seite gelegtem Vorrat und unter anderen
Namen manches dem Meister zurückge-
wonnen. In kühner Bisterlavierung das große
doppelseitige Frauenbad, beflügelt im Feder-
zug die Gruppen der Dresdner Wildschwein-
jagd, ausführlich in Rötel und Kreide, — in
Watteaus Technik! — eine der auch im
Format üppigen Schönen vom Liebesgarten,
nur noch den majestätischen Blättern im Fodor
Museum vergleichbar; ein Gufshof aus den
Bruegel - Blättern herausgefunden wurde.
Van Dyck steht als Skizzierer in Rubens
„überrubensender" Freiheit wie als ausführ-
licher Durchgestalter des Porträts da. In einer
stolzen Gruppe lernt man den besonderen
Reiz von J o r d a e n s Kunst, seine farbig
leuchtenden Zeichnungen kennen.
Rembrandts Wesen als Zeichner lebt
wohl noch in der Erinnerung an die Aus-
stellung der Berliner Akademie nach. Ein und
ein halbes hundert Blätter besitzt unser Ka-
Willem Buytewech, Junger Kavalier. Um 1615
Jeune gentilhomme — Young cavalier
Federzeichnung, getuscht — Blume et encre de Chine — Pen and ink drawing
Berlin, Kupferstichkabinett
binett, manches. schon alter Besiß, mehr seit
fünfzig Jahren, seit 1876 die Reihe der aktiven
Direktoren mit dem schöpferischen Lippmann
begann, erworben. Mit welcher Klugheit ist
liier die Tradition des Sammelns eingefangen,
aufgenommen und eingepflanzt. Im Jahre
1877 erwarb man die Sammlung Posonyi aus
den Händen des Pariser Kunstfreundes Hulot.
1902 kam die erlesene Reihe von Beckerath
dazu und damit schließt sich unser Kabinett
den ehrwürdigen alten Sammlungen an. Das
„Opfer Manoahs“ kommt über Esdaile von
Thomas Lawrence her. Der „blutige Rock"
trägt den, immer untrüglichen Wert bezeich-
nenden Stempel von Sir Joshua Reynolds;
das Blatt war schon beim jüngeren Richardson;
von diesem großen Sammler stammt auch
„Samuel bei Eli"; ebenso die von Rembrandt
aus Alltäglichem ins herrlichst Visionäre hin-
aufkorrigierte Schülerarbeit der „Verkündi-
gung“. Die Lichtvision der „Olberg“-Szene
besaß Thomas Lawrence, den sißenden Pro-
pheten in Rötel gar Ploos van Amstel, der
Sammler und Nachbildner des Köstlichsten,
was unmittelbar aus den alten Ateliers in die
Mappen der ersten Liebhaber floß; welcher
Stammbaum zu welchen Werken! Kaum wagt
man noch anderes zu erwähnen und doch ist
Ploos van Amstels Liebling Ostade in
höchster Form mit dem Maler an der Staffelei
vertreten; Aelbert C u y p, so vielseitig wie je
mit Landschaften, Figuren, Porträts; G o y e n
in Skizzenbuchbläftern nach flachen Mo-
tiven hier, was schon der Bau seiner Bilder
und seine Staffagen ahnen lassen, als ganz
starker Zeichner. Keiner fehlt von den großen
Landschaftern: Philips de Köninck mit ge-
nialen Miniaturen seiner weiten Motive, Roe-
lant S a v e r y mit köstlichen farbigen Details
aus den Tiroler Bergen; Ruysdael mit
Sonnenglanz durch Meeresdunst und intimen
Heidemotiven, Adriaen van de Velde,
sprißig wie je in den Kugelspielern, verträumt
in dem ganz farbigen Zauber über abge-
ernteten Feldern mit kämpfender Sonne;
Willem van de Velde mit seiner in Luft
und Wasser sprühenden Rheede von Amster-
dam. Unter den Gesellschaftsmalern Über-
rascht neben Terborch und M e t s u die
selbstironische Galanterie der Kavaliere von
Palamedes.
Ein Kompendium der niederländischen
Zeichnung ist mit diesem Katalog geschaffen
und durch die gebotene Nüchternheit der Ar-
beit triumphiert eigentlich der Saß aus der
Einleitung: Linser Bestand zeichnet sich aus
durch Lückenlosigkeit und macht den
Eindruck systematischen Aufbaus.—
Man wünscht dem Verlag, der dieses Re-
pertorium niederländischer Zeichnung im schön
gedruckten Text und den, jeder Vergrößerung
standhaltenden Lichtdrucktafeln heraus-
brachte, den Erfolg, der ihm ein Weiterwirken
zu solch allgemeinnüßlichem Tun ermöglicht.
Fünf Jahre Freunde der
Graphischen 3ammlung
in München
Der von dem tatkräftigen Direktor W e i g-
m a n n gegründete Verein der Freunde der
Graphischen Sammlung in München kann
heuer auf eine fünfjährige Tätigkeit zurück-
blicken. Ein bei dieser Gelegenheit heraus-
gegebener Bericht läßt zunächst erkennen,
daß es durch die Beihilfe dieser rund 90 Mit-
glieder umfassenden Gesellschaft möglich
war, an dem Ausbau des angesehenen Insti-
tutes, das infolge seiner Geldknappheit sonst
zur Resignation verurteilt wäre, wenn auch
in bescheidenem Maße weiterzuarbeden. So
gab es wenigstens keinen Stillstand, der auf
diesem Gebiete vielleicht ganz besonders
einem Rückschritt gleichkäme.
Rund 25 000 M. konnten für Ankäufe auf-
gewendet werden. Das will uns freilich eine
geringe Summe scheinen in Anbefracht der
enormen Preise, die heutzutage für gute,
frühe Abdrucke oder gar Handzeichnungen
angelegt werden müssen. Aus diesem
Grunde wäre zu wünschen, daß dieser Stüß-
pfeiler der Sammlung noch iragfähiger ge-
staltet werden könnte. Nicht nu die Evident-
erhaltung der Gegenwart erfordert Mittel,
auch der alte Grundstock — und besonders,
wenn er so bedeutend ist wie hier — ver-
langt seine Rechte. Eine graphische Samm-
lung ist keine Briefmarkensammlung, in der
jede Marke nur einmal vertreten zu sein
braucht: Ausbau ist Bereicherung, Steigerung
der Qualität und erheischt Mittel, um zu-
greifen zu können, wenn sich die Möglichkeit
bietet. Immerhin kann hier die Feststellung
gemacht werden, daß auch mit geringen
Mitteln etwas geleistet werden kann.
In diesem Sinne haben die Sonderveran-
sfaltungen des Vereins eine doppeltwerbende
Bedeutung, indem sie nicht nur das Interesse
an der Graphik als solcher fördern, sondern
auch einen Blick in das innere Leben dieser
Sammlung tun lassen wollen.
Auch der Sonderveranstaltung,
mit der der Verein am 14. November sein
neues Vereinsjahr begann, wohnte diese Ab-
sicht inne. Neben den aus den Mitteln der
Gesellschaft erworbenen Arbeiten aus alter
und neuer Zeit war eine Kollektion von
Handzeichnungen altdeutscher
Meister des 15. und 16. Jahrhunderts aus
staatlichem Besiß zur Schau gestellt, über
die Hauptkonservator Dr. Muchall-Viebrook
referierte. Er ging aus von der gärenden
Bewegung im Geistesleben um die Wende
des 15. Jahrhunderts, die den Charakter der
deutschen Zeichnung von Grund aus änderte
und zu einer neuen Einstellung gegenüber