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Zoepfl, Heinrich
Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte: ein Lehrbuch in zwei Bänden (1): Deutsche Volks- und Staatsgeschichte in quellemmäßigem Abrisse bis zur Stiftung des Deutschen Bundes — Stuttgart: Krabbe, 1844

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https://doi.org/10.11588/diglit.47336#0031
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§. 2. Die deutsche Heldensage.

7

Gedankens, d. h. einer ewigen Vorsicht3) ausgeprägt, ursprünglich
sogar die Idee eines über der anderen Götter- und Menschenwelt stehen-
den Allvaters und Schicksallenkers. Das hauptsächlichste Attribut Wo-
dans ist die Sonne, welche in der Sage als sein Schild erscheinet:
hiernach dürfte Wodan (Odhinn) als der Repräsentant eines dem reinen
Monotheismus sich zunächst anschliessenden Natur- resp. siderischen,
insbesondere Sonnen-Cultus aufzufassen sein. Freyr (Fricco) und Thor
(Ziu, Er) erscheinen neben Wodan, dem göttlichen Gedanken, als
die beiden Aeusserungsformen desselben, resp. als der Dualismus, der
Gegensatz in der Aeusserung des göttlichen Gedankens: Freyr zu-
nächst als der Ausdruck der ewig schaffenden und erhaltenden gött-
lichen Liebe4), Thor vorzugsweise als Ausdruck der gewaltigen zer-
störenden göttlichen Kraft 5).
In Freyr ist die befruchtende Naturkraft personificirt: er gibt Regen
und Sonnenschein (was übrigens auch Wodan und Thor thun) und
besonders ein fruchtbares Jahr, daher sein Hauptfest (wenigstens bei
den Schweden) am Anfänge des Frühlings gefeiert wurde 6). Sein
Attribut scheint der Mond gewesen zu sein 7). Die Formen und die
Bedeutung seines Cultus erinnern an die des Cultus der Nerthus,
welche nur eine weibliche Umbildung des (an sich wahrschein-
lich wie alle Götter des hohen Alterthums mannweiblichen) Freyr
3) Es ist genau die Idee der Tipovota, der wie sie auch in dem
christlichen Äoyog, dem schaffenden Gedanken, der von Anfang bei Gott war, ent-
halten ist. Dafür spricht auch die Etymologie des Namens. Wuot, h. z. T. Wuth
(rabies~) ist ursprünglich einfach mens, animus, Gedanke, und Wunsch, d. h. Wille.
Die Bedeutung des Namens ist also: Herr des Gedankens, des Wunsches, der durch
den Gedanken Schaffende. Vergl. J. Grimm, deut. Myth. p. 99 flg. — H. Müller,
Alter und Heimath der L. Sal. etc. p. 231. — Hiermit zusammen hängt der Wunsch-
hut (trivialisirt in dem Volksmährchen vom Fortunatus), die Wünscheiruthe, das
wüthende (Wodans-J Heer u. s. w. —
4) Die Etymologie von Freyr führt auf den Begriff'gnädig, froh, freudig,
s. §. 1. not. 10. —
5) Es stehen also in der deutschen Göttersage ein Orzmud und Ar im an
unter der Gottheit, wie in dem persischen Cultus; eben so ist der Anklang an die
indische Götterlehren (den Trimurdi) oder die Triologie von Brama, W i s c h n u
und Siva nicht zu verkennen. — Aehnlich ist die nordische Sage, wonach Vili
und Ve (Wille und Kraft) als Brüder des Wodan, des Gedankens, erscheinen.
J. Grimm, deut. Myth. p. 110. —
6) J. Grimm, deut. Myth. p. 139. —
7) Davon ist wohl der Eber Gullinbursti (Goldborsten) zu verstehen, der
mit Pferdesschnelligkcit rannte, und des Gottes Wagen zog, und mit seinen Gold-
borsten die Nacht gleich dem Tage erhellte. J. Grimm, ebendas. — (S, not. 8).
 
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