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Die blauen Augen.
schien übrigens nicht wenig erstaunt über den Inhalt; wortlos
reichte er Auroren das corpus delicti hin. Diese las:
„Licbesklage des Indianer-Häuptlings Tschim-tscho-la-mordscha:
Wild und still und still und wilde
Schleich' ich durch den Urenwald.
Fort zum Teufel mit der Milde!
Morden will ich, daß es knallt!!
Ach! So gerne möcht' ich hassen
Jedes bleiche Individuum;
Doch ich eines nicht kann lassen!
Großer Geist! Was gab' ich d'rum!
Könnt' noch einmal ich sie schauen
Mit dem gold'nen Lockenhaar,
Mit dem Lächeln aus den blauen
Himmelsaugen süß und klar.
Aber sie ist fortgeschwommen
Auf des großen Salzsee's Fluth;
Niemals thut sie wiederkommcn!
Nie sie wiederkommen thut!
Ach! Aurora war ihr Name
Und Berlin ihr Heimathsort,
Letzthin ist, woher sie käme,
Sie gedampfet fort.
Oftmals steh' am Meercsstrande
Voller Sehnsucht ich;
Thu' mit Arm und Beinen winken:
Hummer, Lachs und frischen Bärenschinken
Kriegst Du, wenn Du kommst bei mich.
O großer Geist! Ich schwör's zu dieser Stund:
Des Menschen Wille ist sein Jagdgrund.
P. 8. Wenn Sie, Herr Erpel, geneigt wären, auf das
Gesuch zu reflektiren, so erscheinen Sie mit Ihrer Tochter
heute Abend im Opernhause. Ein Lächeln möge deren
holdes Gesicht zum Zeichen des Einverständnisses verklären.
Bravo Mörder,
Pfadfinder und Generalbevollmächtigter
aus Kanada."
4. Kapitel.
„Det is nich ohne. Hummer, Lachs und frischer Bären-
^chinken! Versteht zu leben so 'n Indianerhäuptling, und ich
meine Fonds in Rumäniern angelegt."
„Aber, Papa, wie kann denn Herr v. Tschimo — po
~~ Po — mich meinen? Ich war ja niemals in Kanada!"
„Dat is ejal. Nu 's 'mal so is, bleibt et ooch so.
je(jen hM in's Opernhaus zu Hamleten. Ha, ha, ha,
Q»n mir leid thun, der Hamlet, dänischer Prinz!"
Aurora stürzte plötzlich mit einem Jubclschrei ihren; Vater
Um den Hals.
„O, Papa, ich schwärme ja so für Indianer und —
Pfadfinder!"
„Und ich habe meine Fonds in Rumäniern angelegt."
„Ich werde lächeln heute Abend — lächeln! Mit der
Todeswunde im Herzen. — — Pü!!" — Und sie stürzte hinaus. !
5. Kapitel.
Unter den Linden bummelte die einsame Figur des Pfad-
finders. Plötzlich verdoppelte er seine Schritte und eilte auf
einen vor ihm her wandelnden Offizier zu.
„Lump!" rief er zwei Schritt hinter demselben. Wie !
I elektrisirt drehte dieser sich herum und der überraschte Leser j
erkennt das geistreiche Gesicht des Grafe» Pü.
„Was seh' ich? O ihr guten Geister! Mein Roderrrrich!"
„Mein Carlos!"
Brust an Brust lagen die beiden, und die Männerzähre }
J tropfte auf den Asphalt zu ihren Füßen. Schnell winkte Graf j
! Pü eine Droschke herbei und entzog auf diese Weise sich und
J den wiedergefundenen Freund den neugierigen Blicken.
„Herr Jott, Aujust, wie siehst Du aus, was für ein j
Staatskerl ist aus Dir jeworden?" rief er im Innern des
Fuhrwerkes entzückt.
„Goddam, Sir, my name is Mörder!“
„Vorsicht!" warnte erbleichend der Graf, „wie darfst
Du es wagen, Dich nach Deinen noblen, aber gefährlichen
Passionen zu nennen?"
„Ach was! Ich kenne jetzt Europens übertünchte Höstich-
j keit nicht mehr." Er schlug gemüthlich dem Freunde auf den
Schenkel.
„Als ich damals den Baron Luribam erstochen hatte",
begann er seine Erzählung, „stürzte ich auf den Bahnhof.
