Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Editor]
Die Weltkunst — 4.1930

DOI issue:
Nr. 51/52 (21. Dezember)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.44979#0197
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Jahrg. IV, Nr. 51/52 vom 21. Dezember 1930

WELT KUNST

13

als Kataloge anzusehen sind. Das Landes-
finanzamt Münster scheint auch insofern den
Begriff des Kataloges falsch angewendet zu
haben, als ein Katalog eines Antiquars nicht
eine bestehende frühere Sammlung enthalten
nmß, sondern vielmehr auch Katalog einer vom
Antiquar erst zusammengebrachten Sammlung
sein kann.
Ein sehr erheblicher Teil der wissenschaft-
lich wertvollen Arbeit des Antiquars besteht
sicher darin, daß er selbst Sammlungen nach
bestimmten Gesichtspunkten zusammenbringt
und katalogisiert.
Wir empfehlen unseren Lesern, wenn ihnen
der Bagatellbetrag für den Zoll überhaupt er-
örterungswert erscheint, aus prinzipiellen
Gründen in ähnlichen Fällen die Entscheidung
des Reichsfinanzhofes herbeizuführen. Wir
sind dann gern bereit, uns gutachtlich zu
äußern, sowie ergangene Entscheidungen hier
zur Kenntnis zu bringen.

Die Sieneser
Accademia
Die Accademia delle belle Arii in Siena,
in der der kostbarste Besiß Sienas an Ge-
mälden der Primitiven bisher untergebracht
war, konnte nicht als zureichend angesprochen
werden und hat in diesen Tagen ihr altes Heim
verlassen. Zum Zweck einer Pinakothek war
der Stadt der Palazzo Buonsignori ge-
schenkt worden, der durch den Kauf
des benachbarten Palastes Brigidi zu-
reichender gemacht worden ist. Die
ganze Sammlung der Primitiven ist jeßt hier
eingeordnet worden, und zwar gehört das
erste Stockwerk der Plastik, die beiden Ober-
geschosse mit ihren 40 Sälen der Malerei. Die
Bilder sind chronologisch geordnet worden
und einige der bedeutendsten Sienesen haben
einen eigenen Saal erhalten. Aber auch diese

Erweisen Sie der ,,Weltkunst“ den kleinen
Freundschaftsdienst und geben Sie die beige-
legte Bestellkarte empfehlend Ihren Freunden

Lösung ist nicht ohne Schwierigkeiten ge-
funden worden und ob die Überführung und
Neueinrichtung dieses Museums der sienesi-
schen Schule überhaupt eine befriedigende
Lösung darstellt, muß dahingestellt bleiben.
Noch in leßter Stunde protestierte das
Künstlersyndikat Siena in der römischen und
Mailänder Presse gegen den Palazzo Buon-
signori, der die Bilder in Gefahr bringe, da er
feucht sei und in keiner Weise einen Brand-
schuß besiße. Es wurde als die geeignete
Pinakothek der Palazzo Piccolomini hingestellt,
an dem freilich Umbauten vorgenommen wer-
den müßten. Die Museumskommission hat
aber, ehe noch auf die Proteste hätte geant-
wortet werden können, die Überführung in
aller Eile durchgeführt und bei der Mitteilung
dieser Tatsache verteidigte man sich mit den
Gutachten ausländischer Fachleute, unter an-
deren Dr. Friedländers. Immerhin hängen die
Bilder jeßt besser und geräumiger als früher.
G. R. (Rom) I

WALTER BONDY

Zu seinem <50. Geburtstage

Walter Bondy, der Begründer und frühere
Mitherausgeber der „Kunstauktion“, begeht am
28. Dezember seinen 50. Geburtstag. Auf
unseren Vorschlag hin erhalten wir aus diesem
Anlaß von Herrn Prof. Hans Purrmann
nachstehenden dem Jubilar gewidmeten Beitrag,
den wir mit besonderem Vergnügen veröffent-
lichen. TT 7.
Der Herausgeber
In München imponierte er uns als der
Maler von Bildern, die aus einer Schulung
an Manet hervorgegangen sind, merkwürdig
schön in den Farben, prachtvollem Schwarz
und frischen Fleischtönen, sonderbar reife und
weifgetriebene Werke.
Dann 1905 fand ich ihn
in Paris wieder, dies-
mal im Cafe du Dome,
mit Uhde und Rudolf
Levy, die sich dieses
Cafe aussuchten und
die allerersten Künst-
lerstammgäste wurden.
Es ging auch bald von
ihnen eine Anziehung
aus durch ihre lebhafte
Verfechtung der auf-
kommenden Kunst. Die
Abende waren aus-
gefüllt mit endlosen
Reden über die Impres-
sionisten, Cezanne,
dann über Picasso und
Matisse. Bondy, be-
sonders streitbar und
klug, war einer der
Häuptlinge der Dorniers,
stellte damals schon
mit Erfolg in der Ber-
liner Secession aus,
war somit der erste,
ausgereiffeste Maler
unter uns, widmete sich
jahrelang stiller Arbeit,
verbissen jeder Mode
und jeder Sucht nach
Aufsehen ausweichend,
doch sich Renoirs An-
schauung nähernd. Wird
man einmal diese
vielen Bilder revidieren
und genauer ansehen,
möchte ich glauben, daß
man ihnen gerechter
wird.
Bondy, vollkommen
unabhängig, aus einem
höchst kultivierten
Wiener Hause kom-
mend, mit einem Be-
dürfnis sich mit schö-
nen Dingen zu um-
geben, einen gewissen Wohlstand um sich
zu fühlen, wurde mit und nach dem Krieg
gezwungen, Geld zu verdienen. Seine Malerei
gab ihm ohne schlimme Zugeständnisse keine
Möglichkeit dazu. Es war eine Malerei, die
Zeit erforderte, gepflegt, durchgeführt sein
wollte und daher nicht mehr in eine so un-
ruhige Zeit paßte, wenn man bedenkt, daß
seine Vorbilder (Manet) oft zehnmal einen
Kopf aus einem Bilde herausgewaschen und
immer wieder neu gemalt haben. Oder Renoir

und Cezanne, die ein dem modernen gegen-
wärtigen Leben absolut abgewendefes Dasein
führten, weil ihr so fein ausgebildetes Hand-
werk dies gebot. Wie konnte der Schüler in
unserer Zeit bestehen ohne einen Verzicht bis
zum Hunger oder vollkommener Entsagung?
Der Trieb, mit Kunstdingen umzugehen, ein
ungewöhnlicher Geschmack, brachten ihm in
geistvollem Spiel und Wechsel die Lebens-
möglichkeiten und gaben seiner Gründlichkeit
bald eine Kennerschaft, daß ein Buch über
Chinakunsf nebenbei geschrieben werden
konnte, das ausgezeichnet ist. Aber nicht der
Kunst Chinas allein galt seine Einfühlung,

sondern was diesem Gebiet und seiner Kunst
so entgegengeseßt erscheinen könnte, die
Künste primitiver Völker, entzog er dem ethno-
graphischen Interesse und zeigte ihren
hohen Kunstwert mit seltsam feinem Kunst-
gefühl. Die „Kunstauktion“, heute „Welt-
kunst“, ist seine Gründung. Die Leser kennen
seine Aufsäße, seine mutigen Angriffe und
Verfechtungen. Ideen jagen Ideen, aber da-
neben entstanden immer wieder schöne Bilder.
So rücken unbarmherzig seine 50 Jahre


Walter Bondy

heran, und man richtet den Blick nun vor-
wärts, hoffnungsfreudig; ein Rückblick aber
macht erstaunen über das, was getan wurde,
und wieviel sich bestätigen konnte. Wir haben
alle dabei gewonnen, Anregungen empfangen,
und ich bin ärgerlich und voll Bedauern, dal}
die Malerei, die so unerbittlich bitter straft,
wenn man ihr den Dienst versagt, nicht sein
einziges Ziel bleiben konnte. Was wird uns
noch gebracht werden? Troß allen so glück-
lichen und interessanten Reflexionen will mir
immer noch erscheinen, der größte Gewinn
läge in neuem und erstarktem Ringen um die
Malerei, das glücklich seine nächsten Jahre
erfüllen möge.
Es ist vielleicht ein zu persönlich gedachter
Wunsch eines Freundes, der aus seinem Um-
gang immer Gewinn zog und sich an allem
seinem Tun erfreuen konnle, der aber glaubt,
daß Ähnlichdenkende unter den heute
Gratulierenden sind.
Hans Purrmann

Ausstellungen
Webereien von
Alice Lahmann
Im Berliner Hause der Porza (Buda-
pester Sfr. 3) findet gegenwärtig eine sehr an-
ziehende Ausstellung von handgewebten
Stoffen aus der Werkstatt von Alice Lahmann
statt. Seit langer Zeit hat sich Frau Lahmann,
eine Schülerin der Dresdener Kunstakademie,
speziell Prof. Rades, mit der Technik von
Handwebereien beschäftigt. Im engen An-
schluß an das Handwerk hat sie in Webereien
des Erzgebirges und in Bayern Textilien ar-
beiten lassen, von denen sie jeßt in Berlin eine
Reihe von Proben vorlegt, in denen sich künst-
lerische Feinfühligkeit in erwünschtester Weise
mit handwerklicher Solidität vereinigen. Para-
mente: Kasein, Pluviale, Mitren, Vorhang-
und Wandbespannungsstoffe halten mit ihrem
hellen leuchtenden Farben den goldglänzenden
Stoffen aus nicht oxydierendem Material das
Gleichgewicht. Die lebten Stoffe stellen eine
Besonderheit der Lahmannschen Werkstatt
dar, man benußt für sie bronzierte Baumwoll-
fäden, die wie Gold wirken. Als ganzes macht
diese Schau einen vorzüglichen Eindruck.
Ein rheinischer Künstler
in Frankreich
Die Arbeiten Alexander Mohrs stellt so-
eben die Galerie Kl ein mann in Paris aus
— Kompositionen, Landschaften, Stilleben und
eine Serie von Gouachen. Verblüffend ist die
Strenge der großen figürlichen Kompositionen
neben der Zartheit der Landschaften. Die
Gouachen, die Stiergefechte, Szenen aus der
Aeneis und Variationen nach Goya darstellen,
sind in der Beherrschung zartester Farb-
wirkung erstaunlich. Mit wenigen Strichen und
Farben entsteht eine Szene von packender
Wirkung und großer Meisterschaft der Wieder-
gabe.
Gedächtnisausstellung Pascin
Vom 26. Januar bis zum 6. Februar 1931
veranstaltet die Galerie Bernheim Jeune
in Paris eine große Gedächtnisausstellung
der Werke Daseins, um die Unkosten für das
geplante Denkmal des Künstlers zu decken,
über dessen Projekt wir in Nr. 28 der „Welt-
kunst“ berichtet haben.

/Spannung auf der
V ersteigerung
Von Dr. Albert Heppner

Nicht von jener offen zutage liegenden
Spannung soll gesprochen werden, die einer
Auktion von vornherein eigen ist: wird der
Hammer jeßt sofort niederfallen und wird die-
ser Gegenstand billig bleiben — oder wer-
den sich die Gebote weiter und weiter folgen,
bis ein glänzender Preis erreicht ist? Auch
nicht von der Spannung, die entsteht, wenn
zwei Konkurrenten einander übersteigern: ob
nun X. aus Berlin oder V. aus New York
länger durchhält und das umkämpfte Stück
wird heimführen können. Vielmehr von jenen,
nieist geheimen Spannungen, die schon in
mancher Auktion geherrscht haben, soll die
Rede sein, wo es ganz wenige Wissende gab,
in deren Innern Ideen von phantastischen Er-
folgen mit der Wirklichkeit rangen und wo es
der Frage galt, ob unter dem wirren Haufen
des Publikums noch einer oder noch einige
Waren, die die gleiche Idee hatten.
Es war nämlich schon oft der Fall, daß im
Katalog irgendeiner Sammlung von Gemälden
alter Meister, die zur Versteigerung kam,
unter vielen Nummern ein Bild angezeigt war,
dessen unbestimmte Bezeichnung als „Nieder-
ländischer Meister“, „Florentiner Schule“ usw.
niemandem oder beinahe niemandem den Ge-
danken nahelegte, daß hier ein großer Schaß
versteckt lag; besonders oft schlummerte
j*ber das Geheimnis unter den Namen
kleinerer Schüler der ganz großen Meister,
einige eminente Kenner, entweder durch
Wissenschaftlichen Scharfblick oder durch
sammlerischen Instinkt geleitet, am besten
^f>er beides vereinend, haben dann gesehen:
Des Bild unter dem unbedeutenden Namen
M verkannt; eine Meisterhand muß es ge-
schaffen haben, nur der größte Name ist hier
9ut genug. Dieser Kenner eilt nun nicht vor
?er VerMeigerung zur Auktionsleitung und
Märt sie über den Irrtum auf, sondern er wird
ersuchen, für sein Museum, sein Kunst-

geschäft oder seine Privatsammlung den
Nüßen daraus zu ziehen.
Ein klassisches Beispiel dafür ist die An-
wesenheit des herrlich tiefempfundenen
„Tobias mit dem Engel“ von Rembrandt im
Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin. Er wurde
April 1910 mit der Sammlung H. Emden, Ham-
burg, in Berlin versteigert und hieß im Katalog
„Govaert Flinck“. Bode erwarb das Bild für
6200 M. und konnte es dem Museum schenken,
weil er wohl der einzige war unter den
vielen, die sicher meinen, von Rembrandts
Schöpfungen besonders tief berührt zu wer-
den, der wirklich Rembrandts Hauch ver-
spürte. Dabei hatte sogar ein Katalogver-
merk, das Bild sei fälschlich mit dem R. be-
zeichnet, den Namen Rembrandts schon an-
gedeutet.
Wie mag wohl denen zumute sein, die den
Schlüssel zu dem Geheimnis in der Hand
zu haben glauben, wenn das von ihnen er-
kannte Objekt zu einem kleinen Preise auf-
gerufen wird, dem kleinen Namen ent-
sprechend, der im Aukiionskafalog genannt
war? Und danach, wenn der Moment kommt,
wo der Preis eines „Kleinmeisters‘‘ erreicht
wäre und sich der Wissende umsieht, ob noch
jemand etwas ahnte gleich ihm und gegen ihn
weiterbietet. Es kommt dann noch mitunter
vor, daß ein anderer die gleiche Vermutung
hegt, aber nicht weiß, ob er seine Meinung
wird durchseßen können, ob die Wissenschaft
seine instinkthafie Feststellung wird bestäti-
gen wollen. Dann bietet er vielleicht noch
eine ganze Weile mit, bis ihm das Risiko zu
groß wird — bald aber streckt er die Waffen.
Das Publikum bespricht dann eifrig den selt-
samen Fall: „Wie merkwürdig, daß der Flinck
so hoch ging — der ist doch überzahlt —
allerdings, es war ein Flinck von großer Qua-
lität.“ . . . Und eines Tages fällt’s den
Vielen wie Schuppen von den Augen, wenn
sie gedruckt lesen: Dr. Bode hat ein Gemälde,
das noch vor kurzem als G. Flinck unerkannt
in der Sammlung Emden hing, als ein Meister-
werk Rembrandts erkannt und dem Museum
überwiesen. Ein Zweifel war bei Bodes Ent-
deckung nicht so leicht möglich, während er
sonst bei plößlichen Umbenennungen auf
große Meislernamen sofort von denen ge-
äußert wird, die es auch hätten wissen

