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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 3.1929-1931

DOI Heft:
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde, Neue Folge Band 3 (12), Dezember 1929, Heft 5
DOI Artikel:
Prihoda, Rudolf: Der Reichensteiner Spangenharnisch
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69976#0133

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HEFT 5

RUDOLF PRIHODA: DER REICHENSTEINER SPANGENHARNISCH

109

DER REICHENSTEINER SPANGENHARNISCH
VON RUDOLF PRIHODA

Der mährisch-schlesische Prähistoriker Ing. Gustav
Stumpf machte mich in dankenswerter Weise darauf
aufmerksam, daß im Rathause der Stadt Jauernig in
Tschechisch-Schlesien seit langem Harnischbestand-
teile verwahrt werden, welche einst auf der, in näch-
ster Nähe dieser alten Stadt gelegenen Burgruine
Reichenstein aufgefunden wurden. Umfängliche Aus-
grabungen, die der Sudetengebirgsverein in den Jah-
ren 1903—1904 auf dieser Burgruine anstellen ließ,
haben die Stücke zutage gefördert.
Der genannte Herr hat auch veranlaßt, daß mir
diese Fundstücke, über deren einstigen Zweck bisher
recht geteilte Meinungen herrschten, zur Untersu-
chung vorgelegt wurden, wobei ich feststellen konnte,
daß es sich um die Teile eines ritterlichen Spangen-
harnisches von größter Seltenheit handelt, der Ein-
zelheiten aufweist, die im Originale noch nicht be-
kannt geworden sind.
Über den Fundort wäre zunächst mitzuteilen, daß
die Erbauung der Burg Reichenstein mangels be-
stimmter urkundlicher Daten in die Zeit des Kamp-
fes zwischen den Herzögen von Böhmen und dem
Polenherzoge Boleslaw Chrobrjr, bzw. dessen Söh-
nen in den Anfang des 11. Jahrhunderts, die Zerstö-
rung hingegen in das Jahr 1157, andernorts 1281
verlegt wird1). Dies letztere Datum dürfte der Wirk-
lichkeit nahe kommen, denn Stumpf führt in
seiner unten genannten kritischen Schrift den
Nachweis, daß die ganze Anlage der Hauptburg in
der Tat für ein so hohes Alter spricht. Obwohl
die Burg im 13. Jahrhundert noch vollkommen wehr-
fähig gewesen ist, muß die Zerstörung frühzeitig er-
folgt sein, da sich nirgends Bauteile vorfinden, die
auf den Gebrauch von Feuerwaffen schließen lassen.
Die Ruine wurde durch die Ausgrabungsarbeiten
von dem sie bedeckenden Schutte fast völlig be-
freit. Aus den, bei dieser Gelegenheit gemachten
Funden, unter denen eine verhältnismäßig bedeu-
tende Menge von Armbrust-Bolzeneisen und Pfeil-
spitzen auffällt, wird geschlossen, daß die Burg
Reichenstein jedenfalls bei einem überraschenden
Überfall eingeäschert und völlig zerstört wurde, wo-
bei auch die darin befindlichen Tiere, wie Pferde,
Hunde und Schweine mit verbrannten2).
!) Ing. Gustav Stumpf: Ruine Reichenstein. Troppau
1916.
2) Bruno König: Geschichte und Führer von Jauernig
und Umgebung. 1904.

Über die näheren Umstände der Auffindung des
Spangenharnisches, seine etwaigen Begleitfunde und
Schichtenlage konnte ich leider nichts Gewisses in
Erfahrung bringen.
Zur Untersuchung lagen mir 16 einzelne Spangen-
harnischteile vor, die ich an Hand der beigegebenen,
genauen Zeichnungen, aus denen die Form und
eigentümliche Nietanordnung hervorgeht, kurz be-
schreibe.
Abb. 1. Linkes Seitenstück der offenbar mehr-
teiligen Brustplatte, mit Ausschnitt für den linken
Arm. Der Körperform angepaßt, größte Länge 18 cm,
am oberen Rande, wo zwei Nieten sichtbar sind,
7 cm breit. Höchst bemerkenswert ist die, in der
Mitte aufsitzende, kräftige Eisenniete, mit mäch-
tigem, als sechsteilige Rosette ausgebildeten Mes-
singkopfe. Hier hing einst eine Kette herab, an der
das Schwert befestigt war. Leider ist diese Messing-
rosette in alter Zeit stark beschädigt worden, läßt
sich jedoch, wie Abb. la—1b zeigen, recht gut rekon-
struieren. Sie besaß, wie sich aus der Zeichnung er-
gibt, einen Durchmesser von über 3 cm. Dergleichen
Schwert- und Dolchkettennieten, in Form einer mehr-
teiligen Rosette, waren an Spangenharnischen allge-
mein verbreitet und sind auch beispielsweise an den
in Z. H. W. K. 10, 212, abgebildeten Grabmälern
Ottos des Jüngeren, Grafen von Orlamünde, f 1340,
und des Walter Bopfinger, f 1359, deutlich zu er-
kennen. Im Originale ist dieses charakteristische De-
tail hiermit wohl zum ersten Male nachgewiesen.
Die Platte, Abb. 2, ist bei schwacher, der Körper-
form angepaßten Biegung mit zwei Nieten versehen,
Länge 11V2 cm, größte Breite 6 cm. Der in Z.H.
W. K. 11, 69, Abb. 4, in Rückansicht dargestellte
Küßnacher Spangenharnisch I zeigt in der Nähe der
rechten Schulter eine ähnlich geformte Platte. Nur
sind dort die Nieten wagerecht angeordnet, während
sie beim Reichensteiner Spangenharnisch in diesem
Falle senkrecht zu stehen kämen.
Die Platten, Abb. 3—8, sind ebenfalls der Körper-
form angepaßt, in ihrer Längsachse schwächer oder
stärker gebogen.
Abb. 9—13 stellen leicht gekehlte, sonst völlig ge-
rade Spangen und Platten dar, die am Lentner füg-
lich senkrecht angeordnet zu denken sind. Die
Spangen, Abb. 9 und 10, waren einst von größerer
Länge, da sie je eine Bruchstelle auf weisen. Ähn-
liche, gekehlte Spangen, sind auf einer, von P. Post
 
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