Fortuna war mir, wie immer, hold. Vor dem Billet-Schalter
im dicksten Gedränge stand ein Grünschnabel mit einer um-
gehängten Juchtentasche, in welcher vollwichtige Dukaten mir
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Die blauen Augen.
schien übrigens nicht wenig erstaunt über den Inhalt; wortlos
reichte er Auroren das corpus delicti hin. Diese las:
„Licbesklage des Indianer-Häuptlings Tschim-tscho-la-mordscha:
Wild und still und still und wilde
Schleich' ich durch den Urenwald.
Fort zum Teufel mit der Milde!
Morden will ich, daß es knallt!!
Ach! So gerne möcht' ich hassen
Jedes bleiche Individuum;
Doch ich eines nicht kann lassen!
Großer Geist! Was gab' ich d'rum!
Könnt' noch einmal ich sie schauen
Mit dem gold'nen Lockenhaar,
Mit dem Lächeln aus den blauen
Himmelsaugen süß und klar.
Aber sie ist fortgeschwommen
Auf des großen Salzsee's Fluth;
Niemals thut sie wiederkommcn!
Nie sie wiederkommen thut!
Ach! Aurora war ihr Name
Und Berlin ihr Heimathsort,
Letzthin ist, woher sie käme,
Sie gedampfet fort.
Oftmals steh' am Meercsstrande
Voller Sehnsucht ich;
Thu' mit Arm und Beinen winken:
Hummer, Lachs und frischen Bärenschinken
Kriegst Du, wenn Du kommst bei mich.
O großer Geist! Ich schwör's zu dieser Stund:
Des Menschen Wille ist sein Jagdgrund.
P. 8. Wenn Sie, Herr Erpel, geneigt wären, auf das
Gesuch zu reflektiren, so erscheinen Sie mit Ihrer Tochter
heute Abend im Opernhause. Ein Lächeln möge deren
holdes Gesicht zum Zeichen des Einverständnisses verklären.
Bravo Mörder,
Pfadfinder und Generalbevollmächtigter
aus Kanada."
4. Kapitel.
„Det is nich ohne. Hummer, Lachs und frischer Bären-
^chinken! Versteht zu leben so 'n Indianerhäuptling, und ich
meine Fonds in Rumäniern angelegt."
„Aber, Papa, wie kann denn Herr v. Tschimo — po
~~ Po — mich meinen? Ich war ja niemals in Kanada!"
„Dat is ejal. Nu 's 'mal so is, bleibt et ooch so.
je(jen hM in's Opernhaus zu Hamleten. Ha, ha, ha,
Q»n mir leid thun, der Hamlet, dänischer Prinz!"
Aurora stürzte plötzlich mit einem Jubclschrei ihren; Vater
Um den Hals.
„O, Papa, ich schwärme ja so für Indianer und —
Pfadfinder!"
„Und ich habe meine Fonds in Rumäniern angelegt."
„Ich werde lächeln heute Abend — lächeln! Mit der
Todeswunde im Herzen. — — Pü!!" — Und sie stürzte hinaus. !
5. Kapitel.
Unter den Linden bummelte die einsame Figur des Pfad-
finders. Plötzlich verdoppelte er seine Schritte und eilte auf
einen vor ihm her wandelnden Offizier zu.
„Lump!" rief er zwei Schritt hinter demselben. Wie !
I elektrisirt drehte dieser sich herum und der überraschte Leser j
erkennt das geistreiche Gesicht des Grafe» Pü.
„Was seh' ich? O ihr guten Geister! Mein Roderrrrich!"
„Mein Carlos!"
Brust an Brust lagen die beiden, und die Männerzähre }
J tropfte auf den Asphalt zu ihren Füßen. Schnell winkte Graf j
! Pü eine Droschke herbei und entzog auf diese Weise sich und
J den wiedergefundenen Freund den neugierigen Blicken.
„Herr Jott, Aujust, wie siehst Du aus, was für ein j
Staatskerl ist aus Dir jeworden?" rief er im Innern des
Fuhrwerkes entzückt.
„Goddam, Sir, my name is Mörder!“
„Vorsicht!" warnte erbleichend der Graf, „wie darfst
Du es wagen, Dich nach Deinen noblen, aber gefährlichen
Passionen zu nennen?"
„Ach was! Ich kenne jetzt Europens übertünchte Höstich-
j keit nicht mehr." Er schlug gemüthlich dem Freunde auf den
Schenkel.
„Als ich damals den Baron Luribam erstochen hatte",
begann er seine Erzählung, „stürzte ich auf den Bahnhof.
Fortuna war mir, wie immer, hold. Vor dem Billet-Schalter
im dicksten Gedränge stand ein Grünschnabel mit einer um-
gehängten Juchtentasche, in welcher vollwichtige Dukaten mir
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die blauen Augen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 58.1873, Nr. 1440, S. 59
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg