98
Der Wettermacher von Krähwinkel.
Doch wenn Ihr solche Dinge versteht,
Nicht nöthig ist's dann, das; Ihr weiter geht
Zum fernen, heidnischen Türkenreich,
Da könnt Ihr hier am Orte gleich
In Ehren und in Frieden wohnen,
Wir ivollten die Dienste Euch reich belohnen;
Der Stadtschreiber bin ich, damit Jhr's wißt,
Und willigt Ihr ein, so kommt zur Frist
Zum Bürgermeister mit mir gegangen,
Der wird Euch mit offenen Armen empfangen!"
Der Niklas brummt: „Potz Hagel und Schrot,
Sv führt mich nur zu ihm, Schockschwerenoth!"
Da geleitet der Schreiber den seltenen Gast
Zuin Hause des Bürgermeisters in Hast,
Lies; gleich in den Stall das Röhlein bringen
Und reichlich mit Hafer versorgen, dann gingen
Die Beiden die Treppe hinauf, und dann
Klopfte der Stadtschreiber leise an.
In; tiefsten Basse rief es: „Herein!"
Und Beide traten bescheiden ein.
Im Pelzrock von scharlachrothem Tuch
Sah Krähwinkels Herrscher vor einem Buch,
In dem die Geschicke der Reichsstadt waren
Verzeichnet seit Kaiser Karoli Jahren. —
Die Wände bedeckten Fliese von Schmelz
Und Bilder; ein großer Eisbärenpelz
Lag neben dem Tische. Vor Staunen stumm
Sah Niklas auf alle die Pracht ringsum.
Der Stadtschreiber nun, der sich lächelnd verneigte
Und zugleich auf seinen Begleiter zeigte,
Erhob die Stimme in hohem Tenor
Und sprach: „Ich stell' Eurer Herrlichkeit vor
Eitlen vielgereisten, berühmten Mann,
Der Regen und Sonnenschein machen kann.
Zum Sultan will er reisen soeben,
lim sich bei diesem tu Dienst zu begeben,
Doch ich, auf das Wohl unsrer Stadt bedacht,
Hab' ihn alsbald zu Euch gebracht,
Denn vielleicht gelingt es, ihn hier zu behalten,
Um Krähwinkels Wetter nach Wunsch zu gestalten.
Ich hoffe, er wird Euch mit Freuden dienen!" —
Der Herr Bürgermeister mit zweifelnden Mienen
Betrachtete durch sein Augenglas
Den wettergebrännten Herrn Nikolas
Und sagte dann: „Das wäre!-hum! hum!"
Nachdenklich blieb er ein Weilchen stumm
Und fuhr danli fort im tiefsten Bah:
„Sehr wunderscltsam däucht mir das!
Bevor ich solche Kunst kann loben,
Mein guter Freunds verlang' ich Proben!
Vom Zweifel bin ich wohl entfernt,
Doch sagt — luxe habt Ihr das erlernt?"
Der Niklas brummt: „Potz Brand und Mord,
Ich bill gekränkt durch dieses Wort!
Nicht bin ich's gewöhnt, vernehntt das jetzt,
Das; man Zweifel in meine Worte setzt,
Und Jedem, der's lvagt, sich deh' zu erfrechen,
Den pfleg' ich mit nieinem Schwert zu erstechen!
Noch mancherlei Kunststück ist mir bewußt,
Sv seh' ich hinab in der Menschen Brust
Und kann es auf allen Gesichtern lesen,
Was Jeder erlebt und was er gewesen!
Und daß Euch nicht ferner noch Zlveifel plagen,
Will ich sogleich den Beweis 'mal wagen.
Ihr ivaret zum Beispiel, Potz Balsam und Blitz,
Der Sohn eines Krämers mit Namen Fritz,
Ihr ward in der Schule der faulste Schlingel,
Doch halft Ihr dem Meßner bei seinem Geklingel
Und fröhntct dem Dienste des Belial
Bei Orgelton und bei Glockenschall.
