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GESSLER: EIN ZERLEGBARES HINTERLADERGESCHÜTZ USW.
BAND 3
Der Verzicht der Hersteller auf die Schweiß-
mustertechnik verzögerte sich natürlich auch dank
der Tradition, welche mit einem Gegenstand von
so hoher Bedeutung wie das Schwert verknüpft war.
Der Konsument, d. h. der Krieger des frühen Mittel-
alters, bewahrte noch sehr lange ein großes Interesse
für die wurmbunten Klingen, die von heroischen Er-
innerungen umwoben waren.
Nichtsdestoweniger veranlaßte der technische
Fortschritt, dieses alte kostspielige Verfahren, wel-
ches noch obendrein in der Qualität dem neuen Pro-
duktionsverfahren bedeutend nachsteht, aufzugeben.
Das Schicksal der wurmbunten Klinge teilt Jahr-
hunderte darauf im Orient auch der natürliche Da-
mast. Das vom theoretischen Standpunkt aus als ideal
betrachtete Produkt, wie es der asiatische Damast
war, welcher sich als ausnehmend mühsam und kost-
spielig in seiner Herstellung erwies, wird im Orient
vom XVI. Jarhh. ab allmählich von dem billigeren
und meistenteils auch qualitätshöheren europäischen
Fabrikate verdrängt.
Bis zum heutigen Tage sind wir nicht in der Lage,
auf eine Reihe von Fragen die Antwort zu geben,
die sich auf die Herkunft dieser oder jener Form von
Schwertern aus dem Frühmittelalter beziehen. Denn
allein nach dem Stil des Griffes ist dies nicht mög-
lich. Zum Ziele kommen wir nur bei Berücksichti-
gung des Schweißmusters. Kein Zweifel besteht, daß
die Zentren der alten Klingenindustrie ihre beson-
deren technischen Verfahren bei der Schweißung in
Anwendung gebracht haben, die demgemäß auch ein
spezifisches Muster auf der Oberfläche der Klinge
ergaben. Technische Verfahrensarten der Schweißung
gehören immer bestimmten Produktionszentren an.
Ganz das gleiche gilt auch für den östlichen Da-
mast, wo der Charakter des Musters eine Lokalisie-
rung und Benennung nach der Herkunft gestattet
(Chorasan, Flindi, Scham, Bagas-Istambul usw.).
Schliffe von Schwertfragmenten oder, — sofern
dieses möglich sein sollte, — von ganz erhaltenen
Klingen: das ist die Aufgabe, vor welche das Stu-
dium des frühmittelalterlichen Schwertes heute ge-
stellt ist.
EIN ZERLEGBARES HINTERLADERGESCHÜTZ AUS DEM ENDE
DES 16. JAHRHUNDERTS
VON E. A. GESSLER
Nachdem das Feldgeschütz in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts ausschlaggebende technische
Verbesserungen erhalten hatte, bildete sich die Ar-
tillerie in der Folgezeit neben Infanterie und Kaval-
lerie zur dritten Hauptwaffe aus. Bereits in den sog.
„Feuerwerksbüchern“ des 15. und 16. Jahrhunderts
finden wir Ansätze, die zu einer Erleichterung der
Rohre führen sollten; die ,,Büchsenmeisterei“-Bücher
der beiden folgenden Jahrhunderte beschäftigten sich
stark mit diesem Problem; es sei hier nur an die so-
genannten „Lederkanonen“ erinnert1). Diese Ver-
suche erstreckten sich hauptsächlich auf die Einfüh-
rung einer geeigneten Hinterladung und die Erleich-
terung der Rohre, um das Geschütz beweglicher zu
gestalten und es in Stellungen bringen zu können,
welche für die gewöhnlichen Bronzerohre unerreich-
bar waren.
Weder unter den noch heute vorhandenen Ge-
schützrohren, noch in der ganzen zeitgenössischen
Literatur, treffen wir jedoch unseres Wissens ein
B Vgl. E. A. Geßler, „Die sogen. Lederkanonen aus
dem Zeughausbestand der Stadt Zürich“. Anzeiger f.
Schweizer. Altertumskunde N. F. XXVI. Bd. 1924 S. 51 ff.
und S. 154ff. Siehe dort Literaturangaben, bes. S. 54.
Rohr, welches auf dem Prinzip der Zerlegbarkeit
aufgebaut war. Kleinkalibrige leichte Geschütze,
welche den Dienst der heutigen Gebirgsartillerie ver-
sahen, hat es schon seit dem 15. Jahrh. gegeben,
mittlere Kaliber jedoch keine.
Ein solch zerlegbares Rohr befindet sich nun als
einziges Stück seiner Art im Schweiz. Landesmuseum
in Zürich (K. Z. 5443) (Abb. 1); es stammt aus dem
alten Zeughausbestand der Stadt und hat wohl von
jeher als große Merkwürdigkeit gegolten; es ist zu-
gleich als Hinterlader eingerichtet. Seine Konstruk-
tion möge hier skizziert werden.
Das eiserne Rohr wiegt rund 260 kg und ist in
seine einzelnen Teile zerlegbar, es besteht zunächst
aus einem dünnen schmiedeeisernen Seelenrohr; die-
ses Kernrohr ist sehr sorgfältig geschmiedet und dürfte
im Innern nachgebohrt worden sein. Diesem ersten
Seelenrohr ist ein zweites, gleich dickes aufs engste
angepaßt und umschließt es ohne Zwischenraum.
Beide Rohre sind mit Kupfer zusammengelötet. Dar-
um legt sich nun als dritter Teil ein zweiteiliger
dicker Kernmantel aus Gußeisen, welcher seiner
Länge nach mit einem abschließenden vierten Außen-
mantel aus Schmiedeeisen, bestehend aus vier dün-
GESSLER: EIN ZERLEGBARES HINTERLADERGESCHÜTZ USW.
BAND 3
Der Verzicht der Hersteller auf die Schweiß-
mustertechnik verzögerte sich natürlich auch dank
der Tradition, welche mit einem Gegenstand von
so hoher Bedeutung wie das Schwert verknüpft war.
Der Konsument, d. h. der Krieger des frühen Mittel-
alters, bewahrte noch sehr lange ein großes Interesse
für die wurmbunten Klingen, die von heroischen Er-
innerungen umwoben waren.
Nichtsdestoweniger veranlaßte der technische
Fortschritt, dieses alte kostspielige Verfahren, wel-
ches noch obendrein in der Qualität dem neuen Pro-
duktionsverfahren bedeutend nachsteht, aufzugeben.
Das Schicksal der wurmbunten Klinge teilt Jahr-
hunderte darauf im Orient auch der natürliche Da-
mast. Das vom theoretischen Standpunkt aus als ideal
betrachtete Produkt, wie es der asiatische Damast
war, welcher sich als ausnehmend mühsam und kost-
spielig in seiner Herstellung erwies, wird im Orient
vom XVI. Jarhh. ab allmählich von dem billigeren
und meistenteils auch qualitätshöheren europäischen
Fabrikate verdrängt.
Bis zum heutigen Tage sind wir nicht in der Lage,
auf eine Reihe von Fragen die Antwort zu geben,
die sich auf die Herkunft dieser oder jener Form von
Schwertern aus dem Frühmittelalter beziehen. Denn
allein nach dem Stil des Griffes ist dies nicht mög-
lich. Zum Ziele kommen wir nur bei Berücksichti-
gung des Schweißmusters. Kein Zweifel besteht, daß
die Zentren der alten Klingenindustrie ihre beson-
deren technischen Verfahren bei der Schweißung in
Anwendung gebracht haben, die demgemäß auch ein
spezifisches Muster auf der Oberfläche der Klinge
ergaben. Technische Verfahrensarten der Schweißung
gehören immer bestimmten Produktionszentren an.
Ganz das gleiche gilt auch für den östlichen Da-
mast, wo der Charakter des Musters eine Lokalisie-
rung und Benennung nach der Herkunft gestattet
(Chorasan, Flindi, Scham, Bagas-Istambul usw.).
Schliffe von Schwertfragmenten oder, — sofern
dieses möglich sein sollte, — von ganz erhaltenen
Klingen: das ist die Aufgabe, vor welche das Stu-
dium des frühmittelalterlichen Schwertes heute ge-
stellt ist.
EIN ZERLEGBARES HINTERLADERGESCHÜTZ AUS DEM ENDE
DES 16. JAHRHUNDERTS
VON E. A. GESSLER
Nachdem das Feldgeschütz in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts ausschlaggebende technische
Verbesserungen erhalten hatte, bildete sich die Ar-
tillerie in der Folgezeit neben Infanterie und Kaval-
lerie zur dritten Hauptwaffe aus. Bereits in den sog.
„Feuerwerksbüchern“ des 15. und 16. Jahrhunderts
finden wir Ansätze, die zu einer Erleichterung der
Rohre führen sollten; die ,,Büchsenmeisterei“-Bücher
der beiden folgenden Jahrhunderte beschäftigten sich
stark mit diesem Problem; es sei hier nur an die so-
genannten „Lederkanonen“ erinnert1). Diese Ver-
suche erstreckten sich hauptsächlich auf die Einfüh-
rung einer geeigneten Hinterladung und die Erleich-
terung der Rohre, um das Geschütz beweglicher zu
gestalten und es in Stellungen bringen zu können,
welche für die gewöhnlichen Bronzerohre unerreich-
bar waren.
Weder unter den noch heute vorhandenen Ge-
schützrohren, noch in der ganzen zeitgenössischen
Literatur, treffen wir jedoch unseres Wissens ein
B Vgl. E. A. Geßler, „Die sogen. Lederkanonen aus
dem Zeughausbestand der Stadt Zürich“. Anzeiger f.
Schweizer. Altertumskunde N. F. XXVI. Bd. 1924 S. 51 ff.
und S. 154ff. Siehe dort Literaturangaben, bes. S. 54.
Rohr, welches auf dem Prinzip der Zerlegbarkeit
aufgebaut war. Kleinkalibrige leichte Geschütze,
welche den Dienst der heutigen Gebirgsartillerie ver-
sahen, hat es schon seit dem 15. Jahrh. gegeben,
mittlere Kaliber jedoch keine.
Ein solch zerlegbares Rohr befindet sich nun als
einziges Stück seiner Art im Schweiz. Landesmuseum
in Zürich (K. Z. 5443) (Abb. 1); es stammt aus dem
alten Zeughausbestand der Stadt und hat wohl von
jeher als große Merkwürdigkeit gegolten; es ist zu-
gleich als Hinterlader eingerichtet. Seine Konstruk-
tion möge hier skizziert werden.
Das eiserne Rohr wiegt rund 260 kg und ist in
seine einzelnen Teile zerlegbar, es besteht zunächst
aus einem dünnen schmiedeeisernen Seelenrohr; die-
ses Kernrohr ist sehr sorgfältig geschmiedet und dürfte
im Innern nachgebohrt worden sein. Diesem ersten
Seelenrohr ist ein zweites, gleich dickes aufs engste
angepaßt und umschließt es ohne Zwischenraum.
Beide Rohre sind mit Kupfer zusammengelötet. Dar-
um legt sich nun als dritter Teil ein zweiteiliger
dicker Kernmantel aus Gußeisen, welcher seiner
Länge nach mit einem abschließenden vierten Außen-
mantel aus Schmiedeeisen, bestehend aus vier dün-