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Wurzbach, Alfred von [Oth.]
Niederländisches Künstlerlexikon: mit mehr als 3000 Monogrammen (Band 1): A - K — Amsterdam, 1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.18166#0014
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VIII

angeführten Janssöhnen noch 100 andere desselben Namens existierten, die auch irgend
einmal irgend etwas gemalt, geschnitzt oder angestrichen hatten, aber kein Mensch —
auch kein Kuli — kann sagen, was das gewesen. Die Nachwelt interessiert doch nur
das Werk; je bedeutender dieses ist, desto größer ist das Interesse für den Urheber;
aber Künstler, mit deren Namen keine Erinnerung an irgend ein Kunstwerk verknüpft
ist, sind so gut wie nicht auf der Welt gewesen.

Eine wichtige Forderung ist demnach die Aufzählung der Werke der Künst-
ler. Bei lebenden Meistern, deren Arbeiten sich meist im unzugänglichen Privatbesitz
oder bei dem Kunsthändler oder noch in ihrem Atelier befinden, ist die Sache gewiß
gegenstandslos, und die Angabe, daß N. N. einen „Frühlingsmorgen" und eine „Ruhe
im Walde4" oder zuerst eine „Ruhe im Walde" und erst später auch einen „Frühlings-
morgen" gemalt habe, kann doch nur für seine Familie ein Interesse haben. Uns genügt
zu wissen, daß er überhaupt etwas gemalt hat. Ebensowenig kann es aber der Zweck
dieses oder irgend eines anderen Künstlerlexikons sein, all e s aufzuzählen, was irgend ein
anderer längst verstorbener Meister geschaffen hat.

Was noch für van Dyck, für Rembrandt und Rubens und andere Meister ersten
Ranges seine Berechtigung hat, verliert jegliches Interesse gegenüber Meistern dritten
und vierten Ranges, und welchen Zweck hätte es selbst, alle Bilder von van Goyen
oder Ruysdael zu verzeichnen, die noch vorhanden sind ? Das ist Sache der Monographien
und diese können es nicht.

Kuli scheint aber die Künstlerbiographie als eine dem Flöhefangen ähnliche Beschäfti-
gung anzusehen, bei welcher allerdings alle Flöhe geknickt sein müssen, wenn die Ope-
ration geglückt sein soll. Er erzählt auch gleich von 1300 Portraits von B. Accama, sämt-
lich friesische Antilopen, die ich nicht eingefangen habe, während Kuli diese Menagerie schon
irgendwo beschrieben haben muß, denn er fragt, ob ich ihn, den allgemein angestaunten
Kunstkenner, und seine Schriften nicht kenne? Ei, freilich kenne ich ihn und ich habe
seine Schriften sämtlich, wie Lessing sagte, hinter mir, und kann sie deshalb nicht zitieren.
Mein Buch hat infolgedessen auf ihn und die übrigen Fachgenossen, wie er klagt, „be-
lemmernd" gewirkt. Diese „Beiemmering" muß eine Art Obstruktion der Forschung
sein, an welcher der Arme jetzt leidet. Es ist ein großes Glück, daß, wie er behauptet,
bereits die Mittel gesichert sind, um mein Werk durch ein besseres zu ersetzen, denn
die „Mittel" sind doch immer das wichtigste, da Kuli, der ein praktischer Kopf ist,
nicht nur an der Krippe stehen, sondern auch gefüttert sein will.

Nur eines verdrießt mich von ihm, nämlich seine Behauptung, daß ich das Werk von
Havard, „Histoire de la Faience deDelft", nicht kenne, weil ich es in dem Verzeichnisse der
am häufigsten benützten und darum unter Abkürzungen zitierten Werke nicht angeführt habe.
Ich habe es eben nicht häufig, sondern nur in wenigen Fällen benützt und dann auch
besonders zitiert; denn ein Topf ist meiner Ansicht nach zuweilen eine sehr kostbare
Sache, aber immer nur das Produkt einer Fabrik und es wird keinem Vernünftigen ein-
fallen, die Töpfe, Topffabriken und Topfmarken in einem Künstlerlexikon zu suchen.

Ich würde bei Beleuchtung dieser kläglichen Einwendungen nicht so lange verweilt
haben, wenn es nicht die Gepflogenheit dieser Fachgenossen wäre, bei ihnen unliebsamen
Veröffentlichungen die Parole auszugeben: ,. 0! — haha! — dieses Werk! — O! —
das wurde ja gleich bei seinem Erscheinen von holländischen berufenen Autoritäten als
gänzlich verfehlt und unbrauchbar abgetan!" Ich habe mir daher die Mühe genommen,
diese Autoritäten näher anzusehen. Daß ich bei diesem Anlasse Herrn E. W. Moes
erwähnen mußte, bedaure ich aufrichtig, da ich diesem gelehrten Herrn lieber bei besserer
Gelegenheit begegnet wäre. Was aber den obstruierten Kuli betrifft, so scheint er mir
ein an krankhafter Selbstüberhebung leidender Nachforscher zu sein und es ist ganz über-
flüssig, den Leser noch des längeren mit ihm oder mit seinen „belemmerten" Fach-
genossen zu belästigen.

Dr. Alfred von Wurzbach.

Wien, im Februar 1906.
 
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