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Scene ans Wilhelm Tell.

Leuthold: „Die Reverenz zu machen einem Hut,

Es ist doch trau'n ein närrischer Befehl."

Klopfgeister und Tischrücken.

Verehrliche Redaction!

Sondershausen, den 10. April 1883.

Ich muß Ihnen von vorneherein sagen, daß ich eigent-
lich kein Schriftsteller bin, sondern Bäckermeister, und ich möchte
Ihnen auch bitten, daß Sie hier und da kleine Fehler in der
Orthographie corrigiren wollten, aber die Sache ist viel zu
interessant; es ist nämlich von wegen deS Tischrücken, und Sic
können es gar nicht glauben, die ganze Residenz ist seit ein
Paar Tagen rein vom Hellen Teufel besessen, Tische und
Stühle und ganze Amöblemangs laufen zu lassen, und wenn
das nicht bald aufhört, so hör' ich auf.

Um aber ganz von Anfang zu beginnen, ging das Leben
an dem Tage los, wo wir die Augsburger Allgemeine Zeitung
mit einem Bericht hteher kriegten, worin'S ganz genau beschrie-

ben stand, wie man die Geschichte anfangen müsse, um Alles
unterst zu oberst zu kehren. Ich hatt' das dumme Zeug auch
gelesen und fitz' den Abend unten in meiner Stube und denk'
an nichts Böses, nur wie die Rcsy immer und immer nicht
kommt und mir meinen gewohnten Kaffee bringt und die Pan-
toffeln, und wie auch meine Frau und mein Junge nicht kom-
men und Alles todtenstill ist im Haus, steh' ich endlich auf
und ruf hinaus — Kathrine ruf ich — Julius — Kath-
rine! — Gott bewahre, nicht die Idee von einer Seele, und
nur einmal war's mir, als ob ich von oben herunter 'was
antworten hörte. So fitz' ich noch 'ne Viertelstunde, und noch
'ne halbe und noch 'ne ganze — aber es kommt Niemand —
endlich wird mir die Sache doch zu bunt und ich auf und die Treppe
hinauf, und ärgerlich war ich auch, und wie ich die Thüre von
unserem „guten Zimmer" ausmache, sch ich die ganze Beschecrung.

Um den großen Tisch, den ich mitten in der Stube stehn
habe, fitzt meine Frau und meine zwei Zungen und mein Mä-
del und Nachbars Ricke und dem Assessor Wenzel sein Sohn
und ein junger Student aus Göttingen, dem Professor Flache
sein Aeltester, der das ganze Unglück angerichtct hat, und die
ganze Gesellschaft hält die Hände auf den Tisch und ficht ge-
rade so aus, als wenn sie bei Tisch gesessen hätte und daS
Tischtuch mit allem was d'rauf war, wäre ihnen auf einmal
unter der Nase fort geflogen. Erst war ich ärgerlich und
wollte an zu fluchen fangen, wie aber meine Frau, mit einem
ganz dicken rothm Kopf, immer nach mir herüber nickt und
schüttelt, denn die Hände durfte sie nicht losmachen, mußt' ich
helllaut an zu lachen fangen. Aber da kam ich schön an
und nachher sollt's mir noch schlimmer geh'n.

Der Tisch war ein guter solider ehrlicher Eichenttsch mit
vier Beinen und wich und wankte nicht — drei Stunden
saßen fie da und viere — an Abendbrod war kein Gedanke
und der Schweiß lief ihnm von den Sttrnen herunter, wenn
aber einmal Eines davon anfing, daß fie aufhören sollten, da
meinte der Student oder ein Anderer, daß es ihn irgendwo
im Arme oder Ellbogen kriwwelte und baumfest saßen fie
wieder eine volle halbe Stunde. Endlich, nachdem fie von
sechs bis halb zehn Uhr auf einem Fleck gesessen hatten,
fiel'S dem Assessor Wenzel seinem Sohn ein, daß er seinen
Hausschlüssel in der Rocktasche hätte und nun wußte er auch
weshalb 's ihm immer so den Buckel heruntergezogen war und
die ganze Geschichte war dem Assessor seinen Sohn durch den
Rockkragen in den Hausschlüssel und von da, wie an einem
Blitzableiter in die Erde gefahren. Nun wußten fie auf ein-
mal Alle, warum der Tisch nicht wackeln wollte, und den Assessor
Wenzel seinen Sohn hätten fie beinah umgebracht, wegen dem
Hausschlüssel. Aber glauben Sie, daß fie's nun aufgegeben
hätten? Gott bewahre erst recht, und am andern Abend sollte
die ganze Comödige noch einmal von vorne angehn, aber
dießmal ohne Hausschlüssel.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Scene aus Wilhelm Tell"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Referenz
Befehl
Sinnlosigkeit
Zylinder <Kopfbedeckung>
Hut <Motiv>
Karikatur
Stab
Satirische Zeitschrift
Wilhelm Tell

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 17.1853, Nr. 402, S. 142

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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