12
WELTKUNST
Jahrg. IV, Nr. 51/52 vom 21. Dezember 1930
Ohrringe, eine schwere goldene Brosche sehr
schöner Arbeit, zwei bemerkenswert gut ge-
arbeitete Armbänder, drei Ketten, davon eine
schwer und groß, schließlich noch 13 Gold-
münzen, 33 Silbermünzen und drei weitere
große silberne, vergoldete Teller mit Relief-
schmuck zutage. Die Münzen stammen
z. T. noch aus republikanischer Zeit.
Nach der oberflächlichen Prüfung, die bis-
her stattfinden konnte, stellt sich dieser Fund
als erstrangig dar und dürfte dem Louvre-
schaß der Villa Prisco noch überlegen sein.
Die Überführung des Schaßes nach Neapel
wurde sofort vorgenommen, doch werden die
Ausgrabungen in dem Hause Nr. 4 weiter-
geführt. G. R.
P. 1 RISER
Inflation der Leinwände
Von Carl Einstein, Paris
Man zieht Bilder den Büchern vor; denn
leßtere muß man lesen und das kostet Zeit.
Außerdem; mit einem sprachlichen Erzeugnis
durch Rede sich auseinanderseßen ist ge-
wagter; hier stehen gleiche Mittel gegenein-
ander; die metaforische Gewalt und Ferne
sind verringert, und die Gefahr der Blamage
droht näher, während Bilder hilflos sich miß-
brauchen lassen.
Mit diesen schafft der Gerissene sich eine
Kulisse, der mangelnde Person verdeckt, man
kauft sich Phantasie, und Werte kloßen aus
den Rahmen. Achtung, man h eßt Bilder spe-
kulativ zu Tode und überanstrengt die Be-
wunderungsmaschinen.
Die Welt beklagt die Überproduktion, —
immerhin lobe ich mir diesen färbenden
Massenbetrieb, der dem Land die Zahl der
Arbeitlosen mindert.
Drei Salons stehen in Paris gleichzeitig
leer.
1. der Salon d’aufomne, der Jahrmarkt der
Dekorateure, der gemessenen und gepflegten
Vendeurs,
2. die trostlos verkommenen Independants,
3. die zuchtvolleren Surindependants, worin
etwas wie Jugend, Suche und Gewissen
leuchtet.
Der Salon d’a u t o m n e, das ist noch
immer der Markt herbstlich verfallener Spät-
impressionisten. Dort brütet noch ondulierter
Symbolismus, dazwischen weiden friedlich
verschnittene fauves. In diesem Bazar zeigt
man mehr als zweitausendfünfhundert Ar-
beiten, sinnloses Quantum. Ausgeleiertes
kleines Handwerk, betrieben von der Unter-
internationale des belanglosen Durchschnitts.
Nennen wir drei Maler aus Lyon, brave Leute,
die verspätet experimentieren. Diese drei
Maler sind Ravi er (1814—95), — Vernay
(1821—96), der bisweilen das Sekundäre im
Werk Cezannes streift, ohne das Grund-
problem Volumen zu rühren, — Carraud
(1821—99), der, zwischen Turner, Monticelli-
Reste von Dixhuifieme verwischt. Diese drei
sind Zeichen des bornierten Hochmutes der
soyeux von Lyon, die heute, um ä la page zu
sein, düster hingehauene Derains, fettige
Vlamincks und andere Zwischenware kaufen.
Die Independant s sind zu einem Müll-
eimer verschimmelter Schinken verkommen.
Jämmerlich ergreiste Reste.
Bleiben die Surindependants. Hier
lasten die Schatten Picassos, Dadas und des
verfallenden Surrealisme. Mit Andre Beau-
chant versucht man eine neue Rousseaukon-
junktur, klassische Mythologie, Abglanz dürrer
Schulbücher, idyllisches Herz und geregelte
Kompositionskaserne. Verkalkte Schemas und
philologische Einfalt.
Dann die neuen Fauves. Da sind Beaudin, |
SALONS
Bores (wohl der Begabtere), Vines, Schleiern
in symbolisierendem Impressionismus wolkig
trübe Lyrismen, Technik der angedeuteten Ge-
heimnisse, die jeder kennt. Nebeltrunkene, zer-
bröckelter Carriere mit kubistischem Ab-
brechen, stürmische Pfote ohne Wagnis.
Hingegen die Geölten, die Deutlichkeit der
schönen Malerei; Herbin: der Kunstgewerbe-
Michelangelo, — Viollier, Surrealisme als An-
sichtspostkarte, Eiferngrab als Dämonie, —
Boyer, ganz nett, eine gerissene Einfalt, —
Calder, Mischung von Cowboy und gestauter
Kinderei, — Serge Ferat, man entwickelt sich
von einem zum andern, jeßt etwas blauen
Duphy in die Tube, — Freundlich, hier starrt
einer, der nie sich gerührt, — Gleize, der
Doktrinär der ewigen Malmädchen, Kubismus
des Dritteinhalben Stadiums; protestantische
Farbe, vegetarische Mentalität. Er hofft noch
immer für den Kubismus kämpfen zu müssen,
während der Karre längst weitergefahren ist
und in anderen Gleisen schwirrt. Seine
Kubismusbroschüre (Bauhausverlag) gibt Per-
spektive aus der toten Ecke, man verzerrt zu-
gunsten der kleineren Leute.
Da weißt Ozenfant; in keuschem Wedge-
wood und enger Grammatik badet er späte
Nausikaas. Hellenistisch standardisierte Nackt-
kultur. — Guten Tag, Kurt Schwitters; sein
Hochgebirge ist eine Gegend zwischen Märchen
und Nachttisch, doch lebendiger als die dicken
Kosmetiken der tönenden Expressionisten
vieler Museen. — Paule Vezeley, die beste der
Malerinnen, der das Herz neuer und frischer
sich regt als den meisten Halbmännern. Doch
die Begabtesten fehlen; Andre Masson, der
kräftigste, der eine Welt totemistischer Angst
und bindenden Geschicks gefunden, die stets
an Bedeutung wächst; — Miro, der pittoresker
Anekdote entwächst und heftig sich züchtet;
— Roux, ein Maler und Humorist; — Giaco-
metti, ein Schweizer Bildhauer, von dem zu
reden ist, und Arp, der Volkslieddichter.
Wann endlich werden diese Leute in Berlin
gezeigt, wann steinacht man Galerien?
Dazwischen etwas verlegene Skulp-
turen: zumeist gipsernes Strandleben oder
eine antiguierte salle gymnastigue, angefüllt
mit ältlichen Idealen und verspäteten Wunsch-
träumen. über dürren, zu den Lampen er-
hobenen Armen, kauernden Turnlehrerinnen
und gläubigen Vegetariern schwimmt diffuses
Licht, das solch Meeting aus Gips und
speckiger Bronze in ungewisse Schatten löst.
Doch genug dieser positiven Venusse, Bei-
spiele einer mißverstandenen Klassik, die wohl
nur noch in provinziellen Pensionaten gelehrt
wird. Genug der orthopädischen Torsi, die
mit zertepperter Spätantike konkurrieren.
Man ist nicht modern, wenn man eine Ecke
höhlt, die andere anschwellen läßt. Pseudo-
kubistisch segelt man in der fatalen Schaukel
lächerlich erprobter Kontraste. Man riecht die
elegant spätrömische Proportion.
Es fehlen Laurens, Lipchiß, Brancussi.
Zollschikanen
Unser Abonnent Herr Robert Steinberg
erhielt mit der Post aus Frankreich einen
Katalog über alte Einbände des Antiguariats
Gumuchian, der vom Hauptzollamt in
Bielefeld als Preisverzeichnis nach Tarif
Nr. 60 des Zolltarifs zum Satze von 120 M.
für 1 dz. mit 2,75 M. verzollt wurde. Gegen
diese Verzollung legte der Zollschuldner Herr
St. beim Landesfinanzamt in Münster Anfech-
tung ein mit der Begründung, es handele sich
bei dem Buch um einen Antiguariatskafalog,
der zollfrei zu lassen sei, weil er wissen-
schaftlichen Zwecken diene. Die Anfechtung
wurde vom Präsidenten des Landesfinanzamts
Münster mit folgenden Gründen zurück-
gewiesen. Die Entscheidung geht davon aus,
daß es sich nicht um ein Verzeichnis von
Büchern handelt, die in einer Sammlung vor-
handen sind, wie unter Ziffer 1 des Stich-
wortes „Kataloge“ auf Seite 379 des Zoll-
tarifs gesagt ist. Aus der Tatsache, daß es
sich um einen Katalog eines Antiguariats han-
delt, das in fortlaufender Reihe Kataloge zu
Verkaufszwecken herausgibt, daß bei der Be-
schreibung jedes Einbandes die hinzugefügfen
Bemerkungen den für den Käufer wichtigen
Zustand der Erhaltung deutlich erkennen
lassen und vor allem, daß bei der Einfuhr des
Kataloges gültige Verkaufspreise im Kata-
loge selbst genannt sind, rechtfertigen nach
Ansicht des Landesfinanzamtes die Auf-
fassung, daß es sich hier nicht um ein reines
Verzeichnis von Büchern als Sammlungsver-
zeichnis handelt. Auch aus der kostbaren
Ausstattung und dem hohen Preis des Kata-
loges sowie der Illustrierung will die Anfech-
tungsinstanz nicht eine Ausnahme vom Preis-
verzeichnischarakter entstanden wissen. Die
Entscheidung fährt dann wörtlich weiter fort:
„Es ist deshalb daran festzuhalten, daß die
Beschaffenheit des vorliegenden Kataloges
weniger dazu geeignet und bestimmt ist, über
in einer Sammlung vorhandene Bücher zu un-
terrichten, als vielmehr zum Kaufe der an-
gebotenen Bücher anzuregen. Wenn der
Katalog daneben durch seinen Inhalt, dem ein
wissenschaftlicher Wert nicht abgesprochen
werden soll, der Ein-
bandforschung wert-
volle Dienste leisten
kann, wenn insbeson-
dere der Anfechtende
ihn nur zu diesem
Zwecke bezogen haben
will, so tritt dieser be-
sondere Zweck hinter
den Hauptverwen-
dungszweck, nämlich
als Verkaufsverzeichnis
zu dienen, zurück. Der
Katalog war daher
nicht nach Ziffer 1
„Kataloge“, sondern
gemäß Ziffer 2, wie
geschehen, wie ein
Preisverzeichnis zu be-
handeln. Die Zoll-
berechnung selbst ist
nicht zu beanstanden.“
Eine Rechtsbe-
schwerde an den
Reichsfinanzhof in
München ist nicht er-
folgt, so daß eine Ent-
scheidung der höchsten
Instanz leider nicht
vorliegt. Es muß aber
prinzipiell zu dem ab-
lehnenden Bescheid fol-
gendes gesagt werden:
Sehr viele Biblio-
phile in der ganzen
Welt beziehen Kata-
loge, vor allem aber
Kataloge, die sie be-
zahlen, von vornherein
mit der Absicht, nicht
aus ihnen zu kaufen,
sondern um diese
Kataloge als biblio-
graphisches Material,
d. h. also als wissen-
schaftliche Hilfsmittel
benutzen. Gerade diese Tatsache, daß die
Kataloge zum Teil recht teuer bezahlt werden
müssen, zeigt, daß auch die Antiquariats-
firmen, die solche Kataloge herausgeben, mit
dem Verkauf der Kataloge als bibliogra-
phische Hilfsmittel rechnen und sie nicht nur
als Preisverzeichnisse ansehen. Solche Kun-
den, die für den Kauf der angezeigten Kata-
logobjekte als Käufer ernstlich in Frage kom-
men, erhalten die Kataloge wohl fast immer
gratis. Gerade hieraus, daß die minder-
bemittelten Bibliophilen zum Teil Katalog- und
nicht Raritätensammler sind — was ihnen nicht
weniger leid tut als den Antiquaren —, ist
aber zu folgern, daß solche Kataloge zoll-
technisch nicht als Preisverzeichnisse, sondern
Walter Bondy, Sommernachmittag (1918)
Pariser
Kleinkunsthandel
Wer in Paris lebt und mehr Zeit als Geld
hat, verstrickt sich unweigerlich in die
Maschen des kleinen Kunsthandels. Künst-
lerische oder kunsthistorische Neigungen för-
dern den Vorgang, sind aber nicht unbedingt
vonnöien. Viel wichtiger ist ein Paar aus-
dauernder Beine, denn die Betätigung ist
notwendig mit vielem Laufen verbunden, das
vom rekognoszierenden Promenieren bis zum
Jagen nach mutmaßlichem Gewinn alle Stu-
fungen durchläuft. Ich vermag nicht anzu-
geben, wieviel Menschen in Paris ihre Finger
im Kunsthandel haben, aber ich denke, daß
ihre Zahl Legion ist. Ganz Monfparnasse tut
nichts anderes. Der Maler oder Literat, dem
man einmal Vermitfierprozente auf den Tisch
zählte, hat iBlut geleckt und weiß nun, daß
er am Verkauf fremder Erzeugnisse meist
leichter und mehr verdient, als an dem seiner
eigenen, wenn sich jene auch — natürlich —
an Qualität und Problematik nicht mit diesen
messen können. Der entschiedene Kubist, der
Rembrandt einen schlechten Maler schimpft
und vor Rubens drei Kreuze schlägt, wird sich
mit Verve für den Verkauf eines Lievens oder
Diepenbeeck einseßen. Als ich einmal einen
holländischen Kleinmeister verkaufte, waren
ein schwedischer Kubist und ein sehr be-
kannter, moderner französischer Maler an
dem Geschäft beteiligt. Man hält es nicht für
möglich, wieviel Leute an einer mittelgroßen
Transaktion mitdranhängen. Tritt man selbst
in eine solche ein, so wird einem erst die
Zahl der bereits Beteiligten bekannt (oder
auch nicht), und man selbst fügt nötigenfalls
noch einige Glieder an die Kette, bis das
Schlußglied erreicht, der endgültige (oder
auch nicht) Verkauf getätigt ist. Die kleine
Steuerflucht, die man begeht, wird durch viel-
fältige und obligate Abgaben reichlich aus-
geglichen. Es genügt, daß man Herrn X bei
der Trödlerin Y kennengelernt hat und ge-
legentlich mit ihm ein kleines Geschäft unter-
nimmt, um dann automatisch Frau V tribut-
pflichtig zu sein, die ihrerseits vielleicht wie-
derum einem Vierten ihren Obulus zu ent-
richten hat.
In kürzester Zeit macht man die sonder-
barsten Erfahrungen und lernt die eigen-
artigsten Leute kennen; anfänglich hält man
sie für einzig in ihrer Art, später stellt sich
heraus, daß sie typisch sind und immer wie-
derkehren. Wie ein kostbares Geheimnis wird
einem irgendwo die Adresse eines alten, in
Not befindlichen Sammlers mitgeteilt, der sich
blutenden Herzens gezwungen sieht, seine
Bilder zu veräußern. Du besuchst ihn und
triffst einen silberhaarigen, kleinen Herrn mit
dem Knebelbart des dritten Napoleon und
der Rosette der Ehrenlegion, der dich seuf-
zend durch eine dunkle Wohnung führt und
dir seine Schüße zeigt. Du hängst ein Bild
nach dem anderen ab und betrachtest es am
Fenster, bis dir die obligaten Van Dycks und
Rembrandts zu dumm werden und du dich
verabschiedest. Einige Tage später siehst du
vom Autobus aus den würdigen Greis, wie
er im Verein mit einem Händler dunkelster
Gattung einen Karren mit Bildern leert und
diese in seine Wohnung hinaufträgt, um die
Leihausstellung zu wechseln. Du lernst auch,
bei gleichen geheimnisvollen Präliminarien,
den bildersammelnden Abbe kennen, der bei-
leibe nicht als Verkäufer bekannt zu werden
wünscht; erst später hörst du, daß bereits
alle Welt ihn und seine Bilder kennt. Er
führt dir mit erhabener Miene seine Gemälde
vor, die sich alle recht hochklingende Namen
zugelegt haben; sie verkörpern sozusagen
Wunschträume ihres Besißers. Es ist dir aber
nicht gestattet, irgendeinen Zweifel zu
äußern; denn schon anfangs wurde dir ein
kleiner Einwand übel vermerkt. Staunend er-
fährst du die Preise, die so hoch über dem
Marktwert liegen wie die Zuschreibungen
über dem wahren Sachverhalt. Natürlich hat
der geistliche Sammler auch einen Leonardo
da Vinci, der feierlich vor deinen Augen ent-
hüllt wird. Du hast zwar den Eindruck, daß
schon Luini seinerzeit das Bild weit unter dem
Preis hergegeben hat, weil er von dieser
seiner Arbeit nicht viel hielt, aber du darfst
nicht mit der Wimper zucken. Wie jeder Be-
sißer eines falschen Raffael hat auch dieser
Sammler selbstverständlich eine Verteidi-
gungsbroschiire zugunsten seines Leonardo
verfaßt, die den lückenlosen Beweis der Echt-
heit erbringt und dir beim Abschied in die
Hand gedrückt wird. Dieses Erlebnis hat dich
aber bei weitem nicht so erschüttert, wie das
kleine Rembrandtbild, das dir einmal stolz
ein Sammler zeigte, und das außer dem
Signum die Jahreszahl 1671 trug; die Schaf-
fenskraft des großen Meisters wurde eben
auch durch seinen Tod (1669) nicht beeinträch-
tigt. Weiterhin machst du die Bekanntschaft
eines biederen Bourgeois, eines pensionierten
Beamten, der die Ergebnisse jahrzehnte-
langen Sammelns in zwei winzigen Zimmern
dicht aufeinander gestapelt hat. Mitten drin,
zwischen Leinwänden, Zeichnungen und bric-
ä-brac, schläft er und kocht sich sein Süpp-
chen. Du möchtest am liebsten das ganze
Lager hinunter in den Hof schleppen und
Stück für Stück bei hellem Licht besichtigen,
weil du Chancen witterst. Aber das ist leider
nicht möglich. Still mußt du sißen, dich höf-
lich unterhalten und nur beiläufig nach Preisen
fragen. Gleichsam als Illustrationen zu euerm
Gespräch über Dinge der Kunst kriegst du
tropfenweise die Kunstwerke zu sehen. Mit
verblüffender Sicherheit holt der Alte aus
dichtester Reihung das jeweils von ihm (nicht
von dir) gewünschte Bild heraus und zeigt es
dir. Du mußt rückhaltlos loben, aber das
lernt man in Frankreich schnell. Er zeigt dir
ein Blatt von Michelangelo; es ist von Ban-
dinelli. Er zeigt dir eine Skizze Raffaels:
sie ist von Perino del Vaga. Er zeigt dir
— oh weihevoller Augenblick — Leonardos
Entwurfszeichnung zur Anghiarischlacht; es ist
Edelincks Vorzeichnung zu seinem Stich.
Immerhin aber findest und kaufst du hier und
da etwas bei ihm und bist zum Schluß nicht
unzufrieden. In dem Alfen hast du den Typ
des Sammlers aus reiner, wenn auch blinder
Liebe kennengelernt. Du triffst ihn wieder
bei der dicken Trödlerin, die in ihrem Schlaf-
zimmer schöne Hinterglasmalereien und pri-
mitive Bildchen von großem Reiz hängen
hat, alle einem eigensinnigen, aber aus-
gesprochenen Geschmack untergeordnet, und
die sich hartnäckig weigert, ein von dir be-
gehrtes Bild zu veräußeren.
Weit ist der Abstand zwischen dem Heer
der kleinen Antiquitätenläden, Amateur-
händler und Vermittler und dem großen
Kunsthändler, der dich schon im Vestibül
seines Hauses durch livrierte Diener beein-
druckt. Aber es geschieht nicht selten, daß
ein gutes Bild beim ganz kleinen Händler in
Bewegung gerät, um schließlich auf der Samt-
bespannung und unter dem schmeichelnden
Soffittenlicht der prominenten Galerie zu lan-
den. Wer selbst eine Etappe dieser Wan-
derung bildet, kann ganz zufrieden sein.
Karl K u b e r
Die ^Sammlung Martin
in Faenza
Dr. F. R. Martin-Stockholm hat dem Museum
von Faenza, der Stadt, in welcher die italie-
nische Keramik ihre eigentliche Heimat sieht,
seine Sammlung orientalischer an-
tiker Keramikfunde geschenkt. Es handelt
sich in dieser Kollektion um ein „Unikum“, das
nicht weniger als 2700 Stücke in sich vereint,
die der Orientalist in einer Periode von über
zwanzig Jahren im Orient sammelte. Die
Scherbensammlung umfaßt nahezu gleich-
mäßig altägyptische, ptolemäische, byzanti-
nische und arabische Keramik und stellt damit
eine der interessantesten Sammlungen über
die Keramikkultur des südöstlichen Mittel-
meerbeckens dar. Das Museum von Faenza
hat der Sammlung einen eigenen Saal ein-
gerichtet, der das Zentrum des ersten Stock-
werkes ausmacht.
Sehr merkwürdig isf der Grund dieser
Schenkung. Martin gab an, er wolle mit dieser
Schenkung seinem Diener ein Denkmal seßen,
der in Faenza geboren, dort vor kurzem ge-
storben ist und der sich in zwanzig Jahren
treuen Dienstes eine so hohe Kenntnis an-
tiker Keramik erworben hat, daß Martin „vor
ihm den Hut ziehen mußte, eine Tatsache, die
dem Orientalisten vor Fachkollegen nicht allzu
off zustoße“. G. R.
WELTKUNST
Jahrg. IV, Nr. 51/52 vom 21. Dezember 1930
Ohrringe, eine schwere goldene Brosche sehr
schöner Arbeit, zwei bemerkenswert gut ge-
arbeitete Armbänder, drei Ketten, davon eine
schwer und groß, schließlich noch 13 Gold-
münzen, 33 Silbermünzen und drei weitere
große silberne, vergoldete Teller mit Relief-
schmuck zutage. Die Münzen stammen
z. T. noch aus republikanischer Zeit.
Nach der oberflächlichen Prüfung, die bis-
her stattfinden konnte, stellt sich dieser Fund
als erstrangig dar und dürfte dem Louvre-
schaß der Villa Prisco noch überlegen sein.
Die Überführung des Schaßes nach Neapel
wurde sofort vorgenommen, doch werden die
Ausgrabungen in dem Hause Nr. 4 weiter-
geführt. G. R.
P. 1 RISER
Inflation der Leinwände
Von Carl Einstein, Paris
Man zieht Bilder den Büchern vor; denn
leßtere muß man lesen und das kostet Zeit.
Außerdem; mit einem sprachlichen Erzeugnis
durch Rede sich auseinanderseßen ist ge-
wagter; hier stehen gleiche Mittel gegenein-
ander; die metaforische Gewalt und Ferne
sind verringert, und die Gefahr der Blamage
droht näher, während Bilder hilflos sich miß-
brauchen lassen.
Mit diesen schafft der Gerissene sich eine
Kulisse, der mangelnde Person verdeckt, man
kauft sich Phantasie, und Werte kloßen aus
den Rahmen. Achtung, man h eßt Bilder spe-
kulativ zu Tode und überanstrengt die Be-
wunderungsmaschinen.
Die Welt beklagt die Überproduktion, —
immerhin lobe ich mir diesen färbenden
Massenbetrieb, der dem Land die Zahl der
Arbeitlosen mindert.
Drei Salons stehen in Paris gleichzeitig
leer.
1. der Salon d’aufomne, der Jahrmarkt der
Dekorateure, der gemessenen und gepflegten
Vendeurs,
2. die trostlos verkommenen Independants,
3. die zuchtvolleren Surindependants, worin
etwas wie Jugend, Suche und Gewissen
leuchtet.
Der Salon d’a u t o m n e, das ist noch
immer der Markt herbstlich verfallener Spät-
impressionisten. Dort brütet noch ondulierter
Symbolismus, dazwischen weiden friedlich
verschnittene fauves. In diesem Bazar zeigt
man mehr als zweitausendfünfhundert Ar-
beiten, sinnloses Quantum. Ausgeleiertes
kleines Handwerk, betrieben von der Unter-
internationale des belanglosen Durchschnitts.
Nennen wir drei Maler aus Lyon, brave Leute,
die verspätet experimentieren. Diese drei
Maler sind Ravi er (1814—95), — Vernay
(1821—96), der bisweilen das Sekundäre im
Werk Cezannes streift, ohne das Grund-
problem Volumen zu rühren, — Carraud
(1821—99), der, zwischen Turner, Monticelli-
Reste von Dixhuifieme verwischt. Diese drei
sind Zeichen des bornierten Hochmutes der
soyeux von Lyon, die heute, um ä la page zu
sein, düster hingehauene Derains, fettige
Vlamincks und andere Zwischenware kaufen.
Die Independant s sind zu einem Müll-
eimer verschimmelter Schinken verkommen.
Jämmerlich ergreiste Reste.
Bleiben die Surindependants. Hier
lasten die Schatten Picassos, Dadas und des
verfallenden Surrealisme. Mit Andre Beau-
chant versucht man eine neue Rousseaukon-
junktur, klassische Mythologie, Abglanz dürrer
Schulbücher, idyllisches Herz und geregelte
Kompositionskaserne. Verkalkte Schemas und
philologische Einfalt.
Dann die neuen Fauves. Da sind Beaudin, |
SALONS
Bores (wohl der Begabtere), Vines, Schleiern
in symbolisierendem Impressionismus wolkig
trübe Lyrismen, Technik der angedeuteten Ge-
heimnisse, die jeder kennt. Nebeltrunkene, zer-
bröckelter Carriere mit kubistischem Ab-
brechen, stürmische Pfote ohne Wagnis.
Hingegen die Geölten, die Deutlichkeit der
schönen Malerei; Herbin: der Kunstgewerbe-
Michelangelo, — Viollier, Surrealisme als An-
sichtspostkarte, Eiferngrab als Dämonie, —
Boyer, ganz nett, eine gerissene Einfalt, —
Calder, Mischung von Cowboy und gestauter
Kinderei, — Serge Ferat, man entwickelt sich
von einem zum andern, jeßt etwas blauen
Duphy in die Tube, — Freundlich, hier starrt
einer, der nie sich gerührt, — Gleize, der
Doktrinär der ewigen Malmädchen, Kubismus
des Dritteinhalben Stadiums; protestantische
Farbe, vegetarische Mentalität. Er hofft noch
immer für den Kubismus kämpfen zu müssen,
während der Karre längst weitergefahren ist
und in anderen Gleisen schwirrt. Seine
Kubismusbroschüre (Bauhausverlag) gibt Per-
spektive aus der toten Ecke, man verzerrt zu-
gunsten der kleineren Leute.
Da weißt Ozenfant; in keuschem Wedge-
wood und enger Grammatik badet er späte
Nausikaas. Hellenistisch standardisierte Nackt-
kultur. — Guten Tag, Kurt Schwitters; sein
Hochgebirge ist eine Gegend zwischen Märchen
und Nachttisch, doch lebendiger als die dicken
Kosmetiken der tönenden Expressionisten
vieler Museen. — Paule Vezeley, die beste der
Malerinnen, der das Herz neuer und frischer
sich regt als den meisten Halbmännern. Doch
die Begabtesten fehlen; Andre Masson, der
kräftigste, der eine Welt totemistischer Angst
und bindenden Geschicks gefunden, die stets
an Bedeutung wächst; — Miro, der pittoresker
Anekdote entwächst und heftig sich züchtet;
— Roux, ein Maler und Humorist; — Giaco-
metti, ein Schweizer Bildhauer, von dem zu
reden ist, und Arp, der Volkslieddichter.
Wann endlich werden diese Leute in Berlin
gezeigt, wann steinacht man Galerien?
Dazwischen etwas verlegene Skulp-
turen: zumeist gipsernes Strandleben oder
eine antiguierte salle gymnastigue, angefüllt
mit ältlichen Idealen und verspäteten Wunsch-
träumen. über dürren, zu den Lampen er-
hobenen Armen, kauernden Turnlehrerinnen
und gläubigen Vegetariern schwimmt diffuses
Licht, das solch Meeting aus Gips und
speckiger Bronze in ungewisse Schatten löst.
Doch genug dieser positiven Venusse, Bei-
spiele einer mißverstandenen Klassik, die wohl
nur noch in provinziellen Pensionaten gelehrt
wird. Genug der orthopädischen Torsi, die
mit zertepperter Spätantike konkurrieren.
Man ist nicht modern, wenn man eine Ecke
höhlt, die andere anschwellen läßt. Pseudo-
kubistisch segelt man in der fatalen Schaukel
lächerlich erprobter Kontraste. Man riecht die
elegant spätrömische Proportion.
Es fehlen Laurens, Lipchiß, Brancussi.
Zollschikanen
Unser Abonnent Herr Robert Steinberg
erhielt mit der Post aus Frankreich einen
Katalog über alte Einbände des Antiguariats
Gumuchian, der vom Hauptzollamt in
Bielefeld als Preisverzeichnis nach Tarif
Nr. 60 des Zolltarifs zum Satze von 120 M.
für 1 dz. mit 2,75 M. verzollt wurde. Gegen
diese Verzollung legte der Zollschuldner Herr
St. beim Landesfinanzamt in Münster Anfech-
tung ein mit der Begründung, es handele sich
bei dem Buch um einen Antiguariatskafalog,
der zollfrei zu lassen sei, weil er wissen-
schaftlichen Zwecken diene. Die Anfechtung
wurde vom Präsidenten des Landesfinanzamts
Münster mit folgenden Gründen zurück-
gewiesen. Die Entscheidung geht davon aus,
daß es sich nicht um ein Verzeichnis von
Büchern handelt, die in einer Sammlung vor-
handen sind, wie unter Ziffer 1 des Stich-
wortes „Kataloge“ auf Seite 379 des Zoll-
tarifs gesagt ist. Aus der Tatsache, daß es
sich um einen Katalog eines Antiguariats han-
delt, das in fortlaufender Reihe Kataloge zu
Verkaufszwecken herausgibt, daß bei der Be-
schreibung jedes Einbandes die hinzugefügfen
Bemerkungen den für den Käufer wichtigen
Zustand der Erhaltung deutlich erkennen
lassen und vor allem, daß bei der Einfuhr des
Kataloges gültige Verkaufspreise im Kata-
loge selbst genannt sind, rechtfertigen nach
Ansicht des Landesfinanzamtes die Auf-
fassung, daß es sich hier nicht um ein reines
Verzeichnis von Büchern als Sammlungsver-
zeichnis handelt. Auch aus der kostbaren
Ausstattung und dem hohen Preis des Kata-
loges sowie der Illustrierung will die Anfech-
tungsinstanz nicht eine Ausnahme vom Preis-
verzeichnischarakter entstanden wissen. Die
Entscheidung fährt dann wörtlich weiter fort:
„Es ist deshalb daran festzuhalten, daß die
Beschaffenheit des vorliegenden Kataloges
weniger dazu geeignet und bestimmt ist, über
in einer Sammlung vorhandene Bücher zu un-
terrichten, als vielmehr zum Kaufe der an-
gebotenen Bücher anzuregen. Wenn der
Katalog daneben durch seinen Inhalt, dem ein
wissenschaftlicher Wert nicht abgesprochen
werden soll, der Ein-
bandforschung wert-
volle Dienste leisten
kann, wenn insbeson-
dere der Anfechtende
ihn nur zu diesem
Zwecke bezogen haben
will, so tritt dieser be-
sondere Zweck hinter
den Hauptverwen-
dungszweck, nämlich
als Verkaufsverzeichnis
zu dienen, zurück. Der
Katalog war daher
nicht nach Ziffer 1
„Kataloge“, sondern
gemäß Ziffer 2, wie
geschehen, wie ein
Preisverzeichnis zu be-
handeln. Die Zoll-
berechnung selbst ist
nicht zu beanstanden.“
Eine Rechtsbe-
schwerde an den
Reichsfinanzhof in
München ist nicht er-
folgt, so daß eine Ent-
scheidung der höchsten
Instanz leider nicht
vorliegt. Es muß aber
prinzipiell zu dem ab-
lehnenden Bescheid fol-
gendes gesagt werden:
Sehr viele Biblio-
phile in der ganzen
Welt beziehen Kata-
loge, vor allem aber
Kataloge, die sie be-
zahlen, von vornherein
mit der Absicht, nicht
aus ihnen zu kaufen,
sondern um diese
Kataloge als biblio-
graphisches Material,
d. h. also als wissen-
schaftliche Hilfsmittel
benutzen. Gerade diese Tatsache, daß die
Kataloge zum Teil recht teuer bezahlt werden
müssen, zeigt, daß auch die Antiquariats-
firmen, die solche Kataloge herausgeben, mit
dem Verkauf der Kataloge als bibliogra-
phische Hilfsmittel rechnen und sie nicht nur
als Preisverzeichnisse ansehen. Solche Kun-
den, die für den Kauf der angezeigten Kata-
logobjekte als Käufer ernstlich in Frage kom-
men, erhalten die Kataloge wohl fast immer
gratis. Gerade hieraus, daß die minder-
bemittelten Bibliophilen zum Teil Katalog- und
nicht Raritätensammler sind — was ihnen nicht
weniger leid tut als den Antiquaren —, ist
aber zu folgern, daß solche Kataloge zoll-
technisch nicht als Preisverzeichnisse, sondern
Walter Bondy, Sommernachmittag (1918)
Pariser
Kleinkunsthandel
Wer in Paris lebt und mehr Zeit als Geld
hat, verstrickt sich unweigerlich in die
Maschen des kleinen Kunsthandels. Künst-
lerische oder kunsthistorische Neigungen för-
dern den Vorgang, sind aber nicht unbedingt
vonnöien. Viel wichtiger ist ein Paar aus-
dauernder Beine, denn die Betätigung ist
notwendig mit vielem Laufen verbunden, das
vom rekognoszierenden Promenieren bis zum
Jagen nach mutmaßlichem Gewinn alle Stu-
fungen durchläuft. Ich vermag nicht anzu-
geben, wieviel Menschen in Paris ihre Finger
im Kunsthandel haben, aber ich denke, daß
ihre Zahl Legion ist. Ganz Monfparnasse tut
nichts anderes. Der Maler oder Literat, dem
man einmal Vermitfierprozente auf den Tisch
zählte, hat iBlut geleckt und weiß nun, daß
er am Verkauf fremder Erzeugnisse meist
leichter und mehr verdient, als an dem seiner
eigenen, wenn sich jene auch — natürlich —
an Qualität und Problematik nicht mit diesen
messen können. Der entschiedene Kubist, der
Rembrandt einen schlechten Maler schimpft
und vor Rubens drei Kreuze schlägt, wird sich
mit Verve für den Verkauf eines Lievens oder
Diepenbeeck einseßen. Als ich einmal einen
holländischen Kleinmeister verkaufte, waren
ein schwedischer Kubist und ein sehr be-
kannter, moderner französischer Maler an
dem Geschäft beteiligt. Man hält es nicht für
möglich, wieviel Leute an einer mittelgroßen
Transaktion mitdranhängen. Tritt man selbst
in eine solche ein, so wird einem erst die
Zahl der bereits Beteiligten bekannt (oder
auch nicht), und man selbst fügt nötigenfalls
noch einige Glieder an die Kette, bis das
Schlußglied erreicht, der endgültige (oder
auch nicht) Verkauf getätigt ist. Die kleine
Steuerflucht, die man begeht, wird durch viel-
fältige und obligate Abgaben reichlich aus-
geglichen. Es genügt, daß man Herrn X bei
der Trödlerin Y kennengelernt hat und ge-
legentlich mit ihm ein kleines Geschäft unter-
nimmt, um dann automatisch Frau V tribut-
pflichtig zu sein, die ihrerseits vielleicht wie-
derum einem Vierten ihren Obulus zu ent-
richten hat.
In kürzester Zeit macht man die sonder-
barsten Erfahrungen und lernt die eigen-
artigsten Leute kennen; anfänglich hält man
sie für einzig in ihrer Art, später stellt sich
heraus, daß sie typisch sind und immer wie-
derkehren. Wie ein kostbares Geheimnis wird
einem irgendwo die Adresse eines alten, in
Not befindlichen Sammlers mitgeteilt, der sich
blutenden Herzens gezwungen sieht, seine
Bilder zu veräußern. Du besuchst ihn und
triffst einen silberhaarigen, kleinen Herrn mit
dem Knebelbart des dritten Napoleon und
der Rosette der Ehrenlegion, der dich seuf-
zend durch eine dunkle Wohnung führt und
dir seine Schüße zeigt. Du hängst ein Bild
nach dem anderen ab und betrachtest es am
Fenster, bis dir die obligaten Van Dycks und
Rembrandts zu dumm werden und du dich
verabschiedest. Einige Tage später siehst du
vom Autobus aus den würdigen Greis, wie
er im Verein mit einem Händler dunkelster
Gattung einen Karren mit Bildern leert und
diese in seine Wohnung hinaufträgt, um die
Leihausstellung zu wechseln. Du lernst auch,
bei gleichen geheimnisvollen Präliminarien,
den bildersammelnden Abbe kennen, der bei-
leibe nicht als Verkäufer bekannt zu werden
wünscht; erst später hörst du, daß bereits
alle Welt ihn und seine Bilder kennt. Er
führt dir mit erhabener Miene seine Gemälde
vor, die sich alle recht hochklingende Namen
zugelegt haben; sie verkörpern sozusagen
Wunschträume ihres Besißers. Es ist dir aber
nicht gestattet, irgendeinen Zweifel zu
äußern; denn schon anfangs wurde dir ein
kleiner Einwand übel vermerkt. Staunend er-
fährst du die Preise, die so hoch über dem
Marktwert liegen wie die Zuschreibungen
über dem wahren Sachverhalt. Natürlich hat
der geistliche Sammler auch einen Leonardo
da Vinci, der feierlich vor deinen Augen ent-
hüllt wird. Du hast zwar den Eindruck, daß
schon Luini seinerzeit das Bild weit unter dem
Preis hergegeben hat, weil er von dieser
seiner Arbeit nicht viel hielt, aber du darfst
nicht mit der Wimper zucken. Wie jeder Be-
sißer eines falschen Raffael hat auch dieser
Sammler selbstverständlich eine Verteidi-
gungsbroschiire zugunsten seines Leonardo
verfaßt, die den lückenlosen Beweis der Echt-
heit erbringt und dir beim Abschied in die
Hand gedrückt wird. Dieses Erlebnis hat dich
aber bei weitem nicht so erschüttert, wie das
kleine Rembrandtbild, das dir einmal stolz
ein Sammler zeigte, und das außer dem
Signum die Jahreszahl 1671 trug; die Schaf-
fenskraft des großen Meisters wurde eben
auch durch seinen Tod (1669) nicht beeinträch-
tigt. Weiterhin machst du die Bekanntschaft
eines biederen Bourgeois, eines pensionierten
Beamten, der die Ergebnisse jahrzehnte-
langen Sammelns in zwei winzigen Zimmern
dicht aufeinander gestapelt hat. Mitten drin,
zwischen Leinwänden, Zeichnungen und bric-
ä-brac, schläft er und kocht sich sein Süpp-
chen. Du möchtest am liebsten das ganze
Lager hinunter in den Hof schleppen und
Stück für Stück bei hellem Licht besichtigen,
weil du Chancen witterst. Aber das ist leider
nicht möglich. Still mußt du sißen, dich höf-
lich unterhalten und nur beiläufig nach Preisen
fragen. Gleichsam als Illustrationen zu euerm
Gespräch über Dinge der Kunst kriegst du
tropfenweise die Kunstwerke zu sehen. Mit
verblüffender Sicherheit holt der Alte aus
dichtester Reihung das jeweils von ihm (nicht
von dir) gewünschte Bild heraus und zeigt es
dir. Du mußt rückhaltlos loben, aber das
lernt man in Frankreich schnell. Er zeigt dir
ein Blatt von Michelangelo; es ist von Ban-
dinelli. Er zeigt dir eine Skizze Raffaels:
sie ist von Perino del Vaga. Er zeigt dir
— oh weihevoller Augenblick — Leonardos
Entwurfszeichnung zur Anghiarischlacht; es ist
Edelincks Vorzeichnung zu seinem Stich.
Immerhin aber findest und kaufst du hier und
da etwas bei ihm und bist zum Schluß nicht
unzufrieden. In dem Alfen hast du den Typ
des Sammlers aus reiner, wenn auch blinder
Liebe kennengelernt. Du triffst ihn wieder
bei der dicken Trödlerin, die in ihrem Schlaf-
zimmer schöne Hinterglasmalereien und pri-
mitive Bildchen von großem Reiz hängen
hat, alle einem eigensinnigen, aber aus-
gesprochenen Geschmack untergeordnet, und
die sich hartnäckig weigert, ein von dir be-
gehrtes Bild zu veräußeren.
Weit ist der Abstand zwischen dem Heer
der kleinen Antiquitätenläden, Amateur-
händler und Vermittler und dem großen
Kunsthändler, der dich schon im Vestibül
seines Hauses durch livrierte Diener beein-
druckt. Aber es geschieht nicht selten, daß
ein gutes Bild beim ganz kleinen Händler in
Bewegung gerät, um schließlich auf der Samt-
bespannung und unter dem schmeichelnden
Soffittenlicht der prominenten Galerie zu lan-
den. Wer selbst eine Etappe dieser Wan-
derung bildet, kann ganz zufrieden sein.
Karl K u b e r
Die ^Sammlung Martin
in Faenza
Dr. F. R. Martin-Stockholm hat dem Museum
von Faenza, der Stadt, in welcher die italie-
nische Keramik ihre eigentliche Heimat sieht,
seine Sammlung orientalischer an-
tiker Keramikfunde geschenkt. Es handelt
sich in dieser Kollektion um ein „Unikum“, das
nicht weniger als 2700 Stücke in sich vereint,
die der Orientalist in einer Periode von über
zwanzig Jahren im Orient sammelte. Die
Scherbensammlung umfaßt nahezu gleich-
mäßig altägyptische, ptolemäische, byzanti-
nische und arabische Keramik und stellt damit
eine der interessantesten Sammlungen über
die Keramikkultur des südöstlichen Mittel-
meerbeckens dar. Das Museum von Faenza
hat der Sammlung einen eigenen Saal ein-
gerichtet, der das Zentrum des ersten Stock-
werkes ausmacht.
Sehr merkwürdig isf der Grund dieser
Schenkung. Martin gab an, er wolle mit dieser
Schenkung seinem Diener ein Denkmal seßen,
der in Faenza geboren, dort vor kurzem ge-
storben ist und der sich in zwanzig Jahren
treuen Dienstes eine so hohe Kenntnis an-
tiker Keramik erworben hat, daß Martin „vor
ihm den Hut ziehen mußte, eine Tatsache, die
dem Orientalisten vor Fachkollegen nicht allzu
off zustoße“. G. R.