178 Neue Reisen des wohl
Nun dieses war mir aber hingegen doch zu theier, denn da-
für kann Einer in Pinie nebst Fainihliche 8 Tage wohnen und
noch dazu vorne heraus, erste Edasche, allein hier gab es setz
einmal überall Meßbreise. Aber nun kam auch noch die gause
Dienerschaft 3 Oberköllner, 12 Untermarkehrers, 7 Stubenmä-
dels und 4 Hausknechte, welche alle wollten Trinkgelder haben,
was ich aber mit innerlichster Endristung zurückwies, worauf
besonders die Herren Hausknechte fast handkreiflig wurden.
Ich nahm also dann meine Reisetasche nebst Fritzen und suchte
mir ein Brisadloschi, was allemal stets au die Thiere angeklebt
ist. Dieses ist aber nämlich so: die Stuhtenten, was man in
Leipzig Muhsensehne nennt, dirfen sich in die Mesie nicht in
Leipzig aufhalten, weil da nicht gebumbt*) wird und grösten-
theils der Muhsensohn außer die Mesie nur von den sogenann-
ten höhern Bumb leben thut. Also in die Woche, wo die Mesie
angeht, erhält die Uniferschitet Ferichen und der Stuhtente ver-
läßt Leipzig in großen Ziegen einer hinter den andern darein,
welches nur bei feierlichen Gehlegenheiten gemacht wird und
Gänsemarsch Heist. Hierauf wird von allen Thirmen geblasen
und gelauten, theils weil die Muhsen fort sind, aber hingegen
auch, weil nun die Mesie losgeht. Hierauf wird gescheiert, wo
früher der Muhsensohn gewohnt hat und an die Thiere wird
ges chrieben:
Hier ist ein Meßloschi zu vermieden!
Ich ging also in so eine Meßverniiedung hinein und der
Wirlh fihrte mich in ein Zimmer mit Borsaal, wo bis jetzt ein
medezichnischer und ein deologischer Stuhtente drinne gewohnt
*) Bumben ist nemlich ein akediimischer Kunstausdruck, und Heist
als wie: nicht bezahlen, liebe Anverwandte u. s. w
ngeschenen Bürgers rc.
hatte. Jetzt standen aber für die Meßfremden in der Stube
sechs Betten gans enge nebeneinander und in den Vorsaal auch
noch viere. Es war mir nun zwar jedoch dieses nicht gans lieb
da ich jedoch keine Kabitalichen und keine Breziosen nicht bei
mir sihrte, so fragte ich nach den Breise.
„I nu sehn Se, hürrn Se," sagte der Wirlh zu mir (und
ich schreibe hier diese Konfersazion grade so hin, als wie man
in Leipzig wirklich spricht, damit daß Ihr daraus sehen könnt,
wie sehr man noch dort in die Sprache und Krammodick zurücke
ist), also: „sehn Se," sagte der Mann zu mir, „mein Kulester,
der Breis is Sie gans verschieden. In der Schtube kost ä Nacht-
schlaf in das Bette zwelf kute Kroschen, unter das Bette nur
sechse, un us'n Vorsaale kostt's in Bette sechse und drunter
dreie."
Mir blieb vor Erstaunlichkeit der Mund offen stehen, denn
daß die Leite unter die Betten schlafen, davon hatte ich doch
noch niemals nichts nicht gehört, alleine aber da ich auf eine
Reise alles mcrkwirdige sehn und mitmachen muß, so faste ich
mich balde wieder und bestellte mir einen Blatz in die Stube
in's Bette und vor Fritzen einen Blatz auf den Borsaal unter
das Bette, weil sich die Jugend immer abherlen muß. Wie ich
nun diese heislichen Angelegenheiten besorgt hatte, so ging ich
nun aus, um mir Leipzig zu betrachten.
Um damit, daß Ihr ein richtige Ithee von die Messe be-
kommt, so muß ich Euch auch die histhorichte Erfindung davon
erklären. Karl der Große, welcher nämlich vor mehrere tausend
Jahren einmal Kenig von Deutschland gewesen, hat die Mcsien
erfunden und dieselben grade nach Leipzig gelegt, weil hier ein
Mittelpunkt ist, wo die gansen deutschen Eisenbahnen zusammen-
stoßen, und also nirgends kein bessrer Blatz nicht sein könnte.