Man glaubte, Ihr wäret wie Lämmer fromm,
Man sah nicht, wie Euch im Herzen glomm
Der Gleißncrei verfluchtes Gift,
Und die Selbstsucht, die tückisch den Nächsten trifft,
Die den besten Freund selbst früh oder spät
Mit tückischem Judasküsse verräth,
Und die, wenn's eigenen Bortheil betrifft,
Zurück nicht schaudert vor Dolch und Gift.
Ihr liebtet ein Mädchen, sie hieß Marie,
Mit arger List verführtet Ihr sie;
Ihre Leiche ward in dem Teich gefunden,
Potz Hölle, — denkt Ihr noch jener Stunden?
Einen Liebhaber hatte die arme Maid,
Niklas geheißen, der ist vor Leid
Ettiflohen der Stadt, der ränkevollen,
Und ist seit jener Zeit verschollen. —
Wenn's Euch behagt, so kann ich auch künden,
Wie durch Bestechung und mancherlei Sünden
Ihr dieses Amt Euch habt erschlichen,
Wie Ihr doch arm gewesen verwichen
Und'nun in Reichthum und Ueberfluß prangt!
Sagt an, wie seid Ihr dazu gelangt?
Betrogen habt Ihr die Stadt und bestohlen! —
Und Pest! der Schwarze darf mich holen
Und schleppen mich in die Hölle heiß,
Wenn ich von Euch nicht noch Mancherlei weiß!
Auch Ihr, Herr Stadtschreiber, könntet erfahren
Die Chronik von Euren verflossenen Jahren,
Wenn Euch davon zu hören gelüstet!"
So ruft der Kriegsknecht aus und brüstet
Sich stolz mit ausgespreizten Beinen,
Dann ruft er: „Fast toill mir es scheinen,
Potz Hagel und Hexen, als wäret Ihr Beide
So stumm wie Fische und blaß >vie Kreide!
Drum frag' ich nochmals, Ihr Herrn, mit Vergunst:
Ztveifelt Ihr jetzt noch an meiner Kunst?"
Der Wettermacher von Krähwinkel.
Doch wenn Ihr solche Dinge versteht,
Nicht nöthig ist's dann, das; Ihr weiter geht
Zum fernen, heidnischen Türkenreich,
Da könnt Ihr hier am Orte gleich
In Ehren und in Frieden wohnen,
Wir ivollten die Dienste Euch reich belohnen;
Der Stadtschreiber bin ich, damit Jhr's wißt,
Und willigt Ihr ein, so kommt zur Frist
Zum Bürgermeister mit mir gegangen,
Der wird Euch mit offenen Armen empfangen!"
Der Niklas brummt: „Potz Hagel und Schrot,
Sv führt mich nur zu ihm, Schockschwerenoth!"
Da geleitet der Schreiber den seltenen Gast
Zuin Hause des Bürgermeisters in Hast,
Lies; gleich in den Stall das Röhlein bringen
Und reichlich mit Hafer versorgen, dann gingen
Die Beiden die Treppe hinauf, und dann
Klopfte der Stadtschreiber leise an.
In; tiefsten Basse rief es: „Herein!"
Und Beide traten bescheiden ein.
Im Pelzrock von scharlachrothem Tuch
Sah Krähwinkels Herrscher vor einem Buch,
In dem die Geschicke der Reichsstadt waren
Verzeichnet seit Kaiser Karoli Jahren. —
Die Wände bedeckten Fliese von Schmelz
Und Bilder; ein großer Eisbärenpelz
Lag neben dem Tische. Vor Staunen stumm
Sah Niklas auf alle die Pracht ringsum.
Der Stadtschreiber nun, der sich lächelnd verneigte
Und zugleich auf seinen Begleiter zeigte,
Erhob die Stimme in hohem Tenor
Und sprach: „Ich stell' Eurer Herrlichkeit vor
Eitlen vielgereisten, berühmten Mann,
Der Regen und Sonnenschein machen kann.
Zum Sultan will er reisen soeben,
lim sich bei diesem tu Dienst zu begeben,
Doch ich, auf das Wohl unsrer Stadt bedacht,
Hab' ihn alsbald zu Euch gebracht,
Denn vielleicht gelingt es, ihn hier zu behalten,
Um Krähwinkels Wetter nach Wunsch zu gestalten.
