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19

Die klassische Kunst.

ergreifen. Die Affekte werden
zur Hauptsache und vor dem
Interesse am Menschen ver-
schwindet der ganze übrige
Inhalt der Welt.

In einer Galerie, wo die
Cinquecentisten beisammen-
hängen, ist der erste Ein-
druck für den Beschauer be-
dingt durch die Einseitigkeit
im Stofflichen: es sind nichts
als menschliche Körper, die
die Kunst bildet, grosse
Körper, das ganze Bild füllend,
und überall ist mit strengem
Sinn das Nebensächliche aus-
geschieden. Was für das
Tafelbild gilt, gilt erst recht
'von der Wandmalerei. Es
verrocchio. Taufe Christi. ist ein anderes Geschlecht

von Menschen, das vor uns
auftritt, und die Kunst geht auf Wirkungen aus, die mit der be-
schaulichen Freude an der Mannigfaltigkeit der Dinge sich nicht mehr
vertragen.

i.

Das Cinquecento setzt ein mit einer ganz neuen Vorstellung von
menschlicher Grösse und Würde. Alle Bewegung wird mächtiger, die
Empfindung hat einen tiefem leidenschaftlicheren Atemzug. Man be-
obachtet eine allgemeine Steigerung der menschlichen Natur. Es bildet
sich ein Gefühl aus für das Bedeutende, für das Feierliche und Gross-
artige, dem gegenüber das 15. Jahrhundert in seiner Gebärde ängstlich
und befangen erscheinen musste. Und so wird denn aller Ausdruck
umgesetzt in eine neue Sprache. Die kurzen hellen Töne werden tief
und rauschend und die Welt vernimmt wieder einmal das prachtvolle
Rollen eines hochpathetischen Stiles.

Wenn Christus getauft wird — sagen wir: bei Verrocchio — so
geschieht es mit einer dringlichen Hast, mit einer ängstlichen Biederkeit,
 
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