Der Schtaatsschtreech rc.
„Am vierte Dag Obends halt's un mer müsse ausschteige.
Wie ich mich umguck', kummt mer des Ding so bekannt vor
un s' war richtig so, dann mer wäre wiederuf der Rheinbrück
bei Straßburg. Driwwe Hot grad die badisch Eisenbahn' gepiffe,
un da hawwe mer unS nit mehr lang b'snnne, was mer dhun
solle." —
Hot mich viel Geld loscht, wann mer aach schun die
Rückreeß nmesunscht gemacht hawwe, viel Angscht Hab ich aus-
g'schlanne un so viel gschwitzt, daß es noch drei Dag dauere
kann bis mein" Bauch wieder rausgesse is — awwer des sag
ich Ihne: Nunue kcen' Plaisirreeß amme Freidag an'fange! " —-
R—
Hmnanitiits * Fortschritte.
Erste Seen e.
Gerichtsdiener. „Der Herr Commissär ist da. Mach
der Märtel, daß er in's Verhör hinüber kommt."
Martin. ,,Ist das eine Sprache? Herr Martin Gyps-
reibcr heiß' ich und man ladet mich schön ein."
Gerichtsdiener. „Warum nicht gar! Ich bring nichts
Neues auf."
Martin. „Es ist was Altes. Wie ich das letzte Mal
gsessen bin, Hab ich erfahren, daß man uns höflich behandeln
muß, verstehst mich? Befolg' die Verordnung."
Gerichtsdiener. „Die Herrn können verordnen, was
sie wollen, ich mach'«, wie's mein Vater gemacht hat."
Martin. „Willst mich ersuchen oder nicht?"
Gerichtsdiener. „WaS? Einen Dieb?"
Martin. „Der Martin Gypsreiber ist so lang kein Dieb,
bis es ihm bewiesen ist."
Gcrichtsdiener. „Bist etwa das letzte Mal gesesien,
weilst Lämmer gehütet hast?"
Humanitäts-Fortschritte. 147
Martin. „Ich beschwer mich. Ich Hab mein Straf aus-
gestanden und den Dieb abgewaschen."
Gerichtsdiener. „Jetzt mach weiter oder ich werd'
spinnengiftig."
Martin. „Werd' du giftig, ich werd krank. Schau her,
da lieg ich schon ganz miserabel, setzt kannst den Doktor auch
noch holen. Ha, ha. ha!"
Zweite Scene.
Arzt. „Nun, wie lang fühlt man sich schon unwohl,
lieber Gypsreiber?"
Martin. „Ich bin schon recht elend hcreinkommen. Beim
Arretiren hat mich einer auf den Magen gestoßen. Ach gnädiger
Herr, wie man mit uns armen Leuten umgeht, ist nicht zum
sagen."
Arzt. „Das rohe Volk. Man wird cinschreiten."
Martin. „Also, seit dem Stoß ist mir schlecht, bei der
magern Kost kann man keine Kraft kriegen und — der Gerichts-
diener hat mir eine enorme Alteration verursacht. Er beweist
mir gar kein Respekt, als wär ich der größte Hallunk und bin
doch bloS ein beklagenswerther Angeschuldigter."
Arzt. „Das soll sich ändern. Also du bist mit der Ver-
pflegung nicht ganz zufrieden?"
Martin. „Ja, man weiß wohl, daß in der Gefangenschaft
nicht alles schmecken kann, aber der Gcrichtsdiener macht sich
aus dem Rindfleisch Kapaunen. Am letzten Sonntag bringt er
gar ein Kuhfleisch daher, da« ein dreijähriger Wolf nicht hätt'
beißen können. Herr Doctor, ich bin vor der Hand ein ganz
unschuldiger Mensch und verlang' standesmäßige Behandlung."
Arzt. „Zu was fühlen wir Appetit?"
Martin. „Ja, neulich hat eine gebratene Gans so prächtig
hereingerochen, daß —"
Arzt. „Gypsreiberchen, GyPSreiberchen, man will sich ruiniren
und dann hat das G-richt die Schuld."
19*
„Am vierte Dag Obends halt's un mer müsse ausschteige.
Wie ich mich umguck', kummt mer des Ding so bekannt vor
un s' war richtig so, dann mer wäre wiederuf der Rheinbrück
bei Straßburg. Driwwe Hot grad die badisch Eisenbahn' gepiffe,
un da hawwe mer unS nit mehr lang b'snnne, was mer dhun
solle." —
Hot mich viel Geld loscht, wann mer aach schun die
Rückreeß nmesunscht gemacht hawwe, viel Angscht Hab ich aus-
g'schlanne un so viel gschwitzt, daß es noch drei Dag dauere
kann bis mein" Bauch wieder rausgesse is — awwer des sag
ich Ihne: Nunue kcen' Plaisirreeß amme Freidag an'fange! " —-
R—
Hmnanitiits * Fortschritte.
Erste Seen e.
Gerichtsdiener. „Der Herr Commissär ist da. Mach
der Märtel, daß er in's Verhör hinüber kommt."
Martin. ,,Ist das eine Sprache? Herr Martin Gyps-
reibcr heiß' ich und man ladet mich schön ein."
Gerichtsdiener. „Warum nicht gar! Ich bring nichts
Neues auf."
Martin. „Es ist was Altes. Wie ich das letzte Mal
gsessen bin, Hab ich erfahren, daß man uns höflich behandeln
muß, verstehst mich? Befolg' die Verordnung."
Gerichtsdiener. „Die Herrn können verordnen, was
sie wollen, ich mach'«, wie's mein Vater gemacht hat."
Martin. „Willst mich ersuchen oder nicht?"
Gerichtsdiener. „WaS? Einen Dieb?"
Martin. „Der Martin Gypsreiber ist so lang kein Dieb,
bis es ihm bewiesen ist."
Gcrichtsdiener. „Bist etwa das letzte Mal gesesien,
weilst Lämmer gehütet hast?"
Humanitäts-Fortschritte. 147
Martin. „Ich beschwer mich. Ich Hab mein Straf aus-
gestanden und den Dieb abgewaschen."
Gerichtsdiener. „Jetzt mach weiter oder ich werd'
spinnengiftig."
Martin. „Werd' du giftig, ich werd krank. Schau her,
da lieg ich schon ganz miserabel, setzt kannst den Doktor auch
noch holen. Ha, ha. ha!"
Zweite Scene.
Arzt. „Nun, wie lang fühlt man sich schon unwohl,
lieber Gypsreiber?"
Martin. „Ich bin schon recht elend hcreinkommen. Beim
Arretiren hat mich einer auf den Magen gestoßen. Ach gnädiger
Herr, wie man mit uns armen Leuten umgeht, ist nicht zum
sagen."
Arzt. „Das rohe Volk. Man wird cinschreiten."
Martin. „Also, seit dem Stoß ist mir schlecht, bei der
magern Kost kann man keine Kraft kriegen und — der Gerichts-
diener hat mir eine enorme Alteration verursacht. Er beweist
mir gar kein Respekt, als wär ich der größte Hallunk und bin
doch bloS ein beklagenswerther Angeschuldigter."
Arzt. „Das soll sich ändern. Also du bist mit der Ver-
pflegung nicht ganz zufrieden?"
Martin. „Ja, man weiß wohl, daß in der Gefangenschaft
nicht alles schmecken kann, aber der Gcrichtsdiener macht sich
aus dem Rindfleisch Kapaunen. Am letzten Sonntag bringt er
gar ein Kuhfleisch daher, da« ein dreijähriger Wolf nicht hätt'
beißen können. Herr Doctor, ich bin vor der Hand ein ganz
unschuldiger Mensch und verlang' standesmäßige Behandlung."
Arzt. „Zu was fühlen wir Appetit?"
Martin. „Ja, neulich hat eine gebratene Gans so prächtig
hereingerochen, daß —"
Arzt. „Gypsreiberchen, GyPSreiberchen, man will sich ruiniren
und dann hat das G-richt die Schuld."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Humanitäts-Fortschritte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 355, S. 147
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg