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Des Esels Kinder.

Aus nied'rer Hütte Thür ein schmutzig Weib,

Nachdrängt ein Kinderschwarm barfuß wie Enten
Und hing sich zerrend an des Rockes Falten.

Sie glotzten mich mit off'ncm Maule an,

Denn hicher hatte sich kein Fremder noch
Mit rothem Buch und buntem Plaid verirrt.

„Wie geht's, wie stcht's?" — Erst schloß die Lippen sie,
Besann sich lang und fand die Antwort endlich:

„Nicht gut, nicht schlecht! wir haben so zu leben,

Dem Esel Dank, der dort im Grase liegt.

Die Woche durch thut er im Dorfe Dienst,

Wie's eben kommt, am Samstag trägt er Reisig
Nach Eppan und verdient genau so viel,

Als die Polenta kostet für das Haus."

„Genug ist reich!" erwidert' ich und lockte
Mit einer Semmel, meines Frühstücks Rest,

Die Kinder her zu mir. Nach kurzer Ruhe
Griff ich zum Stab, versprach jedoch zu kommen
Im nächsten Lenz, sie möchten nur bis dort,

— Ich zeigte ihnen Ammonshörner, Muscheln, —
Von diesen Dingen sammeln in der Schlucht.

Die Schwalbe kehrte wieder aus dem Süden
Und zwitscherte die frohe Wanderlust
In meine Brust. Ich stieg zum Nonsbcrg aufwärts;
Der Muscheln denkend und der Ammoniten
Sucht' ich die Hütte. Manches gab's zu handeln
Und weil ich willig zahlte, trug das Weib
Mir frische Kirschen auf. Nach allerlei
Gerede hin und her, fragt' ich: „Wo ist
Der Esel, der so fröhlich sang im Anger?"

»In Arbeit", sprach sie, „ohne Käse schmeckt
Polenta doch zu schlecht, er muß nun frohnden
Und mehr verdienen uns." — Besprochen war.

Was zu besprechen; für den nächsten Frühling

Bestellt' ich mir Versteinerungen viel.

Die Schwalbe kehrte wieder aus dem Süden,

Und zwitscherte die frohe Wanderlust

In meine Brust. Ich stieg zum Nonsbcrg aufwärts;

Der Muscheln denkend und der Ammoniten
Sucht' ich die Hütte. Eh' ich sie erreicht.

Begegnet' mir der Bauer mit dem Esel,

Ter müd' und hinkend, ruppig und zerschunden

Den Pfad emporklomm. — „Ei, was ist's", rief ich,

„Was fehlt dem Grauen?" — „Ja", begann der Bauer,

„Mein Weib will nicht in Lumpen hin zur Kirche
Und auch die Kinder nicht, da spürt's der Esel,

Daß uns der Krämer keine Waare schenkt."

Mitleidig kraut' ich ihm die rauhe Stirne,

Kaum hob der stille Dulder noch das Ohr,

Als ob er mich verstünde, schaut' er traurig
Zu Boden und ergeben. — „Auch für Esel gibt
Es endlich ein zu viel!" begann ich wieder.

„Herr, euer Steingerümpel liegt bereit!"

So unterbrach der Bauer mich. — Besprochen war,
Was zu besprechen; für den nächsten Frühling
Bestellt' ich mir Versteinerungen viel.

Die Schwalbe kehrte aus dem Süden wieder
Und zwitscherte die frohe Wanderlust
In meine Brust. Ich stieg zum Nonsbcrg aufwärts;
Der Muscheln denkend und der Ammoniten
Sucht' ich die Hütte. Aus der Thüre trat
Entgegen mir das Weib, der Kinder Schaar,

Und alle trugen an den Füßen Schuhwerk
Von neuem Leder. Laut begannen sie
Zu jammern jetzt und eh' ich noch gefragt,

Erscholl's wie Todtenklage. — „Was geschah?"

Rief ich erschrocken. — „Ach, den Esel nahm
Der Herrgott uns, den Esel; unfern Vater,

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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Des Esels Kinder"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 57.1872, Nr. 1419, S. 99

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