müssen. Denn Bode ist selbst die höchste
Autorität auf diesem Gebiet gewesen und
hatte auch sofort die Handzeichnung Rem-
brandts parat, die eine Skizze zu dem
Emdenschen Bild ist und der Sammlung
Bonnat angehört.
Doch braucht man nicht 20 Jahre zurück-
zugehen, um derartige Vorgänge zu belegen.
Noch in leßter Zeit hatten viele Gelegenheit,
unbewußte Zeugen solcher geheimen
Spannungen zu sein. Im Katalog der Samm-
lung Huldschinsky, die Mai 1928 in Berlin ver-
steigert wurde, war als Nr. 55 ein schönes
Frauenporträt von Bugiardini, dem nicht ein-
mal bekanntesten Raffael-Schüler, aufge-
führt. Seit einigen Jahrzehnten hing das Bild
in Berlin, den Kunstfreunden zugänglich; und,
was im Zusammenhang mit Vorhergehendem
besonders interessant ist: Bode war ein
treuer Berater des hervorragenden Sammlers
Huldschinsky. Auf der Versteigerung dieser
Sammlung hat nun der größte Kunsthändler
Amerikas gesessen und hat gewußt: dies Bild
wird, wenn ich es erworben habe, ein Raffael
sein! Die Angebote kletterten in die Höhe,
kommen auf 50 000 RM. (das, was ein schöner
Bugiardini aus hervorragender Sammlung er-
zielen kann), erreichen 75 000RM., weil viel-
leicht doch außer Duveen noch jemand etwas
Besonderes für dieses Bild empfindet — —
aber nun gehört es auch Duveen und am
nächsten Tage melden schon die Zeitungen:
der vermeintliche Bugiardini ist ein beglau-
bigter Raffael.
Auch nach der bedeutsamen Versteige-
rung der Sammlung Vieweg, März 1930, die
von Bode bekanntermaßen betreut worden
war, ging von Nr. 10 des Katalogs, einem
nicht alltäglich aussehenden Ferdinand Boi,
das Gerücht, Colnaghi habe in ihm einen
Rembrandt erworben. Damals wurde mit
5000 RM. zu bieten begonnen, aber bis zu
24 000 mußte der Käufer seinen Fund ver-
teidigen; schwer dürfte ihm das nicht gefallen
sein, denn zu diesem Preise kann ein großer
Händler auch noch einen Boi verkaufen. Aber
wenn Hofstede de Groot, der damals kurz
vor seinem Tode zum letztenmal in Deutsch-
land war, ihm sofort ein Gutachten über
Rembrandt gab (wie es damals hieß), hat er
den Kauf sicher nicht zu bereuen gehabt.

Ein Fall von großem Interesse, bei dem das
Geheimnis allerdings schon vor der Ver-
steigerung durchgesickert zu sein schien,
spielte sich November 1929 auf einer Londoner
Auktion bei Solheby ab. Hier war im Katalog
ein frühes deutsches Triptychon als
„Kölnischer Meister“ aufgeführt und ab-
gebildet. Eine besonders große Anzahl deut-
scher Kunsthändler machte sich nach London
auf, denn die kleine Katalogabbildung hatte
den deutschen Kunstinleressenten schon mehr
gesagt als den englischen. Der Kampf auf
der Auktion war also erbittert, um so mehr,
als deutsche Experten wohl schon einen be-
stimmten Meisternamen hatten verlauten
lassen. Zwei Berliner Kunsthändler errangen
zusammen den Sieg, der leßthin mit der Er-
werbung des Altars durch das Museum von
Hannover gekrönt wurde: hier wird er als der
einzig makellos erhaltene Altar des „Meister
Bertram“ prangen.
Noch ganz kürzlich konnten die Teil-
nehmer an der Versteigerung Figdor, Sep-
tember 1930, einmal das seltene Vergnügen
haben, sämtlich an der Aufregung solcher
Verkäufe teilzunehmen. Denn diesmal ver-
meldete der Katalog als Fußnote bei der
Nr. 99, „Süddeutsch um 1510“, daß der Kölner
Museumsleiter Dr. Buchner das Bild als ein
Werk Dürers veröffentlichen wolle. Die
Preisgestaltung zeigte den gespannt auf-
merkenden Kunstfreunden, wie das Urteil
Buchners die Bieter vorwärts trieb, bis das
Gebot von 160 000 RM. das Bild nach Paris
gehen ließ. Man rechnete sich im stillen vor,
wie das Resultat gewesen wäre, wenn nur
schlicht „Süddeutsch um 1510“, ohne Fußnote,
im Katalog gestanden hätte, und wie, wenn
uneingeschränkt der Name Albrecht Dürers
— mit literarischen Belegen für die Zustim-
mung aller betreffenden Forscher — genannt
gewesen wäre.
Man sieht, daß auch auf Auktionen das
Sicher-Gehen höher bewertet wird, als das
Hoffen, daß Schaßgräber auch vor aller Augen
am Werke sein können und daß auch heute
noch für den wirklich tiefgründigen Kunst-
kenner ein Trost besteht: es blühen noch für
ihn, selbst in vollster Öffentlichkeit, Chancen,
sein Wissen braucht nicht unbelohnt zu
bleiben. --
 
Annotationen