Ich hoffe, er wird Euch mit Freuden dienen!" —
Der Herr Bürgermeister mit zweifelnden Mienen
Betrachtete durch sein Augenglas
Den wettergebrännten Herrn Nikolas
Und sagte dann: „Das wäre!-hum! hum!"
Nachdenklich blieb er ein Weilchen stumm
Und fuhr danli fort im tiefsten Bah:
„Sehr wunderscltsam däucht mir das!
Bevor ich solche Kunst kann loben,
Mein guter Freunds verlang' ich Proben!
Vom Zweifel bin ich wohl entfernt,
Doch sagt — luxe habt Ihr das erlernt?"
Der Niklas brummt: „Potz Brand und Mord,
Ich bill gekränkt durch dieses Wort!
Nicht bin ich's gewöhnt, vernehntt das jetzt,
Das; man Zweifel in meine Worte setzt,
Und Jedem, der's lvagt, sich deh' zu erfrechen,
Den pfleg' ich mit nieinem Schwert zu erstechen!
Noch mancherlei Kunststück ist mir bewußt,
Sv seh' ich hinab in der Menschen Brust
Und kann es auf allen Gesichtern lesen,
Was Jeder erlebt und was er gewesen!
Und daß Euch nicht ferner noch Zlveifel plagen,
Will ich sogleich den Beweis 'mal wagen.
Ihr ivaret zum Beispiel, Potz Balsam und Blitz,
Der Sohn eines Krämers mit Namen Fritz,
Ihr ward in der Schule der faulste Schlingel,
Doch halft Ihr dem Meßner bei seinem Geklingel
Und fröhntct dem Dienste des Belial
Bei Orgelton und bei Glockenschall.
Man glaubte, Ihr wäret wie Lämmer fromm,
Man sah nicht, wie Euch im Herzen glomm
Der Gleißncrei verfluchtes Gift,
Und die Selbstsucht, die tückisch den Nächsten trifft,
Die den besten Freund selbst früh oder spät
Mit tückischem Judasküsse verräth,
Und die, wenn's eigenen Bortheil betrifft,
Zurück nicht schaudert vor Dolch und Gift.
Ihr liebtet ein Mädchen, sie hieß Marie,
Mit arger List verführtet Ihr sie;
Ihre Leiche ward in dem Teich gefunden,
Potz Hölle, — denkt Ihr noch jener Stunden?
Einen Liebhaber hatte die arme Maid,
Niklas geheißen, der ist vor Leid
Ettiflohen der Stadt, der ränkevollen,
Und ist seit jener Zeit verschollen. —
Wenn's Euch behagt, so kann ich auch künden,
Wie durch Bestechung und mancherlei Sünden
Ihr dieses Amt Euch habt erschlichen,
Wie Ihr doch arm gewesen verwichen
Und'nun in Reichthum und Ueberfluß prangt!
Sagt an, wie seid Ihr dazu gelangt?
Betrogen habt Ihr die Stadt und bestohlen! —
Und Pest! der Schwarze darf mich holen
Und schleppen mich in die Hölle heiß,
Wenn ich von Euch nicht noch Mancherlei weiß!
Auch Ihr, Herr Stadtschreiber, könntet erfahren
Die Chronik von Euren verflossenen Jahren,
Wenn Euch davon zu hören gelüstet!"
So ruft der Kriegsknecht aus und brüstet
Sich stolz mit ausgespreizten Beinen,
Dann ruft er: „Fast toill mir es scheinen,
Potz Hagel und Hexen, als wäret Ihr Beide
So stumm wie Fische und blaß >vie Kreide!
Drum frag' ich nochmals, Ihr Herrn, mit Vergunst:
Ztveifelt Ihr jetzt noch an meiner Kunst?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Wettermacher von Krähwinkel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1883
Entstehungsdatum (normiert)
1878 - 1888
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 79.1883, Nr. 1992, S. 098
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg