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Dynamik und Dauer
Zur Bild erwelt von Irmgart Wessel-Zumloh
Erich Franz

In den fünfziger Jahren, als Irmgart Wessel-Zumloh ihre malerische
Ausdrucksweise entwickelte, gab es zwei Schlachtrufe: »Abstraktion«
als Aufhebung des Gegenstandes und »Informel« als Auflösung der
Form zu offener malerischer Bewegung. Die Situation war kämpferisch,
der Begriff »Avantgarde« entsprach in der Kunstwelt seiner militä-
rischen Herkunft; die Lager waren geteilt. Und in diesen Jahren stand in
Iserlohn eine Malerin vor der Staffelei, die »Gegenstände« malte und die
Bewegungen des Farbauftrags bremste, auflöste und in flächiger Kom-
paktheit bändigte. Der Fall schien klar. Irmgart Wessel-Zumloh mochte
1962 noch so deutlich ihre Verbundenheit mit den abstrakten und gesti-
schen Malern ausdrücken: »Ich bekenne mich uneingeschränkt zu den
Meistern des neuen Malstils, zu Pollock, Wols, Dubuffet, Kline, Mathieu.«
Man sah sie, wenn nicht auf der »falschen« Seite, so doch in der »Mitte«,
wie Armin Möhler im Münchner Katalog von 1962 ausführte. Aber auch
die differenzierte Bemühung von Juliane Roh im selben Katalog, Wessel-
Zumlohs Kunst gegenüber einer »sogenannten >halbabstrakten< Malerei«
zu unterscheiden und den Gegenständen in ihren Bildern »einen Form-
auftrag im Bildganzen« zuzuschreiben, »das durchaus abstrakt bleibt«,
zeugt von einem solchen Denken in »Lagern«.
Im 20. Jahrhundert war »Stil« nicht etwas, was sich selbstverständlich
entwickelte, sondern was durchgesetzt und verteidigt werden mußte. Die
unzähligen konkurrierenden Arten malerischer Formbildung hatten ihren
offensichtlichen Bezug zur realen Welt verloren. Wollte man sie dennoch
nicht nur als unverbindliches Formenspiel auffassen, sondern als Aussagen
mit Bedeutung, dann war ihr Realitätsbezug und Weltbezug erst noch zu
bestimmen. Willi Baumeister bezeichnete 1943-45 das eigentlich Künst-
lerische als »das Unbekannte in der Kunst« - im Gegensatz zur bloßen
Nachahmung des Bekannten. Doch diese nicht-nachahmende, abstrakte
Kunst soll alles andere als Selbstzweck sein: Sie »gewinnt auch im Hin-
blick auf das menschliche Leben eine umfassende Bedeutung.«
Es waren also Gründe des Realismus, der Entsprechung zur Wirklichkeit,
weshalb abstrakte Kunst sich gegen die nachahmende richtete. Realität
 
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