Die Mesie aber wird so eingetheilt. Zuerst ist eine Woche,
wo nichts nicht ist, das Heist, wo eigendlich nichts nicht
Nun dieses war mir aber hingegen doch zu theier, denn da-
für kann Einer in Pinie nebst Fainihliche 8 Tage wohnen und
noch dazu vorne heraus, erste Edasche, allein hier gab es setz
einmal überall Meßbreise. Aber nun kam auch noch die gause
Dienerschaft 3 Oberköllner, 12 Untermarkehrers, 7 Stubenmä-
dels und 4 Hausknechte, welche alle wollten Trinkgelder haben,
was ich aber mit innerlichster Endristung zurückwies, worauf
besonders die Herren Hausknechte fast handkreiflig wurden.
Ich nahm also dann meine Reisetasche nebst Fritzen und suchte
mir ein Brisadloschi, was allemal stets au die Thiere angeklebt
ist. Dieses ist aber nämlich so: die Stuhtenten, was man in
Leipzig Muhsensehne nennt, dirfen sich in die Mesie nicht in
Leipzig aufhalten, weil da nicht gebumbt*) wird und grösten-
theils der Muhsensohn außer die Mesie nur von den sogenann-
ten höhern Bumb leben thut. Also in die Woche, wo die Mesie
angeht, erhält die Uniferschitet Ferichen und der Stuhtente ver-
läßt Leipzig in großen Ziegen einer hinter den andern darein,
welches nur bei feierlichen Gehlegenheiten gemacht wird und
Gänsemarsch Heist. Hierauf wird von allen Thirmen geblasen
und gelauten, theils weil die Muhsen fort sind, aber hingegen
auch, weil nun die Mesie losgeht. Hierauf wird gescheiert, wo
früher der Muhsensohn gewohnt hat und an die Thiere wird
ges chrieben:
Hier ist ein Meßloschi zu vermieden!
Ich ging also in so eine Meßverniiedung hinein und der
Wirlh fihrte mich in ein Zimmer mit Borsaal, wo bis jetzt ein
medezichnischer und ein deologischer Stuhtente drinne gewohnt
*) Bumben ist nemlich ein akediimischer Kunstausdruck, und Heist
als wie: nicht bezahlen, liebe Anverwandte u. s. w
ngeschenen Bürgers rc.
hatte. Jetzt standen aber für die Meßfremden in der Stube
sechs Betten gans enge nebeneinander und in den Vorsaal auch
noch viere. Es war mir nun zwar jedoch dieses nicht gans lieb
da ich jedoch keine Kabitalichen und keine Breziosen nicht bei
mir sihrte, so fragte ich nach den Breise.
„I nu sehn Se, hürrn Se," sagte der Wirlh zu mir (und
ich schreibe hier diese Konfersazion grade so hin, als wie man
in Leipzig wirklich spricht, damit daß Ihr daraus sehen könnt,
wie sehr man noch dort in die Sprache und Krammodick zurücke
ist), also: „sehn Se," sagte der Mann zu mir, „mein Kulester,
der Breis is Sie gans verschieden. In der Schtube kost ä Nacht-
schlaf in das Bette zwelf kute Kroschen, unter das Bette nur
sechse, un us'n Vorsaale kostt's in Bette sechse und drunter
dreie."
Mir blieb vor Erstaunlichkeit der Mund offen stehen, denn
daß die Leite unter die Betten schlafen, davon hatte ich doch
noch niemals nichts nicht gehört, alleine aber da ich auf eine
Reise alles mcrkwirdige sehn und mitmachen muß, so faste ich
mich balde wieder und bestellte mir einen Blatz in die Stube
in's Bette und vor Fritzen einen Blatz auf den Borsaal unter
das Bette, weil sich die Jugend immer abherlen muß. Wie ich
nun diese heislichen Angelegenheiten besorgt hatte, so ging ich
nun aus, um mir Leipzig zu betrachten.
Um damit, daß Ihr ein richtige Ithee von die Messe be-
kommt, so muß ich Euch auch die histhorichte Erfindung davon
erklären. Karl der Große, welcher nämlich vor mehrere tausend
Jahren einmal Kenig von Deutschland gewesen, hat die Mcsien
erfunden und dieselben grade nach Leipzig gelegt, weil hier ein
Mittelpunkt ist, wo die gansen deutschen Eisenbahnen zusammen-
stoßen, und also nirgends kein bessrer Blatz nicht sein könnte.
Die Mesie aber wird so eingetheilt. Zuerst ist eine Woche,
wo nichts nicht ist, das Heist, wo eigendlich nichts nicht
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Neue Reisen des wohlangesehenen Bürgers und jetzt Rentiers Graf aus Pirna bei Dresden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Trinkgelage <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 359, S. 178
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg