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IV

Die Xunst Klbrecht Dürers

Es gibt rwn Buffon einen Satz, den man oft zitiert, aber selten richtig
oersteht: 1s st/ls o'sst l'bomms. An diesen Satz hat der Versasser während
der Arbeit ost gedncht: seine Bedeutung ist, wie Heinrich von Stein nach-
wies, keine individuelle, sondern eine generelle, und Buffon wollte sagen, daß
erst in der „Stilisierung" des Materials, in der rationellen Darlegung das
Eigentlich-Menschliche liege und nicht im bloßen Zusammentragen des Roh-
stoffes. Über Dürer schreiben heißt, von etwa 1200 Zeichnungen, Drucken
und Bildern Rechenschaft geben. Es ist versucht worden, das auf „menschliche"
Weise zu tun, d. h. die Massen so zu disponieren, daß sie übersichtlich und
gelenkig wirken, daß das Wesentliche in seiner Bedeutung sich rasch zu erkennen
gibt, daß die Teile in den richtigen Wirkungsverhaltnissen zueinander stehen
und nirgends eine Einzelheit sich ungebührlich vordrängt. Gerade weil das
nur in sehr bedingter Weise gelungen ist, soll wenigstens die Absicht des
Berfassers bestimmt ausgesprochen sein. Es ist ein schriststellerischer Fehler,
wenn Thausing von der Apokalppse, die doch der Jugend Dürers die Signatur
gibt, erst nach dritthalbhundert Seiten zu sprechen anfängt, nachdem der Leser
schon an allen möglichen Materien sich zerstreut nnd ermüdet hat. Daß die
Wertaccente nnders sitzen und daß die Begriffe, mit denen wir heute die Kunst
Dürers zu fassen versuchen, seit einem Vierteljahrhundert wesentlich andere
geworden sind, ist selbstverständlich.

Jm eigentlichen Sinne als lesbares Buch kann diese „Kunst Albrecht Dürers"
nicht gelten, weil sie immer noch der Ergänzung durch Bilder bedars, auf die
der Text über das gewiß reichliche Jllustrationsmaterial hinaus Bezug nimmt^
Das kostbare Lippmannsche Handzeichnungswerk wird wenig in Privathäusern
vorhanden sein und muß in den öffentlichen Sammlungen eingesehen werden.
Holzschnitte und Kupserstiche sind in Reproduktionen setzt sedem erreichbar,
doch haben nur die besten einen wirklichen Wert. Ein billiges Anschauungs-
werk wie die Gesamtausgabe der Deutschen Verlagsanstalt ist bequem als Nach-
schlagebnch, aber brauchbar eigentlich nur für den, der die Dinge kennt und
Kritik üben kann, auf den ungebildeten Betrachter muß sie durchaus irreführend
nnrken: der Größeneindruck, Papier- und Linienqualität — alles ist unrichtig
und noch dazu in wechselnder Beziehung, nicht in einem konsequenten Sinn.
Auch unsere Jllustrationen, für die der Verleger aufs rühmlichste gesorgt
hat, wollen nur als Anweisungen auf das Original, nicht als Ersatz gelten.

Mit der Popularisierung der Kunstgeschichte hat das Gefühl sür das Echte
bedenklich abgenommen. Es ist gut, von Zeit zu Zeit daraus aufmerksam zu
 
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