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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — N.F. 3.1929-1931

DOI Heft:
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde, Neue Folge Band 3 (12), April 1930, Heft 6
DOI Artikel:
Gessler, E. A.: Der Kalotten- Helm von Chamoson
DOI Artikel:
Dihle, Helene: Kostümbilder und Rechnungsbücher der sächsisch-ernestinischen Hofschneiderei 1469-1588
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.69976#0151

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HEFT 6

HELENE DIHLE: KOSTÜMBILDER UND RECHNUNGSBÜCHER USW.

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der Bänder ist einzigartig und kommt sonst nirgends
in dieser Gestalt vor. Die bildlichen Quellen be-
stätigen die Datierung. Es kommen ähnliche For-
men vor, doch keine, die unserm Stück völlig gleich
wären. Wir sehen, die Einreihung unseres Helms in
die abendländische Bewaffnung ist nicht ganz ein-
fach.
Der Einbruch seeräubernder spanischer Sara-
zenen Ende des 9. Jahrhunderts von Südfrankreich
aus bis zu den schweizer Alpenpässen, auf den be-
reits kurz hingewiesen wurde, läßt nun auch eine
sarazenische Herkunft möglich erscheinen. Denn die
Sarazenen besiedelten im Einverständnis mit König
Hugo von Niederburgund im 10. Jahrhundert unter
anderem auch das St. Bernhard Gebiet, an dessen
Ausgang der Fundort unseres Helms liegt.
Diese Hypothese, so ungewiß sie erscheint, wird
gestützt durch Mitteilungen, welche ich der Freund-
lichkeit von Herrn Prof. Dr. J. J. Hess v. Wyss,
dem Orientalisten der Universität Zürich, verdanke.
Diese lauten:
„In dem größten arabischen Original-Wörterbuch
Tadsch al-‘Arüs (B. 5. S. 11, Z. 10) lesen wir: „al-
baidah, „das Ei“ wird der Helm von Eisen genannt,
weil man ihn mit dem Straußenei vergleicht. So
sagt Abu ‘Ubaidah (gest. 825) in seinem „Buch der
Panzer“ und er zitiert dazu einen Vers des Salämah
ben Gandal (aus der II. Hälfte des 6. Jh.): „Als
ob die Strauße auf ihren Köpfen Eier gelegt hätten“
... Und er (der Helm) hat Teile und Bleche (oder
Platten) wie die Teile des Kopfes (d. h. des Schä-
21) Der Ausdruck der mit Teil übersetzt ist, bezeichnet
beim Schädel die Hauptteile der Kalotte, nämlich: die
beiden os parietale, das os frontale und das os occipitale
(die beiden Seitenwandteile, das Stirnbein und das Hin-
terhauptbein).

dels)21); es sind diß Ränder dßr ßinen mit den
andern durch Nägel vereinigt, welche die beiden
Ränder von je zwei Teilen (aneinander) befestigen
und man sagt, bisweilen sind keine Teile da und
er besteht aus einem Bleche (Platte). „Eine wei-
tere Stelle lautet (B. 7, S. 114, Z. 5): „Der eiserne
Helm wird auch tarikah, d. i. leeres Straußenei, ge-
nannt, nach Iben Sidah aus Spanien (gest. 1065),
weil er einem solchen gleicht.“
Diese Stellen des von Seijid Muhammed Murtäda
im 18. Jahrhundert zusammengestellten Wörterbuchs
ergeben, daß der arabische Helm im 6., 9. und 11.
Jahrhundert die Form eines halben Straußeneis, also
die einer Kugelkalotte, gehabt hat. Seine Konstruk-
tion um die Wende des 9. Jahrhunderts ist die des
europäischen Spangenhelms, nur sind die einzelnen
Platten direkt mit Nägeln vernietet, also hier bereits
eine Übergangsform mit Weglassung der Spangen.
Gleichzeitig erhalten wir den Beweis für das Be-
stehen eines Kalottenhelms, der aus einer einzigen
Platte getrieben war, ganz gleich also mit der Kon-
struktion des Helmes von Chamoson. Originale sol-
cher Helme sind bisher nicht nachgewiesen. Die
Araber, Sarazenen, haben also vom 6. bis zum
11. Jahrhundert Helme getragen, die der Form
des behandelten entsprechen. Es ist daher sehr wohl
möglich, daß diese Helmform mit den Arabern
nach Spanien, Sizilien, Unter-Italien und Südfrank-
reich gekommen und dann wegen seiner Zweck-
mäßigkeit in die europäische Bewaffnung aufge-
nommen wurde. Wann dies geschah, wissen wir
nicht.
Es bleibt uns die Wahl, in dem Helm von Cha-
moson einen erhaltenen sarazenischen Helm zu er-
blicken oder ein unter sarazenischem Einfluß ent-
standenes einheimisches Produkt.

KOSTÜMBILDER UND RECHNUNGSBÜCHER DER SÄCHSISCH-
ERNESTINISCHEN HOFSCHNEIDEREI 1469 1588
VON HELENE DIHLE

In Bibliotheken und Archiven ruhen ungezählte
Verzeichnisse, Rechnungen und Inventarien, welche
über den Garderobenbestand unserer Vorfahren Auf-
schluß geben. Ein Teil dieser Akten ist urkunden-
treu, häufig in Fachzeitschriften versteckt, veröffent-
licht; das meiste liegt noch ungehoben und unbe-
nutzt. So sehr wir das einerseits bedauern, muß
doch gesagt werden, daß der Wert einzelner, her-

ausgegriffener Abdrucke sehr bedingt ist. Dem
Laien sagen sie gar nichts, aber auch dem Kostüm-
kundigen vermag die unbelebte, nüchterne Aufzäh-
lung von Kleidungsstücken und Preisen kein an-
schauliches Bild der Tracht und Lebenshaltung jener
Zeit zu geben. Abgesehen davon, daß wir meist
nur einen unsicheren Maßstab für die Beurteilung
des alten Geldeswertes und damit für die Höhe des
 
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