V o n A chten
verliehen, hätte ich Bedeutendes werden können. Ich bin nichts
geworden, weil ich unglücklicher Weise in einer Zeit geboren
wurde, die keine großen Charaktere zur Entfaltung kommen ließ,
in einer Zeit der Ebbe, wo außer Essen und Trinken die Leute
nichts erregt, in einer Zeit, wo Alles in Schlaf gesunken. Ich
habe viel gelitten, wenn ich über mein elendes Schicksal nach-
dachte — wenn ich verglich, wozu ich von der Natur bestimmt
war, und was ich wurde. Endlich resignirte ich. Ich nahm
ein Weib und zeugte Kinder, wie die Andern. Aber das nahm
ich mir vor, meine Kinder so zu erziehen, daß sie die Ziele
erreichen konnten, die ihr Vater nicht erreicht, daß sic den
Namen Lemaktrc eintragen konnten in das goldene Buch der
Unsterblichkeit. Aber ach! — Einer starb mir nach dem
Andern. Ich zweifle nicht daran, daß der Mensch mit Anlagen
zu gewissen Thätigkeiten auf die Welt kommt, die sich freilich
erst durch die Erziehung ausbilden. Ich zweifle auch nicht
daran, daß diese Anlagen ihren Ausdruck am Kopfe, in der
der Siebente. 11
Forni der Stirne, der Nase :c. finden; ich habe darüber weit
und tiefgehende Studien angestellt und hatte daher auch eine
gewisse Uebnng erlangt, welche mich in den Stand setzte, an
meinen neugeborenen Kindern allsogleich ihre künftige Bestimmung
zu erkennen. Ich sah, jedem hatte die Natur eine große Eigen-
schaft mitgegeben, einen Strahl aus meinem geistigen Strnhlcn-
bündel, und schwer kam es mir daher, mich von den großen
Männern der Zukunft zu trennen. Deßhalb ließ ich sic alle
präpariren und in Spiritus ausbewahren. Dir, mein Sohn,
vermache ich Deine Brüder und lege Dir an's Herz, sic nie,
uni keiner Ursache willen zu verlassen.
Du kamst als der Siebente zur Welt und bliebst am
Leben. Ich wurde über Deine Bcstimmnng lange nicht klug.
Du warst ein stilles, ruhiges Kind, das mit sinnenden Augen
in die Welt blickte. Sonderbarer Weise verriethst Du eine
geringe Eßlust und konntest Tage lang hungern, ohne zu murren.
(Fortsetzung folgt.)
Vagabund: „Sie, Herr, möchten Sie mich nicht durch diesen Wald begleiten? Ich fürchte mich, den Weg allein zu machen,
weil ich gestern Einen nmgebracht habe!"
verliehen, hätte ich Bedeutendes werden können. Ich bin nichts
geworden, weil ich unglücklicher Weise in einer Zeit geboren
wurde, die keine großen Charaktere zur Entfaltung kommen ließ,
in einer Zeit der Ebbe, wo außer Essen und Trinken die Leute
nichts erregt, in einer Zeit, wo Alles in Schlaf gesunken. Ich
habe viel gelitten, wenn ich über mein elendes Schicksal nach-
dachte — wenn ich verglich, wozu ich von der Natur bestimmt
war, und was ich wurde. Endlich resignirte ich. Ich nahm
ein Weib und zeugte Kinder, wie die Andern. Aber das nahm
ich mir vor, meine Kinder so zu erziehen, daß sie die Ziele
erreichen konnten, die ihr Vater nicht erreicht, daß sic den
Namen Lemaktrc eintragen konnten in das goldene Buch der
Unsterblichkeit. Aber ach! — Einer starb mir nach dem
Andern. Ich zweifle nicht daran, daß der Mensch mit Anlagen
zu gewissen Thätigkeiten auf die Welt kommt, die sich freilich
erst durch die Erziehung ausbilden. Ich zweifle auch nicht
daran, daß diese Anlagen ihren Ausdruck am Kopfe, in der
der Siebente. 11
Forni der Stirne, der Nase :c. finden; ich habe darüber weit
und tiefgehende Studien angestellt und hatte daher auch eine
gewisse Uebnng erlangt, welche mich in den Stand setzte, an
meinen neugeborenen Kindern allsogleich ihre künftige Bestimmung
zu erkennen. Ich sah, jedem hatte die Natur eine große Eigen-
schaft mitgegeben, einen Strahl aus meinem geistigen Strnhlcn-
bündel, und schwer kam es mir daher, mich von den großen
Männern der Zukunft zu trennen. Deßhalb ließ ich sic alle
präpariren und in Spiritus ausbewahren. Dir, mein Sohn,
vermache ich Deine Brüder und lege Dir an's Herz, sic nie,
uni keiner Ursache willen zu verlassen.
Du kamst als der Siebente zur Welt und bliebst am
Leben. Ich wurde über Deine Bcstimmnng lange nicht klug.
Du warst ein stilles, ruhiges Kind, das mit sinnenden Augen
in die Welt blickte. Sonderbarer Weise verriethst Du eine
geringe Eßlust und konntest Tage lang hungern, ohne zu murren.
(Fortsetzung folgt.)
Vagabund: „Sie, Herr, möchten Sie mich nicht durch diesen Wald begleiten? Ich fürchte mich, den Weg allein zu machen,
weil ich gestern Einen nmgebracht habe!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das böse Gewissen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 69.1878, Nr. 1720 , S. 11
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg