Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VII. Michelangelo (nach 1520).

1475—1564.

Keiner der grossen Künstler hat in gleicher Weise wie Michel-
angelo von allem Anfang an bestimmend auf seine Umgebung gewirkt
und nun ist es des Schicksals Wille gewesen, dass dieser stärkste und
eigenmächtigste Genius auch noch die längste Lebensdauer haben sollte.
Als alle andern zu Grabe gegangen sind, bleibt er noch am Werk,
mehr als ein Menschenalter. Raffael ist 1520 gestorben. Lionardo und
Bartolommeo schon vorher. Sarto lebte zwar bis 1531, allein das letzte
Jahrzehnt bedeutet am wenigsten bei ihm und man sieht nicht ab, dass
er noch eine Entwicklung vor sich gehabt hätte. Michelangelo aber
ist keinen Augenblick stille gestanden und in der zweiten Hälfte seines
Lebens scheint sich die Summe seiner Kräfte erst zusammenzuschliessen.
Es entstanden die Medicäergräber, das Jüngste Gericht und Sankt Peter.
Für Mittelitalien gab es jetzt nur noch eine Kunst und über den
neuen Offenbarungen Michelangelos sind Lionardo und Raffael voll-
ständig vergessen worden.

1. Die Medicäerkapelle.

Die Grabkapelle von S. Lorenzo ist eines der wenigen Beispiele
der Kunstgeschichte, wo Raum und Figuren nicht nur gleichzeitig
sondern mit bestimmter Absicht für einander geschaffen worden sind.
Das ganze 15. Jahrhundert hat den isolierenden Blick gehabt und das
einzelne Schöne an jeder Stelle schön gefunden. In Prachträumen wie
der Grabkapelle des Kardinals von Portugal auf S. Miniato ist der
Grabbau ein Stück, das man eben da hineingestellt hat, das aber eben-
sogut anderswo sich befinden könnte, ohne an Wirkung zu verlieren.
Auch bei dem Juliusgrab hätte Michelangelo die Räumlichkeit nicht in
der Hand gehabt, es hätte ein Gebäude im Gebäude werden sollen.
Erst das Projekt der Lorenzofassade, die er als architektonisch-plastisches
 
Annotationen