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Die neue Schönheit.

217

Ghirlandajo. Geburt Johannes des Täufers.*)

I.

Die Bewegung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ist von
einer zierlichen, oft preziösen Art. Wenn die Madonna das Kind hält,
so stellt sie gern den Ellenbogen spitz nach aussen und spreizt den
kleinen Finger an der wählerisch-fassenden Hand. Ghirlandajo ist keiner
von den Subtilen, aber er hat diese Manier vollkommen sich an geeignet
Selbst ein Künstler von dem mächtigen Naturell Signorellis macht dem
Zeitgeschmack Konzessionen und sucht das Anmutige in einer un-
natürlich verfeinerten Art. Die Mutter, die das Kind anbetet, hat
nicht die Hände schlicht zusammengelegt, sondern nur die zwei ersten
Finger berühren sich, während die andern abgespreizt in die Luft stehen.

Delikate Personen wie Filippino schrecken dann sogar schon vor
der Zumutung zurück, etwas fest anzufassen. Sei es, dass ein heiliger
Mönch ein Buch halten soll oder der Täufer seinen Kreuzstab: es bleibt
bei einem Antippen. Und so Raffaellino del Garbo oder Lorenzo di
Credi: der heilige Sebastian präsentiert gesucht-elegant seinen Pfeil
zwischen zwei Fingern, als ob er einen Bleistift überreichen wollte.

Das Stehen bekommt zuweilen etwas Tänzerlich-Unfestes und dieses
wackelige Wesen berührt am unangenehmsten in der Plastik. Man

*) Vergl. dazu die Abbildung von A. del Sartos Geburt der Maria auf S. 151.
 
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