HEFT 1 ERNST v. KOERNER: „FRANZÖSISCHE“ STANGEN WAFFEN IN DER DRESDENER RÜSTKAMMER 13
Eisen als „französische Eisen“ und will damit der
Waffe offenbar ein besonderes Charakteristikum
geben. Die Angaben der Inventare lassen den
unwiderlegbaren Schluß auf französische Herkunft
bzw. Fertigung nicht zu. Die beiden Pendantstücke,
Abb. 1 (la) und 4 (4a), sind die am reichsten und
schönsten dekorierten Stücke. Sie zeigen auf ge-
bläutem Untergründe reichen Ätzdekor und Eisen 1
die Marke Die Ausführung der Ätzmalerei
weist auf Süddeutschland (Augsburg). Die Marke
ist aber bisher nicht als Augsburger bekannt. Ge-
schenkt sind diese Stücke von Markgraf Johann
Casimir v. d. Pfalz, am 12. März 1591, seinem
Schwager, Kurfürst Christian I. Die Pfalz als Hei-
mat des Geschenkgebers weist nach Süddeutsch-
land, für das Augsburg der Hauptstapelplatz der-
artiger Erzeugnisse war. Andererseits ist die Pfalz
altes Verbindungsland für den Verkehr mit dem
Westen, besonders Frankreich.
3 (3 a) ist ein Geschenk des Ernst v. Mandelsloh
an Kurfürst Christian I. (Inventarium über die alte
Harnischkammer 1591). Das Blatt zeigt reiches
Rollwerk und im Mittelschilde das Lilienwappen
mit der Krone. Dieses Wappen weist allerdings auf
Frankreich hin, doch ist der Ätzdekor nicht so
ausgesprochen, daß er stilkritisch als französisch
angesprochen werden könnte. 2 (2 a) ist ein ganz
schlichtes Eisen mit sehr schönem und gut erhal-
tenem Schafte. Im Inventar von 1591 ist es
verzeichnet als „welcher Churfürst Augusten Zu
Sachsen Gnaden von dero freundlichen herzlieb-
sten Gemahlin, beide in Gott ruhende, Zum hey-
ligen Christ ist gegeben worden.“
Um sicher zu gehen, habe ich mich an das Musee
de l’Armee in Paris gewendet, mit der Frage, ob
dort diese Form des Jagdspießes als typisch fran-
zösisch bezeichnet werden könne, bzw. ob die Marke
daselbst bekannt sei. Die Antwort lautete, die
Marke sei dort unbekannt. Das Museum besitze
zwar eine Anzahl ähnliche Jagdwaffen wie die
Dresdner, aber sie als spezifisch französisch anzu-
sprechen, wage man nicht. Es sei wohl am wahr-
scheinlichsten, daß im 16. Jahrhundert Deutschland
Frankreich und umgekehrt mit Waffen versehen habe.
Die Dresdener Inventare enthalten neben der
Bezeichnung „französisch“ bei Jagdspießen diese
auch bei Klingen von Reitschwertern und Rapieren
und die Bezeichnung „dänisch“ bei einer Art von
Dolchen mit runden Scheiden und zahlreichen Be-
stecken. Der Ausdruck „französisch“ ist also wohl
weniger auf die nationale Provenienz angewendet
worden denn als Bezeichnung eines besonderen Typs,
wie wir heute etwa von englischem oder ungari-
schem Sattel sprechen oder gewisse Schrauben-
schlüssel einen Engländer oder Franzosen nennen.
Jeder Angehörige der Jägerei oder der Rüstkammer-
wart wußte, was gemeint war, wenn man von Spie-
ßen mit französischen Eisen sprach. Sind doch ge-
rade viele Jagdausdrücke bis auf den heutigen Tag
französisch, was auf den starken Einfluß hinweist,
den der französische Hof seit Franz I. und wohl
auch der burgundische auf das Leben der übrigen
Höfe ausgeübt haben. Im Hintergründe wird ein
dunkles Erinnern stehen, daß man diese Form, als
Abb. 5
am französischen Hofe bevorzugt, von dort mit der
Mode übernahm.
Ganz anders geartet ist die zweite Gruppe der
Dresdner Stangenwaffen in ihren Beziehungen zu
Frankreich. Sie stammen nur zum geringeren Teil aus
diesem Lande, sind vielmehr Kriegsbeute zur Be-
reicherung der französischen Sammlungen aus aller
Herren Länder.
Die in Abb. 5 24 gezeigten Stücke sind im Jahre
1830 durch Tausch aus der Kgl. Preuß. Gewehr-
sammlung an die Dresdner Rüstkammer gekommen.
Sie haben bis dahin oft merkwürdige Wege zurück-
gelegt. In jene Sammlung sind sie zum großen
Teile als Blücher’sche Kriegsbeute 1815 aus dem
Eisen als „französische Eisen“ und will damit der
Waffe offenbar ein besonderes Charakteristikum
geben. Die Angaben der Inventare lassen den
unwiderlegbaren Schluß auf französische Herkunft
bzw. Fertigung nicht zu. Die beiden Pendantstücke,
Abb. 1 (la) und 4 (4a), sind die am reichsten und
schönsten dekorierten Stücke. Sie zeigen auf ge-
bläutem Untergründe reichen Ätzdekor und Eisen 1
die Marke Die Ausführung der Ätzmalerei
weist auf Süddeutschland (Augsburg). Die Marke
ist aber bisher nicht als Augsburger bekannt. Ge-
schenkt sind diese Stücke von Markgraf Johann
Casimir v. d. Pfalz, am 12. März 1591, seinem
Schwager, Kurfürst Christian I. Die Pfalz als Hei-
mat des Geschenkgebers weist nach Süddeutsch-
land, für das Augsburg der Hauptstapelplatz der-
artiger Erzeugnisse war. Andererseits ist die Pfalz
altes Verbindungsland für den Verkehr mit dem
Westen, besonders Frankreich.
3 (3 a) ist ein Geschenk des Ernst v. Mandelsloh
an Kurfürst Christian I. (Inventarium über die alte
Harnischkammer 1591). Das Blatt zeigt reiches
Rollwerk und im Mittelschilde das Lilienwappen
mit der Krone. Dieses Wappen weist allerdings auf
Frankreich hin, doch ist der Ätzdekor nicht so
ausgesprochen, daß er stilkritisch als französisch
angesprochen werden könnte. 2 (2 a) ist ein ganz
schlichtes Eisen mit sehr schönem und gut erhal-
tenem Schafte. Im Inventar von 1591 ist es
verzeichnet als „welcher Churfürst Augusten Zu
Sachsen Gnaden von dero freundlichen herzlieb-
sten Gemahlin, beide in Gott ruhende, Zum hey-
ligen Christ ist gegeben worden.“
Um sicher zu gehen, habe ich mich an das Musee
de l’Armee in Paris gewendet, mit der Frage, ob
dort diese Form des Jagdspießes als typisch fran-
zösisch bezeichnet werden könne, bzw. ob die Marke
daselbst bekannt sei. Die Antwort lautete, die
Marke sei dort unbekannt. Das Museum besitze
zwar eine Anzahl ähnliche Jagdwaffen wie die
Dresdner, aber sie als spezifisch französisch anzu-
sprechen, wage man nicht. Es sei wohl am wahr-
scheinlichsten, daß im 16. Jahrhundert Deutschland
Frankreich und umgekehrt mit Waffen versehen habe.
Die Dresdener Inventare enthalten neben der
Bezeichnung „französisch“ bei Jagdspießen diese
auch bei Klingen von Reitschwertern und Rapieren
und die Bezeichnung „dänisch“ bei einer Art von
Dolchen mit runden Scheiden und zahlreichen Be-
stecken. Der Ausdruck „französisch“ ist also wohl
weniger auf die nationale Provenienz angewendet
worden denn als Bezeichnung eines besonderen Typs,
wie wir heute etwa von englischem oder ungari-
schem Sattel sprechen oder gewisse Schrauben-
schlüssel einen Engländer oder Franzosen nennen.
Jeder Angehörige der Jägerei oder der Rüstkammer-
wart wußte, was gemeint war, wenn man von Spie-
ßen mit französischen Eisen sprach. Sind doch ge-
rade viele Jagdausdrücke bis auf den heutigen Tag
französisch, was auf den starken Einfluß hinweist,
den der französische Hof seit Franz I. und wohl
auch der burgundische auf das Leben der übrigen
Höfe ausgeübt haben. Im Hintergründe wird ein
dunkles Erinnern stehen, daß man diese Form, als
Abb. 5
am französischen Hofe bevorzugt, von dort mit der
Mode übernahm.
Ganz anders geartet ist die zweite Gruppe der
Dresdner Stangenwaffen in ihren Beziehungen zu
Frankreich. Sie stammen nur zum geringeren Teil aus
diesem Lande, sind vielmehr Kriegsbeute zur Be-
reicherung der französischen Sammlungen aus aller
Herren Länder.
Die in Abb. 5 24 gezeigten Stücke sind im Jahre
1830 durch Tausch aus der Kgl. Preuß. Gewehr-
sammlung an die Dresdner Rüstkammer gekommen.
Sie haben bis dahin oft merkwürdige Wege zurück-
gelegt. In jene Sammlung sind sie zum großen
Teile als Blücher’sche Kriegsbeute 1815 aus dem